Reagieren sie gereizt, wenn sie hungrig sind? Oder fallen sie ins Energieloch nach einem grosszügigen Mittagessen? Viele Menschen spüren intuitiv, dass Essen nicht nur den Körper nährt, sondern auch die Psyche beeinflusst.
Hoffnungsträger Mikrobiom
Wie stark diese Verbindung sein kann, zeigt die Geschichte von Denis: «Ich fühlte mich müde, ziemlich schwach und ich hatte Magenprobleme. Ich stellte eine Verbindung zu meinem psychischen Zustand her, der etwas ängstlich, manchmal depressiv war.» Nachdem Medikamente bei ihm nur kurzfristig geholfen hatten, recherchierte er selbst und stiess dabei eher zufällig auf das Thema Mikrobiom.
Forschende vermuten heute, dass die Billionen Darmbakterien, das sogenannte Mikrobiom, über Stoffwechselprodukte wie kurzkettige Fettsäuren oder Neurotransmitter-Vorstufen Einfluss auf das Gehirn nehmen könnten – etwa über den Vagusnerv oder das Immunsystem.
Studien zum Mikrobiom
Wissenschaftliche Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Veränderungen im Mikrobiom mit psychischen Symptomen wie Depressionen oder Angstzuständen in Zusammenhang stehen können.
Erfahrungsberichte wie die von Denis nähren eine Hoffnung. Denis stellte schliesslich mithilfe einer Ernährungsberaterin seine Ernährung um – und tatsächlich: Seine Symptome wurden schwächer, seine Stimmung stabiler.
Was kann ketogene Ernährung?
Immer wieder zeigen Studien: Ernährung ist mehr als reine Energiezufuhr fürs Gehirn. Sie liefert Bausteine und beeinflusst Signalwege. In Basel untersucht der Arzt und Assistenzpsychiater Timur Liwinski spezifisch die Wirkung ketogener Ernährung auf das Gehirn.
Liwinski sagt, am Anfang stehe eine sehr triviale Erkenntnis: Das Gehirn ist auf Energie und Bausteine aus der Nahrung angewiesen – hochwertige Proteine und Aminosäuren, essenzielle Fettsäuren wie Omega-3.
Erst langsam rückt die Ernährung als möglicher therapeutischer Hebel bei psychischen Erkrankungen in den Blick. Anders bei Epilepsie, wo die ketogene Ernährung seit den 1920er-Jahren erforscht und eingesetzt wird. Das Gehirn nutzt normalerweise Zucker als Treibstoff, kann aber bei kohlenhydratarmer Ernährung auf sogenannte Ketonkörper umschalten. Diese werden in der Leber aus Fettsäuren produziert. Die Ketonkörper sorgen dafür, dass überreizte Nervenzellen ruhiger arbeiten, was epileptische Anfälle abschwächen kann.
Liwinski ist überzeugt, dass dieser Effekt auch bei Depressionen relevant ist: «Ich sehe in der ketogenen Ernährung therapeutisches Potenzial, das dem Gehirn Stabilität gibt und neue Behandlungswege eröffnet.»
Die Geschichte von Denis und die Forschung von Timur Liwinski machen deutlich: Sowohl das Mikrobiom als auch die Art, wie das Gehirn über Nahrung mit Energie versorgt wird, können Einfluss auf unsere Psyche nehmen. Doch Fachleute mahnen zur Vorsicht – das Mikrobiom ist hochkomplex, und die Effekte können von Mensch zu Mensch stark variieren.
Sicher ist nur: Ernährung ist ein wichtiger Faktor, wenn auch nicht die alleinige Lösung. Dennoch weckt sie grosse Hoffnungen – als möglicher Baustein im Zusammenspiel von Körper und Geist.