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Glücksformel Sport Runner’s High: Wenn die Joggingrunde Glück verspricht

Euphorisch und schmerzstillend – Joggen kann plötzliche Glücksgefühle auslösen durch körpereigene Cannabinoide. Warum und bei wem der Körper so reagiert, weiss die Wissenschaft allerdings noch nicht im Detail.

Das Rezept für einen Rausch beim Rennen klingt einfach: 20 bis 40 Minuten joggen, mittlere Intensität, in der Natur. Dann stehen die Chancen am besten, die plötzliche Euphorie des Runner’s High zu erleben. Bekannt ist der Wissenschaft das Phänomen seit 1978, nur: Wer das Hochgefühl erlebt und warum, das ist bislang unbekannt.

Ein Glücksmolekül gegen Schmerzen

Auslöser für den euphorischen Zustand sind Endocannabinoide. Diese Botenstoffe sind in der Funktion und Struktur der Cannabinoide im Marihuana nicht unähnlich, also jenen Stoffen in der Cannabispflanze, die für den Rausch verantwortlich sind. Endocannabinoide stellt unser Körper quasi in Eigenproduktion – selbst her.

Voll im Flow – oder Runner’s High?

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Das Runner’s High wird gerne mit dem Flow verwechselt, was die beiden Phänomene unterscheidet:

Der Flow: ist eher ein mentales, neurobiologisches Konstrukt. Man fühlt sich ganz im Einklang mit der Anforderung und der eigenen Leistungsfähigkeit: «Ich habe die völlige Vertiefung und verliere das Zeitgefühl», beschreibt Sportmediziner Johannes Scherr das Gefühl – was nicht nur beim Sport, sondern auch beim Musizieren auftreten kann.

Das Runner’s High: ist ein physiologischer Zustand, den man im Körper messen kann: «Die Endcannabinoide gehen hoch und man sieht die Effekte», sagt Johannes Scherr von der Universitätsklinik Balgrist. Die Anforderung fällt einem zwar auch leichter, typisch für das Runner’s High ist aber die schmerzreduzierende Wirkung.

Der Stoff Anandamid ist das zentrale Endocannabinoid. Es ist auch als Glücksmolekül bekannt: Anandamid bindet an die Cannabinoid-Rezeptoren im Gehirn und löst im zentralen Nervensystem einen Effekt aus.

«Zum einen kann es die Schmerzweiterleitung im Rückenmark unterdrücken, aber auch die Schmerzwahrnehmung im Gehirn beeinflussen,» erklärt Johannes Scherr, Leiter des Zentrums für Prävention und Sportmedizin der Universitätsklinik Balgrist. Das ist es, was beim Runner’s High im Körper passiert. Und dann fällt das Training gleich viel leichter.

Zum High dank Monotonie und Schönheit

Was es für das Runner's High braucht, sei eine möglichst monotone Bewegung und die richtige Intensität. Deswegen sei das Hochgefühl beim Joggen wahrscheinlicher als beim Radfahren: «Wenn es zu intensiv ist, ist es mehr Stress. Dann werden die Anandamid-Level nicht erhöht. Bei zu niedriger Intensität fehlt hingegen der Reiz», sagt Sportmediziner und Internist Johannes Scherr.

Und auch die Dauer des Laufs spielt eine Rolle: Bei unter 20 Minuten Joggen trete das Runner’s High kaum auf, das höchste Level erreiche man bei 30 bis 40 Minuten. Danach kommt es nur noch selten.

Es ist also ein Balanceakt, ob das Runner’s High bei einer Joggingrunde mitläuft oder nicht. Was helfen kann, sind die Sinne: «Wenn man noch schöne Umwelteindrücke in der Natur hat, dann kommt es häufiger vor.» Zu heisses oder regnerisches Wetter lockten das Runner’s High weniger. Warum? Das weiss die Wissenschaft noch nicht genau. Die mögliche Erklärung des Sportmediziners: «Das sind Faktoren, die ablenken.»

Ausdauersport wirkt antidepressiv

Höhere Chancen, das Runner’s High zu erleben, haben zudem Jogging-Neulinge, sagt Johannes Scherr: «Es gibt mittlerweile Studien, dass das regelmässige Training eher hinderlich ist für die Entstehung eines Runner’s High. Trotzdem kann es auch bei Routiniers auftreten.»

Also zumindest theoretisch erleben kann es jede und jeder – nur manche erleben es dann eben doch nicht. Bis die Wissenschaft dieses Rätsel gelöst hat, bleibt immerhin eine Motivation für die Joggingroutine: Immer mehr Studien zeigen: Ausdauersport hat eine stimmungsaufhellende, antidepressive Wirkung und kann Ängste reduzieren.

Dafür verantwortlich sind weit mehr Prozesse als das Runner’s High allein. Zum Beispiel Botenstoffe wie Dopamin oder Serotonin, die im Körper zirkulieren, aber auch die Kommunikation zwischen Muskeln und Gehirn.

Radio SRF 1 Ratgeber, 18.09.2025, 11:15 Uhr

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