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Mehr Bewegung im Alltag Stehpult, Treppe und Co. – was bringt’s wirklich? 

Auf dem Arbeitsweg, beim Einkaufen oder gar am Schreibtisch lauern Chancen für Bewegung – und die haben es in sich.

Hand aufs Herz: Vielleicht fühlen Sie sich von dem, was der ehemalige Sportmuffel Andreas J. Götz-Bitz erzählt, auch ein wenig angesprochen. Der 74-Jährige unternehme zwar viel, gesteht aber: «In Sachen Bewegung, das darf ich fast nicht sagen, bin ich total faul. Da lief lange gar nichts.»

Jede Bewegungsminute zählt

Laut dem Bundesamt für Sport bewegt sich jede vierte Person in der Schweiz zu wenig. Zu müde für Sport, fehlende Lust oder Zeitmangel werden oft als Gründe genannt. Der Heimleiter Götz-Bitz wollte etwas ändern und suchte Rat bei Matthias Zedi von «SalutaCoach», einem Start-up der Universität Basel. Der Personal Health Coach sagt: «Viele meinen, dass sie jeden Tag gleich eine Stunde joggen gehen müssen – sonst bringt’s nichts.» Das sei nicht nur schwer umzusetzen, sondern auch ein Irrglaube.

«Es ist wissenschaftlich gut belegt, dass jede Minute Bewegung zählt», sagt Zedi, der Bewegungs-, Sport- und Gesundheitswissenschaften studiert hat. Bereits ein paar Treppenstufen mehr oder eine Einkaufstasche nach Hause tragen – diese kurzen, aber intensiven Trainingseinheiten haben es in sich und verlangen der Muskulatur einiges ab.

Mit 15 Minuten Bewegung chronischen Erkrankungen vorbeugen?

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Bewegung ist wichtig für einen fitten Körper und einen wachen Geist. Sie reduziert das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, gewisse Krebsarten, Knochenschwund, Depression und Angststörungen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schreibt, dass sich jährlich bis zu fünf Millionen Todesfälle verhindern liessen, wenn sich die Weltbevölkerung mehr bewegen würde. Aber welches Minimum an Bewegung hat bereits einen positiven, gesundheitlichen Effekt?

Diese Frage haben sich auch Forschende aus Australien und den USA gestellt . Dafür untersuchten sie Bewegungsdaten von über 70'000 Erwachsenen. Die Forschenden wollten herausfinden, ob auch wenige Minuten körperliche Betätigung bereits einen Impact auf unsere Gesundheit haben, beispielsweise mit einem tieferen Risiko für einen Tod vor dem 65. Lebensjahr und für chronische Erkrankungen zusammenhängen.

Ihr Fazit: Bereits ungefähr 15 bis 20 Minuten pro Woche intensive Bewegung hat es in sich. Diese Bewegungszeit in kurzen Einheiten konnte mit einer geringeren Sterblichkeit sowie einem kleineren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs in Verbindung gebracht werden. Und zwar sank das Risiko um 16 bis 40 Prozent. Nochmals deutlich stärker sanken diese Risiken für jene Personen, die sich bis zu einer Stunde pro Woche betätigten. Sprich: Mehr ist mehr, aber jede Minute zählt.

Besonders wichtig sei, nicht stundenlang in der gleichen Position sitzend zu verharren, so Zedi. Er empfiehlt, während der Arbeit kurz aufzustehen, die Schultern zu kreisen oder in Pausen einige Schritte bis an die frische Luft zu gehen. Damit könne Rückenschmerzen und Verspannungen vorgebeugt werden. Anatomisch gesehen sind wir nicht fürs lange Sitzen gemacht. Lohnt es sich also, auf den Gesundheitstrend des Stehpults aufzuspringen?

«Beim Sitzen nimmt die Spannung der Muskeln ab und wir verbrauchen weniger Energie – im Vergleich dazu schneidet Stehen klar besser ab», sagt Zedi. Das zeigt auch eine kleine amerikanische Studie : Jene Mitarbeitende, die am Pult standen, statt sassen, tätigten nicht nur mehr Schritte.  Auch ihre Gesundheitswerte wie Bluthochdruck oder Gewicht veränderten sich positiv. Zudem zeigt sich eine Tendenz, dass Frauen länger stehen als Männer, wie eine andere Untersuchung bei Mitarbeitenden in Call-Centern zeigt . Wie weitreichend die Umstellung aufs Stehpult für unsere Gesundheit aber ist, kann die aktuelle Studienlage noch nicht beantworten.

Wenn Vorsätze zur Routine werden

Stehpult hin oder her, der grosse Knackpunkt bleibt die Umsetzung. Denn unsere Umwelt ist oft so gebaut, dass wir möglichst bequem und passiv durch den Tag gleiten können. «Heute müssen wir uns aktiv bemühen, um im Alltag zu körperlicher Anstrengung zu kommen», sagt Zedi. Studien zeigen: Infrastrukturen entscheiden darüber, ob sich Mensch bewegt.

Diese Challenge erlebte auch Andreas J. Götz-Bitz. Zur Arbeit fuhr er mit dem Auto, in Einkaufshäusern wählte er die Rolltreppe. Deshalb suchte er Rat beim Personal Health Coach Matthias Zedi. Einer seiner Tipps: die Erfolge wöchentlich aufschreiben. Beispielsweise auf Post-its die absolvierten Treppenstufen festhalten. Bis ein Verhalten aber zur Gewohnheit wird, geht es ungefähr 66 Tage oder gar länger, je nach Quelle.

Einige Monate nach der Beratung sagt Götz-Bitz: «Ich fühle mich fit und wohl. Diese Lebensenergie hat mich ermutigt, wieder ins Berufsleben einzusteigen.» Heute leitet der 74-Jährige die Züricher Klinik Lindenegg. Sein Beispiel zeigt, was Studien ebenfalls unterstreichen: Im Alltag wenige Bewegungsmomente mehr zu integrieren, kann weitreichende Folgen haben.

Radio SRF 1, Ratgeber, 26.10.2023, 11:05 Uhr

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