Welche Farbe der Himmel hat, wie sich die Tage mit den Jahreszeiten ändern, die Pracht eines Bergpanoramas – was ohne Augenlicht Geborenen fremd ist, sind für Martin Huwyler lebhafte Erinnerungen.
Dass mit seinen Augen etwas nicht stimmt, bemerkte er als Heranwachsender sehr wohl. Woran das lag, erfuhr er aber erst bei der Aushebung, wo das Verdikt «für den Militärdienst untauglich» lautete: Retinitis Pigmentosa. Die Erbkrankheit greift die Netzhaut der Augen an und führt über kurz oder lang zur Erblindung.
Was der Militärarzt ihm eröffnete, wusste Martin Huwylers Augenarzt schon lange – mit dem Wissen um die unheilbare Krankheit hielt er aber hinter dem Berg, um dem Jungen möglichst unbeschwerte Jahre zu ermöglichen. Eine Entscheidung, mit der Martin Huwyler rückblickend gar nicht einverstanden ist: «Es hätte mir gut getan zu wissen, was los ist, weshalb ich mich nicht auf meine Augen verlassen kann.»
Mit 18 Jahren hatte er dann endlich Gewissheit darüber, was nicht stimmt. «Ich weiss noch, wie ich dann in der Kantonsbibliothek in Zug einen dicken Schinken über Augenheilkunde aufgeschlagen habe und sehe den Eintrag heute noch vor mir: ‹Retinitis Pigmentosa. Nezthautdegeneration. Kann zur Blindheit führen.› Das ist mir schon wahnsinnig eingefahren.»
Unterkriegen liess er sich davon aber nicht. «Irgendwie war es ja auch eine logische Folge von dem, was ich 18 Jahre erlebt hatte. Verblüfft hat es mich nicht.» Da er ein zupackender Typ sei, der Themen prinzipiell nicht verdränge, setzt er sich aktiv mit der kommenden Blindheit auseinander, fing gleich an, Blindenschrift zu lernen und suchte den Kontakt mit anderen Betroffenen.
Die bereits begonnene Ausbildung als Primarlehrer machte er fertig, studierte danach noch Musik und schaffte als Musiklehrer den Weg ins Schulzimmer. Doch auch wenn Huwyler so längst wieder Halt gefunden hat, begleitet ihn die Trauer über das verlorene Augenlicht nach wie vor. Und obwohl er sich im Alltag gut zurechtfindet, hat er als Blinder viele Hürden und Stolpersteine zu bewältigen.
Er tut dies mit viel Energie, mit der Unterstützung seiner Familie und auch mit Humor. Bitter ist er trotz aller Schwierigkeiten nicht geworden. Vieles sei für ihn im Leben gut gelaufen, sagt er. «Meine Lebensbilanz ist eine positive.»