In den Läden haben laktosefreie Milch, Joghurt, Quark und Co. und glutenfreie Brote, Guetzli und Kuchen mittlerweile ihren festen Platz. Denn wenn die Verdauung streikt, Blähungen und Durchfall den Alltag erschweren, versuchen Betroffene ihr Leiden über die Ernährung zu lindern. Meist glücken die Selbstversuche mit laktose- oder glutenfreien Lebensmitteln aber nicht. Die Verdauungsbeschwerden klingen nicht zufriedenstellend ab und die Betroffenen bleiben ratlos zurück.
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Diagnose: Reizdarm
Wer mit Symptomen wie ständigen Blähungen, Durchfall, Verstopfung, wiederkehrenden Bauchschmerzen und Übelkeit nach dem Essen einen Hausarzt oder Gastroenterologen aufsucht, wird eingehend untersucht. Mit Blut- und Atemtest werden die Patienten auf Lebensmittel-Intoleranzen und Allergien getestet. Anhand Stuhlproben und Magendarm-Spiegelung können allfällige organische Ursachen und Krankheiten aufgespürt werden. Sind alle Tests negativ, lautet die Diagnose: Reizdarm.
Je nach Leiden und Lebensführung des Patienten sind unterschiedliche Therapien möglich. Bei Krämpfen und Schmerzen helfen zum Beispiel Medikamente, sogenannte Spasmolytika, den Darm zu entspannen. Bei Verstopfungen gehören Ballaststoffe und Abführmittel zur Basistherapie. Auch Naturheilmittel werden als Einzel- oder Kombinationspräparate verschrieben. So gehört Pfefferminzöl zu den ältesten Mitteln gegen Reizdarm, aber auch die Einnahme von Kurkuma oder Johanniskraut zeigt bei manchen Patienten positive Wirkung.
Gesunde Psyche, bessere die Verdauung
Gehirn und Darm stehen in einem engen Informationsaustausch. Bei Reizdarm-Patienten, die an Depressionen oder Angststörungen leiden, verbessert sich beispielsweise auch die Verdauung unter der Einnahme von Antidepressiva. Auch psychotherapeutische Methoden wie eine klassische Psychotherapie, aber auch kognitive und verhaltenstherapeutische Methoden scheinen einen positiven Effekt zu haben.
Die geeignete Therapie für Patienten mit unspezifischen Verdauungsproblemen zu finden, gestaltet sich oft schwierig, weil die Beschwerden und das Krankheitsbild sehr unterschiedlich sind. Die Symptome lassen sich deshalb bei den meisten Patienten nur unzureichend durch eine medikamentöse Therapie lindern. Durchfall, Verstopfung und Blähungen verbessern sich bei vielen Betroffenen nur unbefriedigend.
Ernährung und Stress sind ausschlaggebende Faktoren, die auf den Darm schlagen. Weil Stress und übermässige Belastung im beruflichen und sozialen Umfeld meist nicht auf die Schnelle vermindert werden können, ist es naheliegend, dass Betroffene versuchen, ihr Leiden über die Ernährung in den Griff zu bekommen.
FODMAP-Konzept
Es ist keine neue Erkenntnis, dass verschiedene Lebensmittel wie Milch- oder Weizenprodukte oder Zusatzstoffe Allergien und Unverträglichkeiten verursachen können. Forscher haben vor etwa zehn Jahren herausgefunden, dass bestimmte kurzkettige Kohlehydrate (vor allem Sorbitol, Fruktose und Laktose) Reizdarm-Patienten Verdauungsprobleme bereiten. Es handelt sich dabei um sogenannte FODMAPs. Das ist eine Abkürzung für f ermentierbare O ligo-, D i-, M onosaccharide und P olyole.
Davon ausgehend erforschten die Wissenschaftler die Mikronährstoffe in unseren Lebensmitteln. Sie konnten dabei feststellen, wie hoch der Gehalt an FODMAPs in den einzelnen Nahrungsmitteln ist. Anhand der gewonnenen Erkenntnisse erstellten sie eine Liste mit FODMAP-armen und -reichen Lebensmitteln und entwickelten daraus die FODMAP-Diät für Reizdarmpatienten , die mittlerweile eine beliebte und erfolgversprechende Therapieform ist.
In mehreren Studien konnte ihre Wirksamkeit belegt werden: Die Magen-Darm-Beschwerden verbesserten sich bei drei von vier Patienten.
Ernährungsumstellung mit Entbehrungen
Wer sich für die FODMAP-Therapie entscheidet, muss seinen Speiseplan für eine bestimmte Zeit rigoros einschränken. Die Diät gliedert sich in drei Phasen:
In den ersten sechs bis acht Wochen muss sich der Patient ausschliesslich von FODMAP-armen Lebensmitteln ernähren. Früchte mit hohem FODMAP-Gehalt, wie beispielsweise Äpfel, Birnen, Aprikosen oder Kirschen, werden in dieser Phase komplett vom Menüplan gestrichen. Als Alternativen sind beispielsweise Bananen, Trauben, Himbeeren oder Orangen erlaubt. Für Gemüse, Hülsenfrüchte, Getreide, Milchprodukte, Öle, Fette und Süssungsmittel gilt dasselbe Verfahren.
Werden die FODMAP-reichen Lebensmittel strikt gemieden, verbessern sich die Beschwerden der Betroffenen meist bereits nach etwa zwei Wochen. Der Darm kann sich während dieser Zeit beruhigen.
An die Verzicht-Phase gliedern sich die Wiedereinführungs-Phase und die Toleranzauslotungs-Phase . Denn Ziel der FODMAP-Diät und jeder Ernährungsberatung ist eine ausgewogene Ernährung. Deshalb dürfen Betroffene nach und nach wieder verbotene Nahrungsmittel aus allen Lebensmittelgruppen essen und auf diese Weise ausloten, ob und ab welchen Mengen welches Lebensmittel ihnen Probleme bereitet. Andere Lebensmittel erweisen sich so vielleicht als ganz ungeeignet, wenn die Beschwerden zu stark wiederkehren.
Nicht jedes Lebensmittel schafft es so wieder zurück auf den Speiseplan, aber eines gelingt so in jedem Fall: Bei diesem Wiedereingliederungs-Verfahren lernen Reizdarmpatienten ihre Verdauung neu kennen und einschätzen.
Chancen und Grenzen
Eine Reduktion von FODMAPs vermag Reizdarmpatienten nicht zu heilen. Das Ernährungsprinzip kann aber ein Rüstzeug dafür sein, die eigenen Symptome zu lindern und damit den Alltag zu erleichtern. Die Wirksamkeit der Diät ist gut erforscht, ob es mögliche Langzeitfolgen gibt, ist bisher aber nicht geklärt.
Betroffene, die bereits vieles ausprobiert und ihr Essverhalten eingeschränkt haben, jedoch nie auf einen grünen Zweig gekommen sind, können durch die FODMAP-Diät wieder Vertrauen schöpfen und ihre Lebensmittelverträglichkeiten auf evidenzbasierter Basis neu kennenlernen. Wichtig dabei ist, dass die Vorabklärungen zum Ausschluss möglicher anderer Krankheiten und Allergien beim Hausarzt und Darmspezialisten durchgeführt und die Ernährungsumstellung professionell begleitet wird.