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Schmerzstiller und Suchtmittel Opioide: Warum sie zugleich Leid und Segen bringen

Opioide sind als Schmerzmittel in der Medizin unverzichtbar. Gleichzeitig forderten Opioide in den vergangenen Jahren hunderttausende an Todesopfern in den USA. Der biologische Grund dafür, warum Fentanyl, Codein & Co. gleichzeitig Leid und Segen bringen: Die Opiatrezeptoren in unserem Körper.

Gesteigertes Selbstvertrauen, Sorglosigkeit und Euphorie: Wer Opioide missbraucht, tut dies oft wegen des Highs. Dieses entsteht, weil Opioide im Gehirn an Opiatrezeptoren binden. Doch wenn man Opioide regelmässig einnimmt, gewöhnt sich der Körper regelrecht daran: Es kommt zu einer körperlichen Abhängigkeit und manchmal auch zu Sucht.

Das eine Opioid gegen Husten, ein anderes gegen Durchfall

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Warum wirkt das Opioid Fentanyl 50 - 100 mal stärker als Morphin? Und weshalb werden gewisse Opioide gegen Husten verschrieben und andere gegen Schmerzen oder Durchfallerkrankungen?

Die Antwort auf diese Fragen ist komplex, denn Opioide unterscheiden sich in vielen Dingen. Zum Beispiel unterscheiden sie sich darin, wie stark sie an die verschiedenen Opiatrezeptortypen binden können, mit denen unser Körper ausgestattet ist.

Opioide können aktivieren oder blockieren: Hinzu kommt, dass Opioide die verschiedenen Rezeptoren jeweils entweder aktivieren oder aber blockieren. Bei einer Aktivierung der Opiatrezeptoren entfaltet sich die typische Wirkung: Schmerzen und Husten verschwinden, oder der Darm wird gelähmt, was hartnäckigen Durchfall verschwinden lässt oder zu Verstopfungen führt.

Bei einer Blockade hingegen, bindet das Opioid an den Rezeptor, ohne dass es eine Wirkung auslöst und verhindert dadurch, dass andere Opioide an den Rezeptor binden können. Über so eine Blockade funktionieren auch die Gegenmittel von Opioiden, die bei einer Überdosis eingesetzt werden: Auch sie blockieren die Opiatrezeptoren und unterbinden so die weitere Wirkung von der lebensbedrohlichen Substanz.

Manche Opioide gelangen einfacher ins Gehirn: Ein weiteres Beispiel für die Unterschiede zwischen Opioiden ist die Fettlöslichkeit. Das zeigt der Vergleich von Fentanyl und Morphin. Denn obwohl diese beiden Präparate etwa gleich stark an den wichtigsten Opiatrezeptor binden, wirkt Fentanyl um ein Vielfaches stärker. Forschende gehen davon aus, dass das unter anderem an der höheren Fettlöslichkeit von Fentanyl liegt. Denn dadurch kann Fentanyl die Blut-Hirn-Schranke einfacher passieren und gelangt so einfacher ins Hirn.

Opioide machen körperlich abhängig …

«Das Abhängigkeitspotenzial ist ziemlich hoch, gerade bei den starken Opioiden», sagt Philip Bruggmann, Co-Chefarzt für Innere Medizin am Arud Zentrum für Suchtmedizin in Zürich. Bei einer Abhängigkeit hat sich der Körper so sehr an die künstliche Aktivierung der Opiatrezeptoren im Körper gewöhnt, dass ein Entzugssyndrom auftritt, sobald man keine Opioide mehr einnimmt.

«Danach sind die Zellen mit Opiatrezeptoren hyperaktiv, wenn man so möchte», erklärt Professor Christian Lüscher, der an der Universität Genf zu Sucht forscht. Es treten dann Symptome auf, die gegensätzlich zur akuten Substanzwirkung sind. Unter anderem kann es zu Schmerzen, Durchfall und einem gereizten und schlecht gelaunten Gemütszustand kommen.

… und manchmal machen Opioide auch süchtig

Sobald man aufhört, Opioide einzunehmen, ist die Abhängigkeit bereits nach einigen Tagen überwunden. Doch es gibt auch Menschen, die während der längeren Einnahme von Opioiden eine Sucht entwickeln. Denn Opioide können, ebenfalls über die Opiatrezeptoren vermittelt, die Dopaminausschüttung im Belohnungszentrum unseres Gehirns befeuern. Das wiederum führt zu einer Verhaltensverstärkung, wodurch süchtige Personen ein nahezu unwiderstehliches Bedürfnis verspüren, diese Substanzen weiter einzunehmen.

Doch nicht alle, die Opioide einnehmen, werden auch süchtig. Ob man süchtig wird, hängt unter anderem davon ab, in welcher psychischen Verfassung man sich gerade befindet und ob man genetisch zu einer Sucht neigt.

Dennoch werden Opioide auch als Medikamente eingesetzt

Abhängigkeit und Sucht sind aber nur die unerwünschten Begleiterscheinungen von Substanzen, die eigentlich als Medikamente gedacht sind. Professor Christian Lüscher der Universität Genf formuliert es so: «Pharmakologische Substanzen gehen überall im Körper hin: Man hat die gewünschten Effekte, aber immer auch die Nebenwirkungen».

Im Fall der Opioide liegt das daran, dass sich die Opiatrezeptoren an vielen Stellen unseres Körpers befinden. Das zeigen die vielseitigen Effekte dieser Substanzen: Opioide helfen gegen Schmerzen, weil sie die Weiterleitung von Schmerzreizen im Rückenmark und Hirnstamm blockieren.

Unser Körper produziert seine eigenen Opioide

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Die Opiatrezeptoren können auch durch einen körpereigenen Stoff aktiviert werden, nämlich durch die Endorphine. Der Begriff «Endorphin» ist ein Kofferwort, zusammengesetzt aus endogenes Morphin. Endorphine sind also Opioide, die der Körper selbst produziert, um beispielsweise Schmerz und Glücksempfinden zu steuern.

Die Verstopfungen, die häufig als Nebenwirkung auftreten, werden hingegen durch die Aktivierung von Opiatrezeptoren im Darm ausgelöst. Und die typische Pupillenverkleinerung (sogenannte «Stecknadelpupillen») durch Opioide, kommt durch die Aktivierung von Opiatrezeptoren in dem Hirnareal zustande, welches die Pupillengrösse steuert.

Opioide können also in ganz unterschiedlichen Körper- und Hirnregionen zu Reaktionen führen – gewollte und ungewollte.

SRF Audio & Podcasts, International, 16.09.2023, 09:08 Uhr

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