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«Jeder kann lernen, richtig zu singen»

Was Sängerinnen und Sänger über Gesangstechnik wissen müssen: «Puls» sprach mit Gesangspädagogin Barbara Böhi.

SRF: Schadet zu hohes Singen der Stimme?

Barbara Böhi: Singen Sie so hoch Sie Lust und Freude haben! Wenn es sich leicht und angenehm anfühlt – wunderbar! Wenn es Sie anstrengt oder wenn Sie heiser werden: Singen Sie weniger laut oder tiefer oder gönnen Sie der Stimme eine Pause; dann schadet es bestimmt nicht.

Barbara Böhi

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Barbara Böhi ist Gesangspädagogin SMPV am SingStimmZentrum Zürich in Schlieren.

Den höchsten Ton, den man noch quietschend eben so hinkriegt, kann man mit der richtigen Technik schön singen lernen, ohne die Stimme anzustrengen.

Viele Menschen haben grosse Hemmungen zu singen: Kann jeder richtig singen lernen?

Alle Menschen können lernen, richtig zu singen. Es kommt extrem selten vor, dass jemand Melodien nicht erkennen oder nachsingen kann, also unter einer Amusie leidet, die vom Gehirn ausgeht. Die meisten Menschen sind mit ihrem Singen aber nicht zufrieden und lassen es dann sein. Das ist schade, weil man eigentlich in allen Fällen helfen kann.

Was ist der häufigste Fehler, den Sie bei unerfahrenen Sängerinnen und Sängern beobachten?

Mein wichtigster und zugleich einfachster Tipp an alle, die singen: Öffnen Sie den Mund! Wer durch einen «Briefkastenschlitz» singt, also den Mund zu wenig aufmacht, verliert sehr viel Resonanz. Vergleichen Sie doch einmal beide Varianten im Selbsttest: singen Sie ein «Ooooooo» mit praktisch geschlossenem Mund und den gleichen Ton mit weit geöffnetem Mund: Sie werden sich freuen, wie viel Klang Sie mit offenem Mund gewinnen.

Mein wichtigster und einfachster Tipp: Öffnen Sie den Mund!

Was muss man sich unter der «Sängerhaltung» vorstellen?

Die Sängerhaltung ist aufrecht. Die Rumpfmuskulatur soll stützend wirken, der Brustkasten sanft geweitet. Die Kopfhaltung sollte sich so anfühlen, als würde man eine Krone tragen.

Dann ist es wichtig gut zu stehen: Die Beine sollten nicht durchgedrückt sein, damit man nicht im Hohlkreuz steht und einen guten Stand hat.

Was meinen Chorleiter, wenn sie die Bedeutung des «Resonanzraums» betonen?

Die Schallwellen der Stimme entstehen zwar im Kehlkopf, wo die Stimmlippen schwingen. Doch wirklich klangvoll wird dieser Ton erst, wenn er sich in einem schönen Resonanzraum entfalten kann. Das geschieht, indem man die Resonanzräume, also Rachen- und Mundraum möglichst weitet.

Was raten Sie, wenn jemand in einen Chor möchte, aber nicht singen kann?

Gehen Sie trotzdem! Allein der Wunsch zu singen wird Ihnen helfen, ihre Stimme wieder in Gang zu bringen. Bestimmt haben sie als Kind viel gesungen – nun müssen Sie sich nur etwas Zeit geben, bis die Stimme wieder in Gang kommt. Geben Sie nicht auf, wenn es nicht auf Anhieb klappt, Gesangslehrerinnen oder -lehrer können jederzeit weiterhelfen.

Muss man beim Singen anders atmen als sonst?

Eigentlich muss man beim Singen atmen wie beim Schlafen: Einatmung – der Bauch geht nach aussen; Ausatmung – der Bauch geht nach innen. Wenn Laien singen, machen sie es oft verkehrt und heben beim Einatmen den Brustkorb. Probieren Sie es aus: Legen Sie eine Hand auf den Bauch. Während Sie singen, soll der Bauch einsinken, dann ist die sängerische Atemführung richtig.

Wenn Laien singen, machen sie es oft verkehrt und heben beim Einatmen den Brustkorb.

Wird man nicht verkrampft, wenn man an all diese Haltungsvorgaben denkt?

Bitte nicht verkrampft werden, das wäre dann ein weiterer Fehler... Am besten ist es, immer nur an etwas zu denken, zum Beispiel an den schönen Resonanzraum und ein andermal an eine gute Atmung. Irgendwann verbindet sich alles. Aber Gesangstechnik ist natürlich – wie vieles andere auch – eine Frage der Übung und der Gewohnheit.

Warum soll man in einem Chor mitsingen? Schildern Sie bitte Ihr wichtigstes Argument:

Mir gefällt was ein 65-jähriger Chorsänger dazu gesagt hat: «Singen im Chor ist für mich wie Sex.»

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