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Coronavirus Covid: viele Miniwellen statt Saisonalität

Wer sich derzeit krank fühlt, Fieber hat oder hustet, denkt kaum noch an Corona. Getestet wird selten. Die WHO hat den internationalen Gesundheitsnotstand beendet. Ohnehin, es ist Frühling, Infektionen lassen zu dieser Jahreszeit nach. Stimmt leider nicht. Das Coronavirus ist nicht – oder noch nicht – saisonal geworden, wie wir es von der Grippe kennen. Wir haben dazu die fünf wichtigsten Fragen an die Wissenschaftsredakteurin Katrin Zöfel gestellt.

Katrin Zöfel

Wissenschaftsjournalistin

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Katrin Zöfel ist Wissenschaftsredaktorin bei SRF. Sie ist Biologin und versucht zu verstehen, wie die Wissenschaft helfen kann, Antworten auf gesellschaftlich wichtige Fragen zu finden.

SRF: Corona ist nicht saisonal was heisst das?

Katrin Zöfel: Die Infektionswellen letzten Herbst und Winter waren niedriger, als es viele erwartet hatten. Aber es gab mehrere Wellen. Kaum war eine vorbei, kam schon die nächste. Und auch jetzt, trotz Frühjahr haben wir eine relativ starke Welle, die gerade erst abflaut. Forscher nennen das neu «Miniwellen», weil sie kleiner sind, dafür in relativ enger Abfolge kommen. 

Noch vor ein paar Monaten sind viele Forscherinnen und Forscher davon ausgegangen, dass Corona saisonal und damit berechenbarer wird. Warum ist es nicht so gekommen?

Das Virus hat offenbar noch mehr in der Rückhand, wenn es um Veränderungen geht, die die Immunität umgehen. Das heisst, es gelingt ihm besser als gedacht, immer wieder neue Infektionswellen auszulösen. Man kann es nicht oft genug sagen: Es ist ein neues Virus, und man weiss nicht, was noch kommt. Das Bild der Grippe, die im Normalfall, stark saisonal ist, verstellt wahrscheinlich auch den Blick. Man denkt vielleicht zu schnell, das könnte mit Corona ähnlich kommen.

Für Menschen, die die Infektion nach wie vor vermeiden wollen, wird es vorerst nicht einfacher. Mit jeder Infektion geht das Risiko von Long Covid, einher.

Ist es denn ein Problem, wenn Corona quasi ständig da ist und sich stetig wandelt?

Das ist zum jetzigen Zeitpunkt eine gesellschaftspolitische Frage. Wie viel Krankheit will man tolerieren? An welchem Punkt beginnt man mit Massnahmen dagegen? Es gibt viele Krankheiten, an deren Gegenwart man sich gewöhnt hat. Tuberkulose zum Beispiel fordert weltweit viele Opfer. Aber es wird vergleichsweise wenig dagegen gemacht, dabei wäre mehr möglich. In der Schweiz fiel in Sachen Tuberkulose irgendwann der Entscheid, diese Krankheit einzudämmen, anderswo nicht. Corona wird auf absehbare Zeit wohl noch relativ stark zirkulieren und Infektionen auslösen, mit allem, was das mit sich bringt.

Mit allem, was das mit sich bringt, was heisst das?

Für Menschen, die die Infektion nach wie vor vermeiden wollen, wird es vorerst nicht einfacher. Mit jeder Infektion geht das Risiko von Long Covid einher. Und: Wie viele andere Viren auch löst Corona Schäden an Organen aus. Vor allem am Herzen und an Blutgefässen. Ausserdem gibt es Hinweise, dass es das Risiko für Erkrankungen wie Parkinson erhöht. Das ist nicht unbedingt neu, Krankheitserreger tun das schon immer. Neu ist: Unsere Generation erlebt das live und in Farbe mit.

Wie stark beobachtet die Wissenschaft noch das Virus?

Die Forschung ist insgesamt stark runtergefahren worden. Grossbritannien zum Beispiel war lange Vorreiter mit neuen Erkenntnissen, wovon auch die Schweiz profitiert hat. Dort wurde das Sequenzierungsprogramm stark zusammengestrichen. In Sachen besserer Impfstoffe wird weitergearbeitet, aber lange nicht mehr mit dem Druck wie vor zwei Jahren. In der Schweiz gibt es noch eine gewisse Überwachung. Mit den Abwasserdaten überprüft man hierzulande die Infektionslast. Die Verfolgung von Varianten durch Sequenzierung, die ist nicht mehr sehr umfangreich. Und sie ist langsam, es dauert Wochen, bis die Daten ausgewertet sind. Aber sie läuft weiter.

  Das Gespräch führte Brigitte Kramer.

Rendez-vous, 10.5.2023, 10:30 Uhr ; 

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