Zum Inhalt springen

Pestizide im Trinkwasser Belastetes Wasser kann nun gereinigt werden

Im Berner Seeland wird eine erste, innovative Anlage in Betrieb genommen, mit der viele Schadstoffe aus dem Wasser gefiltert werden können.

Bisher konnte man Trinkwasser einfach trinken. Doch Wasserfachleute finden immer mehr Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln im Grundwasser. Wo Grenzwerte überschritten werden, braucht es Lösungen. So auch in Worben im Berner Seeland.

Problem betrifft zahlreiche weitere Gemeinden

Box aufklappen Box zuklappen

Seit fünf Jahren darf das Fungizid Chlorothalonil in der Schweiz nicht mehr eingesetzt werden. Trotzdem werden bei der Seeländischen Wasserversorgung Worben die Grenzwerte unverändert um das 20-fache überschritten, weil nach wie vor die vielen Abbauprodukte des Pflanzenschutzmittels durch den Boden ins Grundwasser gewaschen werden.

Es gibt andere Standorte, etwa in der Nähe von Flüssen, wo sich das Grundwasser schneller erneuert. Überall dort aber wo das nicht der Fall ist, wird es gemäss Einschätzung der Experten noch Jahre bis Jahrzehnte dauern, bis die Menge der Abbauprodukte wieder unter den Grenzwerten liegt.

Wie viele Menschen in der Schweiz Wasser trinken, das die Grenzwerte überschreitet, ist nicht ganz klar. Gemäss einer Umfrage des Bundes bei den Kantonen waren es in der Periode 2019 bis 2021 ungefähr 11 Prozent der Schweizer Bevölkerung. Die Filteranlage aus dem Seeland dürfte also auch für andere Gemeinden von Interesse sein.

Dort ist vor allem Chlorothalonil ein Problem, ein Fungizid, das seit den 70er-Jahren in der Schweiz breit in der Landwirtschaft angewendet wurde. Seine Abbauprodukte sind wahrscheinlich krebserregend, das zeigen Tierversuche.

Wasser wird zur schwarzen Brühe

Doch nun kommt in Worben eine innovative Reinigungsanlage zum Einsatz. Roman Wiget ist der Geschäftsführer der Seeländischen Wasserversorgung Worben, Ingenieur und treibende Kraft hinter der Anlage.

Er öffnet eine Luke und zeigt in ein noch leeres Becken mit einem Rührstab, der von der Decke hängt. «Hier schwimmt bald eine schwarze Brühe», sagt Wiget, «denn das verschmutzte Grundwasser, das wir unter den Feldern hervorpumpen, wird mit superfein gemahlener Aktivkohle versetzt.»

Die Mahlung macht den Unterschied

Aktivkohle-Filter zur Wasserreinigung gibt es schon lange. Eine entscheidende Neuerung hat die Anlage nun aber wirtschaftlich gemacht. Hier kommt Florence Bonvin ins Spiel von der Firma Membratec in Sierre im Wallis. Sie hatte die Idee, die Aktivkohle, die normalerweise in Sandkorngrösse vorliegt, milliardenfach kleiner zu mahlen.

So funktioniert die Wasser-Reinigung

Stolz zeigt sie die nur etwa ein Meter hohe Mühle, in der die Aktivkohle mit Wasser versetzt und zerkleinert wird: «So wird die Oberfläche der Aktivkohle massiv vergrössert und es reichen nur vier Gramm Kohle, um die Abbau-Produkte des Chlorothalonils aus 1000 Litern Wasser zu binden.»

12 Tonnen Kohle pro Jahr

Die Aktivkohle mit den Pestizid-Abbauprodukten wird danach aus dem Wasser wieder rausgefiltert und später im Zementwerk verbrannt. Dank der superfeinen Mahlung braucht es statt bisher 80 nur noch 12 Tonnen Kohle pro Jahr für die Wasserversorgung der 20 Gemeinden. «Damit wird die Anlage wirtschaftlich tragbar», sagt Wiget.

Steigen nun die Wasserpreise?

Box aufklappen Box zuklappen

Um knapp hundert Franken würde sich die jährliche Trinkwasserrechnung für einen vierköpfigen Haushalt etwa erhöhen, wenn das Wasser nicht mehr direkt getrunken, sondern zuerst aufbereitet werden müsste. So steht es in einem aktuellen Bericht des Bundes zum Thema. Je nach Wasserversorger gestalten sich die Kosten aber unterschiedlich.

Die Anlage in Worben kostet etwa 2 Millionen Franken. Dazu kommen jedes Jahr Betriebskosten von 250’000 Franken. Trotzdem mussten die Wasserpreise für die 20 beteiligten Gemeinden nicht erhöht werden, denn verschiedene Effizienzgewinne an anderem Ort haben gleichzeitig zu Einsparungen geführt.

Statt wie sonst üblich fossile Steinkohle aus China, wird in Worben Pflanzenkohle aus der Schweiz verwendet. Damit ist der CO₂-Fussabdruck der Anlage deutlich besser. «Wir haben 40 verschiedene Aktivkohlen ausprobiert», sagt Wiget, «und sind glücklich, dass wir diese Schweizer Lösung gefunden haben».

Nicht alle Rückstände sind draussen

Mit diesem Verfahren werden gleichzeitig auch Abbauprodukte von verschiedenen anderen Pflanzenschutzmittel aus dem Wasser entfernt, sogar lang- und mittelkettige PFAS-Ewigkeitschemikalien.

Schweizer Wasserfachleute warnen

Box aufklappen Box zuklappen

Vor dem Hintergrund der Trinkwasserinitiative beschloss das Parlament 2021 die Risiken beim Einsatz von Pestiziden zu reduzieren. Unterdessen findet jedoch eine gegenteilige Bewegung statt: «Noch bevor die beschlossenen Gesetzesänderungen greifen, will eine Gruppe von Parlamentarierinnen und Parlamentariern die eingeleiteten Verbesserungen wieder rückgängig machen, was die Risiken für Verunreinigungen in den Schweizern Gewässern erheblich steigert.» Dies schreibt eine parteilose Gruppierung von Gewässerschutz-Fachleuten und Wissenschaftlern namens «4aqua» in einem offenen Brief an den Bundesrat und ans Parlament.

Mit verschiedenen Motionen sollen die Zulassung von Pflanzenschutzmittel vereinfacht, die Nitratwerte weniger gesenkt und die möglichen Belastungsspitzen von Pestiziden in Fliessgewässern erhöht werden. Die Wasserfachleute fordern die Politik auf, diesen «schrittweisen Abbau des Gewässerschutzes zu stoppen».

«Aber wir bringen nicht alles raus», sagt Wiget, insbesondere das Trifluoracetat, kurz TFA, eine kurzkettige PFAS-Ewigkeitschemikalie, die zunehmend zum Problem wird, lässt sich nicht rausfiltern. «Wir tun grundsätzlich also gut daran», so Wiget, «das Trinkwasser von Beginn weg so gut wie möglich zu schützen, statt später aufwändige Reinigungsanlagen zu bauen».

Wissenschaftsmagazin, 26.4.2025, 12:40 Uhr

Meistgelesene Artikel