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Krisen im Leben meistern Resilienz: Wie wir zu innerer Stärke kommen

Widerstände überwinden, Belastungen ertragen, nach Schicksalsschlägen wieder aufstehen: So kann man den Begriff «Resilienz» umschreiben. Bestes Beispiel, wie Resilienz im Alltag funktioniert: Familie Tuor. Trotz schwerer Schicksalsschläge geht sie unbeirrt ihren Weg.

Beinahe täglich ist Alain Tuor auf seinem spezialgefertigten Handbike auf den Strassen von Münsingen und Umgebung unterwegs. Europameister war er schon, jetzt trainiert er für die Para-Cycling Weltmeisterschaften in Zürich. Keine Selbstverständlichkeit, denn Alain Tuor wäre fast an seinen Schicksalsschlägen zerbrochen.

Die Schicksalsschläge der Tuors

Mit 16 verunfallt der heute 41-jährige Alain Tuor beim Snowboarden schwer. Seither ist er Tetraplegiker, ist brustabwärts gelähmt und kann seine Arme nur beschränkt einsetzen.

Nach dem Unfall kämpft er sich ins Leben zurück und findet Jahre später mit Michaela seine grosse Liebe. Die Zwillingstöchter Nerina und Giuliana vervollständigen das Familienglück. Doch Nerina kommt mit einem schweren Herzfehler zur Welt.

Nach einer erfolgreichen Operation scheint endlich alles perfekt. Dann eine erneute Hiobsbotschaft: Nerina ist an der unheilbaren Lungenkrankheit pulmonale Hypertonie erkrankt. Es folgt ein jahrelanger Kampf.

Michaela ist rund um die Uhr nur noch für ihre Töchter und ihren Mann im Einsatz. Verzweiflung und Hoffnung wechseln sich ab: Kurzzeitig sieht es so aus, als könne Nerina die Krankheit doch noch besiegen. Aber dann wird sie schwächer und schwächer. Kurz vor ihrem fünften Geburtstag stirbt Nerina.

Wir als Familie geben uns diese Kraft. Wir sind extrem zusammengewachsen.
Autor: Michaela Tuor

Auf die Frage, woher die Tuors die Kraft nehmen, trotz des grossen Verlusts weiterzumachen, verweisen beide auf die Familie. «Ich glaube, wir als Familie geben uns diese Kraft. Wir sind extrem zusammengewachsen», meint Michaela.

Alain bekräftigt, dass es auch wegen Giuliana weitergehen muss. «Giuliana hat ein schönes Leben verdient. Sie ist Motivation genug, dass wir weiterkämpfen.»

Trauer zulassen

Beide betonen, dass sie noch lange nicht über den Tod ihrer Tochter hinweggekommen seien. Immer wieder fielen sie in tiefe Löcher. Und doch fanden sie immer wieder aus diesen heraus: jeder auf seine Weise.

Für Michaela ist Reden wichtig. Für Alain ist es das Velofahren. Und Giuliana hilft es, mit ihrer Freundin zu spielen und die Musik zu hören, zu der sie mit Nerina getanzt hat.

Nur gut geht nicht, nur traurig aber auch nicht. Es braucht diese Wellen, die das Leben schlussendlich ausmachen.
Autor: Alain Tuor

Alain konnte aus seinem Unfall einige Lehren ziehen – Dinge, die ihm jetzt helfen, mit dem Tod seiner Tochter umzugehen. «Eine Krisensituation aushalten können und einen Umgang damit zu finden, das musste ich damals lernen. Es klingt krass, aber im Rollstuhl zu sein, ist Peanuts verglichen mit dem Tod des eigenen Kindes.»

Resilienz stärken: Profi-Tipps, Teil 1

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Jana Strahler, Sportpsychologin und Resilienzforscherin, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg: «Wenn man etwas ändern möchte an seinem Leben, dann muss man das machen. Und für mich persönlich bedeutet das ‹keep moving›, körperlich und geistig.»

Matthias Luther, Kinder- und Jugendpsychologe, Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel UPK: «Eltern sollten ihren Kindern Wurzeln und Flügel geben. Wurzeln stehen für gute Beziehungen, eine positive Familienkultur und vor allem auch für Werte. Gleichzeitig brauchen die Kinder Flügel. Eltern sollten ihre Kinder loslassen und ihnen vertrauen, dass sie ihre Probleme auch selbst lösen können. Zum Beispiel, dass sie den Schulweg alleine schaffen können, dass sie auf einem Spielplatz auf einen Baum klettern dürfen. Sie sollen die Selbsterfahrung machen: Ich kann das meistern. Dadurch werden Kinder stark. Dadurch entwickelt sich Resilienz.»

Wichtig für ihn ist es, die Trauer genauso zuzulassen wie die Freuden im Leben. «Nur gut geht nicht, nur traurig aber auch nicht. Es braucht diese Wellen, die das Leben schlussendlich ausmachen.»

Resilienz in der Psychologie

Resilienz ist in der Psychologie kein klar definierter Begriff. Klar aber ist, dass die Resilienz aus verschiedenen Faktoren oder Säulen besteht. In der Fachwelt sind die folgenden sieben Resilienzfaktoren geläufig:

Die Trumpfkarten der Resilienz

Zerreissprobe Alltag

Viele Beziehungen zerbrechen an Extremsituationen, wie sie die Tuors durchleben mussten. Auch sie hätten oft gestritten, sagt Alain. «Aber eigentlich nicht unseretwegen, sondern aus der Situation heraus.» Wenn man das einmal erkannt habe, sei es einfacher. Um solche Situationen abzufedern, seit es wichtig, kurzzeitig Distanz zu gewinnen und aus dem Alltagsstress herauszukommen.

Geholfen habe ihnen dabei auch eine Bekannte, die ihnen Zeit zu zweit «aufdrängte». Einen Abend pro Woche hütete sie Giuliana. Unter der Bedingung, dass Michaela und Alain zu zweit auswärts essen gingen. «Da ging es mal nicht nur um die Situation zu Hause. Wir konnten sehr offen miteinander reden und einander zuhören. Das hat uns enorm geholfen.»

Resilienz stärken: Profi-Tipps, Teil 2

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Salih Muminagic, Rehabilitationsmediziner, Psychosomatiker, CEO und Chefarzt Rehaklinik Hasliberg: «Resilienz ist mit Achtsamkeit untrennbar verbunden. Man muss sich mit Problemen auseinandersetzen, statt sie zu verdrängen oder sich als Opfer zu fühlen. Verantwortung übernehmen, handeln und vorwärtsgehen. Wichtig ist zudem Entspannung und Erholung. Trotz Krisen darf man zeitweise fröhlich sein!»

Mario Grossenbacher Geschäftsführer Resilienz-Zentrum Schweiz, Trainer, Coach und Kursleiter: «Struktur und Rituale – den Tag strukturieren, bewusst starten, ausrichten und beenden. Mein liebstes Resilienz-Instrument: Check-in / Check-out.»

Check-in in den Tag:

  • Wie starte ich in den Tag?
  • Wie geht es mir? (Körper, Geist, Emotionen)
  • Was ist meine Absicht für heute?

 Check-out aus dem Tag:

  • Wie beende ich den Tag?
  • Was habe ich heute gelernt?
  • Was habe ich heute Gutes erlebt?

Resilienz aus dem Bauch heraus

Nach Nerinas Tod haben die Tuors keine professionelle Hilfe bei einer Fachperson gesucht. Sie haben aus dem Bauch heraus gehandelt – und dabei unbewusst alle Faktoren, alle Säulen der Resilienz erfüllt. Gefragt nach den für sie wichtigsten Resilienzfaktoren, nennen beide «soziales Netzwerk».

Damit bestätigen sie die Resultate der Resilienzforschung. Diverse Studien kommen zum Schluss, dass ein gutes soziales Netzwerk die wichtigste Grundlage dafür ist, eine Krise zu meistern.

Service

SRF 1, Puls, 19.8.2024, 21:05 Uhr

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