Würdigung einer Traumsaison - Odermatt war der Gejagte – schlagen konnte ihn keiner
Marco Odermatt hat sich als Ausnahmekönner im Skizirkus bestätigt. Die 2. grosse Kristallkugel ist auch der Nachweis einer bravourös bestandenen Reifeprüfung.
In Kranjska Gora holte Marco Odermatt vor ziemlich genau 4 Jahren seinen ersten Podestplatz im Weltcup. Am gleichen Ort machte er sich nun zum zweiten Mal in Folge zum
Sieger im Gesamtweltcup
– dies ist dem Nidwaldner als erstem Schweizer seit Pirmin Zurbriggen 1987/1988 gelungen.
Bereits vor dem Saisonfinale in Soldeu ist damit der vielseitigste Fahrer gekürt. Das ist schlecht für die Spannung, weil bei den Frauen Mikaela Shiffrin ebenfalls bereits als klare Klassenbeste feststeht, aber gut für Odermatt. Er ist auf dem Weg, dauerhaft zur ähnlich dominanten Figur aufzusteigen wie die US-Amerikanerin, die 5 grosse Kugeln ihr Eigen nennt.
Unglaubliche Konstanz
Der Nidwaldner hat in diesem Winter die schwierige Bestätigung des Erfolgs vom Vorjahr geschafft. Insbesondere, weil in Expertenkreisen genau dies erwartet worden war, kann diese Leistung kaum hoch genug eingeschätzt werden.
Beeindruckend ist, welche Konstanz Odermatt als Gejagter an den Tag legte. Lediglich in 3 von 22 Weltcup-Rennen war der 25-Jährige nicht auf dem Podest, nur in einem nicht in den Top 10: Rang 54 in der Abfahrt von Kitzbühel gab es, weil Odermatt sich aus einer äusserst brenzligen Situation auf der Streif zwar befreien konnte, sich dabei aber eine Knieverletzung zuzog.
Das Knie hielt
Dieses Intermezzo hätte den weiteren Triumphzug durch den Skizirkus bremsen oder gar stoppen können. Doch Odermatt hatte Glück, dass er um eine Meniskus-Operation herumkam. Nachdem er die zweite Abfahrt in Kitzbühel sowie den Riesenslalom von Schladming ausgelassen hatte, kehrte er nur 8 Tage später in Cortina d'Ampezzo mit einem dicken Ausrufezeichen zurück.
Obwohl er sich eigentlich langsam wieder an den Rennrhythmus hatte herantasten wollen, gewann er den Super-G und doppelte einen Tag darauf nach. Die letzten Fragezeichen um Odermatts Teilnahme an der WM in Courchevel/Méribel waren weggefegt. Ein «Knie der Nation» wie anno 1985 bei Pirmin Zurbriggen gab es nicht.
Dem Druck erneut standgehalten
Der Druck bei den Titelkämpfen war trotzdem hoch. Insbesondere nach dem Super-G, in dem Odermatt Edelmetall als Vierter knapp verpasste. Eine WM-Medaille fehlte im Palmarès des Überfliegers schliesslich noch. Doch wie schon an den Olympischen Spielen in Peking 2022 gelang die überzeugende Reaktion: Gold in der Königsdisziplin Abfahrt, Gold in der Paradedisziplin Riesenslalom.
Nicht nur körperlich und technisch hat Odermatt in dieser Saison grosse Reife gezeigt. Sondern auch mental. Das ist kein Zufall: Seit Jahren unterstützt ihn Mentaltrainerin Monika Wick-Hess, die einstige Slalom-Spezialistin und Cousine von Erika Hess. «Der Kontakt beschränkt sich auf wenige Male pro Jahr. Dennoch gehört Besprochenes bei der Vorbereitung für Trainings und Rennen praktisch zum täglichen Ritual», so Odermatt. Er habe für fast jede mögliche Situation einen Plan parat.
Je zweimal Gold- und Kristall-dekoriert ist Odermatt in dieser meisterhaften Saison 2022/23 schon. Nun kann er sich auf den Gewinn der dritten Kugel konzentrieren – derjenigen im Riesenslalom. Dass er sie holen wird, bezweifelt wohl kaum jemand.
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