«Incroyable» - «unglaublich» war der weitaus meist benutzte Ausdruck in der gewaltigen Arena bei Lille. Vor der Weltrekord-Kulisse von 27'448 Zuschauern stemmten Stan Wawrinka, Roger Federer, Severin Lüthi, Marco Chiudinelli und Michael Lammer die silberne Schale des Davis Cups in die Höhe.
«Die Anspannung war riesig, bis zum Schluss», bekannte Team-Captain Lüthi. Federer sei schon früh im Match gegen Richard Gasquet «am Limit gelaufen», räumte er ein. Doch der Rücken hielt, Federer zog sein Spiel durch und sorgte dafür, dass eine Davis-Cup-Kampagne, die in ihrer finalen Phase einer Achterbahnfahrt glich, erfolgreich endete.
Die Grand-Slam-Sieger setzen sich durch
Vor ziemlich genau einer Woche hatte die Schweizer Tenniswelt nämlich noch anders ausgesehen: Federer musste wegen Rückenproblemen seinen Verzicht auf den Final gegen Novak Djokovic verkünden und vor allem in englischen Boulevardmedien wurde ein Zwist zwischen Federer und Wawrinka kolportiert. Letzterer hatte zwar in London wieder zu seiner Form gefunden, zuvor aber einen schwachen Herbst durchlebt.
«Es war keine einfach Woche», erklärte denn auch Wawrinka im Moment des Triumphs. Die Achterbahnfahrt ging in Lille weiter. Ein entfesselter Wawrinka schlug Jo-Wilfried Tsonga, ein gehemmter Federer blieb gegen Gaël Monfils chancenlos. An der Seite von Wawrinka fand Federer sein Vertrauen wieder, das Olympia-Erfolgsduo von 2008 siegte in drei Sätzen - das hätte vor dem Final kaum jemand für möglich gehalten.
«Unser Plan musste aufgehen, denn allzu viele Möglichkeiten hatten wir gar nicht», räumte Lüthi ein. «Wir sind auf dem Zahnfleisch gelaufen. Es war ein Team-Effort.» Während die Franzosen über eine breit aufgestellte Equipe, aber nicht über Spieler vom Formate eines Grand-Slam-Siegers verfügten, hing der Erfolg bei den Schweizern an diesem Wochenende von den beiden Aushängeschildern Wawrinka und Federer ab.
Das Jahr von Stan Wawrinka
Auf eindrückliche Weise trat Wawrinka den Beweis an, dass er auch in die Rolle des Teamleaders schlüpfen und eine Equipe mit demonstrativem Engagement und Zuversicht zum Erfolg führen kann. «Stan hat unglaublich viel geleistet. Ihm war es überhaupt zu verdanken, dass ich heute die Möglichkeite hatte, den Sack zuzumachen», lobte Federer seinen Teamkollegen.
Wawrinka hatte im Gegensatz zu Federer stets betont, wie wichtig ihm der Davis Cup sei und war über die Jahre auch bei den weniger erfolgsversprechenden Kampagnen mit von der Partie. Mit dem Gewinn der «hässlichsten Salatschüssel der Welt» endet für ihn ein Tennisjahr, wie es mit dem Erfolg bei den Australian Open begann: incroyable.
Sendebezug: SRF zwei, sportlive, 23.11.2014, 13:00 Uhr.