Sommer im Sattel - So essen Sie sich auf der Velotour fit
Jede Stunde eine Banane verdrücken, oben auf dem Pass ein kühles Bier geniessen? Nicht alles, was schmeckt, macht den Körper auf einer Velotour leistungsfähig. Tipps aus der Wissenschaft.
Ungefähr 2,5 Millionen Schweizerinnen und Schweizer tauschen jährlich den Bürostuhl gegen den Velosattel, um eine längere Tour in Angriff zu nehmen. Das geht aus Erhebungen vom Bundesamt für Strassen und Schweiz Mobil hervor. Doch wer mehrere Tage hintereinander in die Pedale tritt, muss seine Ernährung umstellen, um so lange durchzuhalten und sich dabei sogar gut zu fühlen. Da hilft nicht nur die Ovo. Sondern auch Bananen.
Denn sie sind eine gut verdauliche Kohlenhydrate-Quelle. «Kohlenhydrate liefern am effizientesten Energie, wenn die Muskeln über mehrere Stunden arbeiten sollen», so Joëlle Flück, Expertin für Sporternährung. Sie sind das beste Futter für die Muskeln, weil sie viel schneller Energie liefern als beispielsweise Fett, wie ein
umfassendes Paper
zeigt.
Joëlle Flück
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Joëlle Flück ist Sporternährungswissenschaftlerin und betreut unter anderem Radsportlerinnen und -sportler bei Swiss Cycling. Zudem präsidiert die aktive Läuferin und ehemalige Leistungssportlerin den Verband Swiss Sports Nutrition Society. Der Fachverband macht es sich zur Aufgabe, die aktuellsten Erkenntnisse rund um die Sporternährung evidenzbasiert zu vermitteln.
Kohlenhydrate gegen Hungerast
Wenn man bei mittlerer Belastung Velo fährt, also so, dass man noch gut plaudern kann, gilt der Grundsatz: Ungefähr 30 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde, sonst könnte man in einen Hungerast geraten. Fachsprachlich wird dies als Glykogenentleerung bezeichnet, also dass die in Leber und Muskulatur gespeicherten Kohlenhydrate aufgebraucht werden. Die klassische Folge davon: Die Beine fühlen sich schwer an und das Tempo wird gedrosselt. Man fährt unkonzentriert und dem Kollegen gibt man nur noch genervt Antwort.
Umstellung auf Fettstoffwechsel – ist das sinnvoll?
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Wenn die Kohlenhydratreserven aufgebraucht sind, bezieht der Körper die Energie hauptsächlich aus Fetten. Da die Energiebereitstellung aus Fetten etwas langsamer abläuft, muss meist die Intensität der Belastung reduziert werden. Auf der Velotour wäre man deutlich langsamer unterwegs. Aber: «Die meisten Leute sind es nicht gewöhnt, vorwiegend im Fettstoffwechsel Sport zu treiben», so Sporternährungsexpertin Joëlle Flück. Deshalb fühle man sich dann oft kraftlos und kann bei hoher Intensität auch weniger leisten.
Im Freizeitsport und gerade auf einer Velotour rät die Expertin davon ab, auf Energiezufuhr zu verzichten. Im schlimmsten Fall kann eine zu tiefe Energiezufuhr über längere Zeit den Körper schädigen. «Wenn der Körper nicht genügend Energie bekommt, kann es im Extremfall zu einer verlangsamten Regeneration oder gar hormonellen Störungen kommen.» Zudem kann durch eine fehlende Kohlenhydratzufuhr während der Belastung die Leistung nicht aufrechterhalten werden, Ermüdung tritt ein und die Konzentrationsfähigkeit nimmt ab.
Spitzensportlerinnen und Sportler hingegen versuchen teilweise, diesen Fettstoffwechsel explizit zu trainieren und effizienter zu machen, meist auf Kosten des Kohlenhydratstoffwechsels. Bei Ultra-Ausdauerleistung wie beispielsweise einem Ironman oder Radrennen wie dem Race Across America könne dies allenfalls einen positiven Einfluss auf die Leistung haben – in gewissen Fällen, so Flück.
Eine australische Studie
zeigte aber, dass Spitzensportler, die weniger Kohlenhydrate dafür mehr Lebensmittel mit hohem Fettanteil assen, ihre Bestzeiten verfehlten. Diese fettreiche und kohlenhydratarme Ernährung bleibt umstritten.
Die Wissenschaft hat längst widerlegt, dass ein grosser Teller Pasta abends ausreicht, um in den Veloferien leistungsfähig zu bleiben. Sprich: Kohlenhydrate sind wichtig, aber eben nicht alles. Proteinen sei lange nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt worden, so Flück. Dabei sind sie wichtig, besonders für die Regeneration oder die muskulären Anpassungen.
Proteine müssen regelmässig zugeführt werden, weil sie nicht wie Kohlenhydrate oder Fett für «später» gespeichert werden können. Führt man über längere Zeit keine oder zu wenig Proteine zu, kann dies dazu führen, dass mehr Proteine beziehungsweise Aminosäuren aus der Muskulatur abgebaut und für andere Körperfunktionen verwendet werden. Längerfristig kann das zu Muskelabbau führen. Gute Proteinlieferanten sind Quark oder Eier zum Frühstück.
Schwitzen individuell sehr unterschiedlich
Man solle sich grundsätzlich schon im Vorhinein überlegen, wie und wo man sich auf der Tour verpflegen könne, sagt Flück. Gibt es ein Restaurant für ein reichhaltiges Mittagessen? Habe ich genug Proviant eingepackt für den nächsten Pass? Wo befindet sich ein Brunnen?
Ticks gegen Hitze
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Es gibt
etliche Strategien
, um den Körper vor, während und nach dem Sport zu kühlen – einige davon sind auf einer Velotour auch anwendbar, andere hingegen machen nur im Spitzenbereich wirklich Sinn, wo die maximale Leistung herausgeholt werden will. Folgende Kühlstrategien haben vor allem einen psychologischen Effekt, also dass man sich besser fühlt, teilweise senken sie auch die Körperkerntemperatur:
Am Morgen in ein Bächli springen
Nasses Shirt tragen
Glace-Stopp einlegen (hier eignet sich v.a. ein Wasserglace gut)
Streckenabschnitte und Pausen im Schatten planen
Abends im See baden
Insbesondere im Sommer wichtig: Wasser, um den Flüssigkeitsverlust durchs Schwitzen auszugleichen, die Blutzirkulation optimal aufrecht zu erhalten, um Sauerstoff zu den Muskeln zu bringen und Abfallstoffe abzutransportieren. «Wegen des kühlen Fahrtwinds merkt man im Sattel oft weniger gut, wie viel Flüssigkeit man eigentlich bereits verloren hat», so Flück. Die grobe Faustregel beim lockeren Treten lautet vier bis acht Deziliter Flüssigkeit pro Stunde, wer stark schwitzt und bei Sonnenschein fährt sogar etwas mehr.
Wie stark schwitze ich?
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Es gibt eine einfache Formel, um herauszufinden, wie viel Flüssigkeit man durchs Schwitzen verloren hat. Am besten macht man diesen Test bei einem Training vor der Velotour. Sich vor und nach dem Sporttreiben ohne Kleidung wiegen. Zur Differenz (in kg) die getrunkene Flüssigkeitsmenge dazu rechnen (in Kilogramm, wobei 1 Kilogramm = 1 Liter), dann kommt man auf seine persönliche Schweissmenge. Die Schweissrate wird dann berechnet mittels Schweissmenge geteilt durch Anzahl Stunden.
Wichtig ist, dass man beim Test mit einer ähnlichen Belastungsintensität und unter vergleichbaren Wetterbedingungen wie auf der Velotour fährt.
Nach viel Schweiss und zig hundert Höhenmetern hat man sich das kühle Bier verdient. Oder? «Für mich persönlich ist Alkohol auf der Strecke ein Tabu», sagt die Sporternährungswissenschaftlerin. Schon ein Bier könne nach einer grossen Anstrengung die Konzentration senken und eine Passabfahrt zu einem gefährlichen Manöver machen. Da der Darmtrakt durch die Sitzposition sowieso schon belastet wird und Kohlensäure oft aufstösst, wird der Magen und der Darm durchs Bier noch zusätzlich gestresst.
Wenn man Alkohol trinkt, muss man zudem häufiger auf die Toilette und verliert noch mehr Flüssigkeit. Das ist auf einer Radtour im Sommer ungünstig. Gegen ein alkoholfreies Bier nach der Tagesetappe gibt es laut Flück nichts einzuwenden. Aber Achtung: Es liefert zwar Kohlenhydrate, aber keine Proteine. Wer dazu beispielsweise Trockenfleisch isst, hat am nächsten Tag wieder fitte Beine.
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