In den 1840er-Jahren, mitten in Basel: Das Bürgerspital ist das erste moderne Spital Basels, allerdings eines für die Unterschicht. Es ist eine Auffangstation für bedürftige Menschen, die in prekären Verhältnissen am Rand der Gesellschaft leben: Dienstboten, Wäscherinnen, Fabrikarbeiter.
«Napoleon, Hungersnöte, Industrialisierung – wer im 19. Jahrhundert gelebt hat, hat viele Umbrüche und politische Unsicherheiten miterlebt», erklärt Gerhard Hotz, Leiter der Ausgrabungen des Spitalfriedhofs. «Damit wir uns ein Bild davon machen können, wollen wir diesen Leuten eine Stimme geben.»
Wissen dank armen Patienten
Und so sieht der medizinische Alltag anno dazumal aus: Während sich der Chefarzt vormittags um die Patienten des Bürgerspitals Basel kümmert, trifft er nachmittags die wohlhabenderen Bürger in seiner Privatpraxis oder bei ihnen zu Hause. Die armen Basler sind häufiger krank als die Bessergestellten, sie leiden oft an Infektionskrankheiten. Kein Wunder angesichts ihrer Lebensumstände: Die Menschen hausen eng zusammengepfercht in kleinen Wohnungen und arbeiten sechs Tage pro Woche; die Wasserversorgung ist rudimentär, die Qualität schlecht, das Geld reicht bloss fürs Nötigste.
«Die damaligen Ärzte haben sich sehr bemüht. Aber aus heutiger Sicht war ihr Wissen noch klein, sie waren häufig hilflos. Erst die Behandlungen im Basler Bürgerspital lehrten sie, wie man mit Tuberkulose umgeht oder wie man die Ansteckung von Typhus verhindern kann. Dank den Patienten aus der Unterschicht wurden die Ärzte besser, die moderne Medizin entstand», sagt Gerhard Hotz.
Damit die Ärzte des Bürgerspitals Basel die Patienten besser behandeln können, beginnen sie damit, Krankenakten zu führen. Ab Spitaleintritt bis über den Tod der Patienten hinaus – die meisten werden nach dem Tod obduziert.
Ausgrabung wegen Wasserleitungsbau
«Diese alten Krankenakten bieten uns heute Einblicke in die medizinischen Möglichkeiten und den Fortschritt von damals. Zusammen mit weiteren Unterlagen aus dem 19. Jahrhundert fügen sie das Bild des Alltags wie ein Puzzle Stück für Stück zusammen. Untersuchen wir nun auch noch die Skelette nach heutigen Methoden, finden wir noch mehr über unsere Vorfahren heraus.»
Um die alten Krankenakten zu transkribieren, hat Gerhard Hotz das Bürgerforschungsprojekt Basel-Spitalfriedhof ins Leben gerufen. In tausenden Stunden Arbeit haben Interessierte die alte deutsche Kurrentschrift und verloren gegangene Krankheits- und Medikamentenbezeichnungen entziffert.
Bei den Ausgrabungen im St. Johanns-Park handelt es sich um eine Rettungsgrabung der Archäologischen Bodenforschung Basel-Stadt: Die Gräber müssen wegen einem Wasserleitungsbau aufgehoben werden. Gegraben wird bis Mitte Mai 2015. Parallel dazu informiert eine Ausstellung im Café des Parks über die Ausgrabungen.