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Frühkindlicher Autismus (1)
Aus Puls vom 16.11.2015.
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Frühkindlicher Autismus (1) So hilft eine Verhaltenstherapie in jungen Jahren

Wenn ein Kind nicht zu sprechen beginnt, wenn es wenig Interesse an seiner Umwelt zeigt, lieber für sich allein bleibt als Kontakt aufzunehmen, dann kann ein frühkindlicher Autismus die Ursache sein. Eine spezielle Verhaltenstherapie hilft, Entwicklungseinbussen zu verringern.

Kinder mit einer autistischen Störung sind in ihrer Entwicklung stark beeinträchtigt, was Aussenstehende auf den ersten Blick nicht unbedingt erkennen. Den meisten betroffenen Eltern aber fallen schon früh ungewöhnliche Verhaltensweisen und Entwicklungsstörungen an ihrem Kind auf. Es sind vor allem drei Kernbereiche, die bei frühkindlichem Autismus gestört sind.

  • Mangelndes Interesse an Beziehungen zu Menschen: Das Kind hört nicht auf den eigenen Namen, nimmt keinen Augenkontakt auf, reagiert schon als Säugling nicht auf die Stimme der Eltern, zeigt wenig Interesse an Menschen, am Teilen und Austauschen; es ist lieber für sich allein, wirkt distanziert, «merkwürdig»; es weint, ohne die Eltern zu rufen, will nicht geküsst und umarmt werden. Es tritt mit der sozialen Umwelt nicht in eine wirkliche Beziehung.
  • Gestörte Sprachentwicklung: Das Kind beginnt kaum, verzögert oder auffällig zu sprechen. Es nimmt die Hand des Erwachsenen und zeigt damit auf einen gewünschten Gegenstand, anstatt etwas zu sagen. Etwa die Hälfte der betroffenen Kinder entwickelt keine Sprache.
  • Auffälliges Spielverhalten: Das Kind zeigt kein Interesse am gemeinsamen Spielen, sein Spielverhalten ist eingeschränkt, wiederholend, wenig flexibel, es widmet sich vorwiegend bestimmten Objekten oder Teilen, einseitige Faszination für unbelebte Gegenstände.
  • Zusätzliche Auffälligkeiten: Oft haben betroffene Kinder starke Aggressionen, Schlafstörungen, ein eingeschränktes Essverhalten und eine zu niedrige oder zu hohe Reizschwelle für Gerüche, Berührungen, Geräusche, Oberflächen/Stoffe, Kälte, oder Schmerz. Auch intellektuelle Einschränkungen sind häufig.

Häufigkeit und Ursachen

  • Betroffen ist eines von 150 Kindern, Buben dreimal häufiger als Mädchen.
  • Etwa zwei Drittel der Betroffenen sind schon als Säuglinge auffällig, weil sie z.B. kaum auf Menschen reagieren.
  • Bei rund einem Drittel zeigt sich die Störung ab dem zweiten Lebensjahr.
  • Eine sichere Diagnose ist im Alter von zwei bis drei Jahren möglich.
  • Ursachen: Genetische Faktoren spielen eine Hauptrolle für die Störung. Als mögliche biologische Risikofaktoren gelten: Frühgeburtlichkeit, Infektionen in Schwangerschaft, höheres Alter des Vaters, Medikamente in Schwangerschaft.

Frühförderung durch Verhaltenstherapie

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Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienste, eine Übersicht finden Sie hier.

Durch intensive Verhaltenstherapie können von Autismus betroffene Kinder grosse Fortschritte machen. Sie kann entscheidend sein für den Besuch von Schule und Kindergarten. Durch gezieltes Üben trainieren die Kinder sich sprachliche und soziale Fertigkeiten an, die andere Kinder intuitiv lernen. Das Kind wird zuhause von einem Therapie-Team geschult, das auch die Eltern einbezieht. Wichtig dabei:

  • Pro Woche müssen mindestens 35 Stunden Therapie stattfinden.
  • Die frühe Verhaltenstherapeutische Intervention (FIVTI) sollte in möglichst jungem Alter beginnen.

Das Therapie-Programm dauert rund zwei Jahre. Die Invaliden-Versicherung deckt nur einen Teil der Kosten. Eine weitere Unterstützung durch Institutionen (Pro Infirmis) hängt von Einkommen der Eltern ab.

Autistisches Spektrum: drei Typen

Bei Störungen des autistischen Spektrums werden drei Typen unterschieden.

  • Frühkindlicher Autismus: Probleme vor dritten Lebensjahr erkennbar. Symptome bilden sich ab dem zweiten Lebensjahr voll aus.
  • Atypischer Autismus: Probleme treten nach dem dritten Lebensjahr auf oder Probleme weniger gravierend, nicht in allen drei Kerngebieten vorhanden.
  • Asperger-Syndrom: In den ersten drei Lebensjahren keine gravierenden Auffälligkeiten in der sprachlichen und allgemeinen Entwicklung. Sprachentwicklung zeitgerecht.

Die in der «Puls»-Serie vorgestellte Intensivtherapie bei frühkindlichem Autismus ist bewusst gewählt. Es handelt sich um eine frühe verhaltenstherapeutische Intervention (FIVTI), basierend auf der angewandten Verhaltensanalyse («Applied Behavior Analysis»). Die FIVTI-Methode ist wissenschaftlich gut untersucht, ihre Erfolge sind belegt. Darum übernimmt die Invalidenversicherung seit einem Jahr einen Teil der Therapiekosten in Form einer Pauschale. Die IV unterstreicht in einem Rundschreiben, dass der FIVTI-Therapie-Ansatz in der Fachwelt anerkannt ist. Allerdings muss die Therapie von spezialisierten Stellen durchgeführt werden. In der Regel übersteigt die Nachfrage das Angebot. Einen hohen Stellenwert hat bei dieser Lern- und Verhaltenstherapie die Förderung des Sprachverständnisses und des aktiven Sprechens. Die Frühförderung umfasst aber auch die Bereiche soziale Interaktion, Spielfertigkeiten, Alltagsaktivitäten. Sie wird in der Regel bis zum Kindergarten-Eintritt zu Hause durchgeführt, unter Einbezug der Eltern.

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