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Wachsende Belastung mit PFAS Machen uns Trinkwasser und Lebensmittel krank?

Fast alle Schweizerinnen und Schweizer haben gesundheitsschädliche Chemikalien im Blut. Das BAG schätzt, dass sie durch Wasser und Nahrung in den Körper gelangen.

Natalie von Götz untersucht in einer BAG-Studie, wie gesund die Schweizer Bevölkerung ist. Dafür analysierte sie das Blut von Probanden in den Kantonen Bern und Waadt: Alle Probanden haben gesundheitsschädliche Chemikalien im Blut , davon 3.6 Prozent zu einem besorgniserregend hohen Level.

Bei diesen Chemikalien handelt es sich um PFAS, eine Stoffgruppe mit rund 4700 einzelnen Stoffen. PFAS (per- und polyfluorierte Alkylverbindungen) werden seit den 1950ern in der industriellen Fertigung verwendet, zum Beispiel bei der Produktion von Elektronik oder Textilien.

Wir beobachten, dass ältere Menschen stärker belastet sind und Männer höhere PFAS-Konzentrationen im Blut haben als Frauen.
Autor: Natalie von Götz Studienleiterin BAG

Über Abwasser oder durch die Produkte selbst gelangen PFAS in die Umwelt, wo sie bis heute unverändert in Wasser und Böden zu finden sind.

Von da gelangen sie dann in den menschlichen Körper. «Wir beobachten, dass ältere Menschen stärker belastet sind und Männer höhere PFAS-Konzentrationen im Blut haben als Frauen», erklärt von Götz.

PFAS reichern sich im Körper über die Lebensjahre an. Allerdings geht man davon aus, dass Frauen über das Menstruationsblut einen Teil wieder ausscheiden.

PFAS werden mit vielen Krankheiten in Verbindung gebracht, von Nieren-Fehlfunktion bis zu Krebs. «Einige PFAS können hormonähnlich wirken, deshalb sind Kinder und der Fötus im Mutterleib auch gefährdet», erklärt von Götz.

Welche Auswirkungen haben Pfas auf die Gesundheit?

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Es gibt viele gesundheitliche Beeinträchtigungen und Erkrankungen, die mit hohen PFAS-Werten im Blut verbunden werden:

  • Erhöhte Cholesterinwerte
  • Erhöhte Harnsäurespiegel
  • Reduzierte Nierenfunktion
  • Verringerte Immunantwort nach Impfungen
  • Veränderte Spiegel von Schilddrüsenhormonen und Sexualhormonen
  • Verringerung der Fruchtbarkeit bei Frauen
  • Späteres Alter für den Beginn der Menstruation bei Mädchen
  • Frühere Menopause
  • Erhöhter Blutdruck während der Schwangerschaft
  • Geringeres Geburtsgewicht von Säuglingen

In Tierversuchen wurden der negative Effekt von PFAS auf die Entwicklung von Embryos und Neugeborenen bestätigt. Auch der Zusammenhang mit verschiedenen Arten von Krebs konnte nachgewiesen werden .

Momentan bemühen sich Schweizer Behörden, das PFAS-Risiko für die Bevölkerung genauer abzuschätzen. «Man nimmt zurzeit an, dass Lebensmittel und Trinkwasser die Hauptaufnahmequellen von PFAS sind», erklärt von Götz.

In einem Bericht, der für das Bundesamt für Umwelt erstellt wurde, wurden Forschungsergebnisse zur Belastung von Lebensmitteln zusammengetragen. Bei pflanzlichen Lebensmitteln wurden hohe Werte in Kohl, Tomaten und Erdbeeren gefunden. PFAS gelangen mit dem Wasser durch die Wurzel in die Pflanze.

Tierische Lebensmittel enthalten jedoch weit grössere Mengen an PFAS. In Tieren reichern sie sich lebenslang in den Muskeln und gut durchbluteten Organen wie Leber und Niere an. Fisch und Meeresfrüchte sind besonders bedenklich.  

Nationale und kantonale Studien zur Trinkwasserqualität

Um die Qualität von Trinkwasser zu bestimmen, gab es mehrere nationale und kantonale Studien. «In etwa der Hälfte der Proben wurden PFAS gefunden. Die für Trinkwasser geltenden Schweizer Höchstwerte wurden aber nirgends überschritten», fasst von Götz zusammen.

Wie werden Pfas in Wasser und Lebensmitteln gesetzlich reguliert?

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Für Trinkwasser gibt es in der Schweiz festgeschrieben Höchstwerte. Je nach Pfas-Stoff sind das 0.3 oder 0.5 µg pro Liter Wasser. Diese Werte sind etwas höher als in anderen Ländern, wie Dänemark, Deutschland oder den USA. Deswegen diskutiert die Schweizer Regierung, ab 2026 die Pfas-Höchstwerte der Europäischen Kommission zu übernehmen. Dann dürfte die Summe von 20 ausgewählten PFAS-Stoffen maximal 0.1 µg pro Liter Trinkwasser betragen.

Für Lebensmittel beruft man sich in der Schweiz auf die Empfehlungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit. Man soll pro Woche nicht mehr als 0.63 ng Pfas pro Kilogramm Körpergewicht aufnehmen. Das entspricht gerade mal 6 bis 170 g Ostschweizer Bachforellen-Filet bei einer 70 kg schweren Person.

In welchen Regionen ist das Wasser besonders mit PFAS belastet? Steven Chow untersuchte das im Auftrag des Bundesamts für Umwelt.

Seine Messdaten sind die Grundlage für die Entscheidung der Behörden, an welchen Orten es notwendig werden könnte, das Wasser zu säubern. «Die Behandlung des Trinkwassers hängt von der Qualität der lokalen Wasserquellen ab und welche Grenzwerte die Regierung für PFAS festlegt. Das bestimmt dann, ob eine Behandlung erforderlich ist.»

2016 wurde ein lokaler PFAS-Hotspot im Kanton St. Gallen entdeckt. Man fand sehr hohe Werte im Dorfbach Goldach der Gemeinde Goldach. Durch weitere Proben zeigte sich, dass die Verschmutzung von einem Stück Boden weiter flussaufwärts ausging. Momentan werden noch weitere Abklärungen durchgeführt.

Wie schütze ich mich vor PFAS?

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Mann trägt in einer Werkstatt Skiwachs auf
Legende: SRF

Natalie von Götz sieht im Allgemeinen keine Bedrohung durch Schweizer Trinkwasser und Lebensmittel: «Die für Trinkwasser geltenden Höchstwerte wurden in der nationalen Studie nirgends überschritten.»

In Fisch und Meeresfrüchten, aber auch in Innereien, Fleisch, Eiern, Milch und Milchprodukten sowie pflanzlichen Lebensmitteln können messbare Gehalte an PFAS nachgewiesen werden.

«Für bestimmte tierische Lebensmittel werden deshalb Höchstwerte eingeführt, um insgesamt die Aufnahme von PFAS zu begrenzen.» Aus Sicht der Lebensmittelsicherheit solle man sich ausgewogen und abwechslungsreich ernähren.

Schützen sollte man sich jedoch, wenn man mit potenziell PFAS-haltigen Konsumartikeln arbeitet. «Imprägniersprays sind im Freien anzuwenden und wenn man Skiwachs heiss aufträgt, sollte man sich vor den Dämpfen schützen, indem man nur in gut durchlüfteten Räumen oder mit Atemmaske arbeitet», rät von Götz.

Steven Chow und Natalie von Götz sind überzeugt, dass die PFAS-Belastung von Trinkwasser wahrscheinlich kein flächendeckendes Problem in der Schweiz ist.

Von Götz erklärt: «In den betroffenen Regionen müssen die Höhe des PFAS-Beitrags im Wasser im Vergleich zum Aufwand für die Aufbereitung abgewogen werden. Wichtig ist vor allem, den neuen Eintrag von PFAS in die Umwelt zu verhindern.»

Korrektur-Hinweis

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In einer ersten Version dieses Artikels haben sich leider ein paar Ungenauigkeiten eingeschlichen. Im Dorfbach Goldach (in einer ersten Version als Goldbach bezeichnet) wurden zwar die erwähnten sehr hohen PFAS-Werte gefunden, jedoch haben wir fälschlicherweise geschrieben, dass das Ackerland aufbereitet wurde und seitdem der PFAS-Gehalt abnehme. Korrekt ist, dass momentan noch weitere Abklärungen durchgeführt werden.

Zudem gab das Bundesamt für Umwelt den Bericht für die Belastungen von Lebensmittel in Auftrag, führte diese Untersuchungen aber nicht selbst durch, wie in einer ersten Version des Artikels geschrieben.

In der Informationsbox «Wie werden PFAS in Wasser und Lebensmitteln gesetzlich reguliert?» hiess es ursprünglich, dass die Summe von 20 ausgewählten PFAS-Stoffen maximal 0.5 µg pro Liter Trinkwasser betragen dürfe, falls die PFAS-Höchstwerte der Europäischen Kommission übernommen würden. Korrekt ist 0.1 µg pro Liter Trinkwasser.

Wir bitten um Entschuldigung für diese Fehler.

Puls, 12.2.2024, 21:05 Uhr

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