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Steinige Hochschulkarriere Wenn dich die Angst vor der Zukunft auffrisst

Laut einer neuen Erhebung haben viele Forschende depressive Symptome. Noch mehr fühlen sich regelmässig ausgebrannt.

Timon Elmer forscht an der Universität Zürich zu psychischer Gesundheit. Gleichzeitig setzt er sich für die psychische Gesundheit seiner Berufskolleginnen und -kollegen ein. Im Vorstand von Actionuni, dem Dachverband des Schweizer Mittelbaus, vertritt er die Interessen der Forschenden, die noch keine Professur haben. Viele von ihnen doktorieren oder arbeiten auf eine Professur hin.

Elmer und Actionuni haben untersucht, wie es diesen Forschenden geht. Ziel der Umfrage war es, auf nationaler Ebene zu erfassen, wie es um die psychische Gesundheit im Mittelbau steht. «Wir wollten dabei auch herausfinden, welche Stressoren besonders gravierend sind, damit man diese gezielt angehen kann», sagt Elmer.

Ausgebrannt und gestresst

Bisher gab es solche Umfragen von einzelnen Hochschulen. Es war schwierig, diese zu vergleichen. Die Umfrage von Actionuni ermöglicht nun einen Überblick über 13 Schweizer Hochschulen. Ergebnis: Rund ein Viertel der Befragten fühlt sich stark belastet. 22 Prozent berichten von erhöhten depressiven Symptomen. 24 Prozent geben an, sich mindestens wöchentlich ausgebrannt zu fühlen.

Junger Mann vor Computer.
Legende: Die Hochschule ist ein Ort des Lernens, der Inspiration, der Zusammenarbeit. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Imago / Michael Bihlmayer (Symbolbild)

Viele Forschende gaben an, dass sie sich besonders durch die Jobunsicherheit gestresst fühlen. Dass es den Forschenden gut gehe, sei aber wichtig, betont Elmer: «Bildung, Forschung und Innovation sind wichtige Grundpfeiler im Wirtschaftssystem der Schweiz – und wenn der Mittelbau an Hochschulen leidet, leidet auch die Qualität der Forschung und der Innovation.» Und eben auch die Hochschulbildung könne es treffen.

Anhand der vorhandenen Zahlen lässt sich nicht genau beziffern, wie viel häufiger Forschende an Depressionen und Burnouts leiden als die gesamte Bevölkerung.

Hoher Druck und Ungewissheit

Es gibt allerdings Risikofaktoren, die psychische Probleme in der Forschung begünstigen, weiss Stefanie Feuz. Sie ist Psychologin und leitet die Beratungsstelle der Berner Hochschulen. Hier bekommen Forschende Hilfe, wenn es ihnen psychisch nicht gut geht.

Gerade der Mittelbau sei von vielen Risikofaktoren betroffen, erklärt Feuz: Befristete Verträge, hohe Leistungs- und Rollenanforderungen, asymmetrische Machtverhältnisse – in der Forschung kommt laut der Psychologin viel zusammen, was zur psychischen Belastung werden kann.

Belastungsdepression an der Uni – ein Betroffener berichtet

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Von Druck, psychischer Belastung und Ungewissheit berichten auch Betroffene – zum Beispiel Arthur. Er hat an einer Schweizer Hochschule doktoriert. Dann wurde er krank; seine Psychiaterin spricht von einer Belastungsdepression. «Dabei hat nicht nur die Forschung eine Rolle gespielt, sondern auch private Aspekte» erinnert sich Arthur. Die Universität sei aber ein Arbeitsumfeld, das es besonders schwierig mache, die eigene mentale Gesundheit im Blick zu haben.

Er hätte sich sichere berufliche Perspektiven gewünscht – und engere Betreuung. Der Versuch, zurück in die Forschung zu gehen, ist für Arthur gescheitert: «Von meinen Vorgesetzten und Kolleginnen und Kollegen hätte es deutlich mehr gebraucht, um mich wieder einzubinden. Ihr Arbeitsalltag hat das aber auch nicht erlaubt.»

Viele Hochschulen haben extra Anlaufstellen für Forschende, die unter psychischen Problemen leiden. Doch in der Umfrage von Actionuni gibt mehr als die Hälfte der Teilnehmenden an, sich nicht mit solchen Anlaufstellen auszukennen. Noch mehr zweifeln daran, dass diese Angebote helfen.

Gleichzeitig berichten die Anlaufstellen von einer hohen Auslastung. In Zürich bieten etwa Studierende ein Sorgentelefon an, bei dem auch Forschende anrufen können.

Enttabuisierung von psychischen Problemen

Dass sich hier tendenziell immer mehr Menschen melden, liege aber nicht unbedingt daran, dass immer mehr Forscherinnen und Forscher psychische Probleme hätten, vermutet Lynn Bürge, die Vizepräsidentin. «Es könnte auch daran liegen, dass es heute gesellschaftlich akzeptierter ist, über Probleme zu sprechen und sich Hilfe zu suchen.»

Auf der einen Seite scheint es also einen Wandel zu geben, eine Enttabuisierung von psychischen Problemen. Doch die Umfrage von Actionuni und die Recherche drumherum zeigen auch: In der Forschung gibt es eine Häufung von Risikofaktoren, die psychische Erkrankungen begünstigen.

Echo der Zeit, 2.12.2025, 18 Uhr; sten

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