«Zone 2» verspricht Fitness durch sanftes Training statt auspowern. Für wen funktioniert das, und wo liegen die Grenzen? Nachgefragt bei Sportwissenschaftler Oliver Faude.
SRF Wissen: In meinem Umfeld joggen plötzlich alle auffällig langsam – und reden von «Zone 2». Was hat’s damit auf sich?
Oliver Faude: Die Idee kommt aus dem Leistungssport. Bei Marathonläuferinnen und -läufern sieht man: Wer viel in niedriger Intensität trainiert, ist oft leistungsfähiger. Ob das ursächlich ist oder nur ein Nebeneffekt von viel Training, ist offen. Aber daraus entstand der Zone-2-Hype – verstärkt durch Social Media, Podcasts, Biohacker.
Zone 2 ist eine Trainingsform, die wir im Ausdauerbereich schon sehr lange kennen.
Aber direkt vorneweg: Es ist nicht so, dass Zone 2 jetzt plötzlich eine Wunderwaffe ist. Das ist eine Trainingsform, die wir im Ausdauerbereich schon sehr lange kennen – sie bekommt jetzt einfach mehr Aufmerksamkeit. Und das ist gut – solange man nicht vergisst, dass auch andere Trainingsreize wichtig bleiben.
Wie erkenne ich denn überhaupt, ob ich wirklich in Zone 2 unterwegs bin?
Zone 2 liegt irgendwo zwischen lockerem Traben und zügigem Gehen. Man ist in Bewegung, aber nicht ausser Atem. Viele laufen allerdings unbewusst intensiver – deshalb hilft eine Pulsuhr. Oder der Sprechtest: Wer gerade noch reden kann, liegt richtig.
Man liest: Weniger Stress, mehr Ausdauer, gesündere Zellen – fast zu schön, um wahr zu sein.
Mitochondrien spielen dabei eine grosse Rolle. Sie sind die Kraftwerke unserer Zellen. Wenn sie schlecht funktionieren, altern wir schneller, bauen Muskelmasse ab oder fühlen uns ständig erschöpft. Ausdauertraining stärkt sie – das ist gut belegt. Zone 2 kann helfen – aber stärkere Reize wirken meist effektiver.
Und wie sieht’s mit der Fettverbrennung aus – kann ich so wirklich abnehmen?
Eher nicht. Acht Kilometer Laufen verbrennen etwa 25 Gramm Fett. Für ein Kilo müssten Sie das rund 40 Mal machen. Der relative Fettanteil am Energieverbrauch ist zwar höher – aber absolut gesehen bringen höhere Intensitäten mehr.
Ich laufe oft los in Zone 2 – und entscheide dann spontan, ob ich das Tempo erhöhe.
Zone 2 gilt als besonders stressarm – berechtigt?
Intervalltraining setzt den Körper stärker unter Stress: Cortisol, Adrenalin, all das steigt. Gleichzeitig kann auch monotones, langes Training belasten. Ich laufe oft los in Zone 2 – und entscheide dann spontan, ob ich das Tempo erhöhe. Das machen übrigens auch viele kenianische Profis ab und zu.
Also kein Dogma – eher ein flexibler Einstieg.
Absolut. Zone 2 eignet sich gut für Einsteigerinnen und Einsteiger, Menschen mit Gelenkproblemen oder Herz-Kreislauf-Risiken – nach einer sorgfältigen medizinischen Abklärung. Man startet niedrigschwellig und vermeidet Überforderung. Wichtig ist: dranbleiben.
Und wer mehr herausholen will?
Der braucht intensivere Reize, zum Beispiel durch Intervalltraining oder längere Belastungsphasen über der Schwelle. Studien zeigen: Höhere Intensität bringt oft stärkere Anpassungen – etwa bei der Sauerstoffaufnahme oder der Mitochondrienleistung.
Es gibt keinen Grund, HIIT schlechtzureden. Es ist sehr wirksam – wenn man es gezielt und dosiert einsetzt.
In den sozialen Medien wird das hochintensive Intervalltraining HIIT inzwischen oft als überfordernd oder gar ungesund dargestellt. Wie sehen Sie das?
Es gibt keinen Grund, HIIT schlechtzureden. Es ist sehr wirksam – wenn man es gezielt und dosiert einsetzt. Nur HIIT ist ebenso unausgewogen wie nur in der Zone 2 zu trainieren. Man kann mit Zone 2 regelmässig trainieren, sich nicht überfordern – sogar frühmorgens oder spätabends, ohne dass man völlig fertig ist. Am Ende zählt aber vor allem eins: dranbleiben.
Das Gespräch führte Gina Buhl.