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Blick in einen Hörsaal mit gemischtem Publikum jeden Alters.
Legende: Die europäische Patientenakademie verfolgt hehre Ziele, denen Kritiker nur bedingt Glauben schenken. imago

Umstrittene Patientenschulung – Wer profitiert von EUPATI?

Emanzipation dank Information: Die europäische Patientenakademie EUPATI will nun auch in der Schweiz aus Laien Experten machen, so dass diese auf Augenhöhe mit Fachleuten der Pharma und Hochschulen für ihre Anliegen einstehen können. Doch Kritiker fürchten eine Beeinflussung durch die Industrie.

Wer versteht schon, wie Medikamente entwickelt werden? Wer darüber entscheidet, was erforscht wird und welche Studien es braucht, bis ein Wirkstoff als Arzneimittel in der Apotheke zu kaufen ist? Nicht nur für Laien sind die Prozesse der Medikamentenzulassung schwierig zu durchschauen. Doch für diese ganz besonders.

Gegen diese spezifische Form der Ohnmacht hilft EUPATI. So jedenfalls sehen es die Initianten der « Eu ropäischen Pa tientenakademie für t herapeutische I nnovation». Sie wollen Patientenvertreter gezielt informieren und schulen, damit sie zum Beispiel die Nützlichkeit von Therapien beurteilen, Qualität klinischer Studien abschätzen, Patientenwünsche während des Entwicklungsprozesses rechtzeitig einbringen und ethische Fragestellungen identifizieren und beantworten können.

Doch Kritiker monieren, dass EUPATI intransparent und der Einfluss der mitwirkenden Pharma-Industrie auf die Ausbildung der Patientenvertreter unklar sei. Sie befürchten, dass die Patientenschulung im Sinn der Industrie gestaltet wird.

Dass Patientenvertreter also beeinflusst werden und die Patientenakademie statt aufgeklärter Laien Pharmabotschafter hervorbringt, die weniger die Interessen der Patienten als die der Industrie vertreten – und dieser beispielsweise die Rekrutierung von Versuchspersonen erleichtern oder die schnellere Zulassung von Medikamenten.

Pharmakonzerne stark vertreten

So monierte das renommierte deutsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) schon vor vier Jahren, die enge Einbindung der Industrie sei riskant. Das IQWiG trat in der Folge aus wissenschaftlichen Beirat der Initiative aus. Tatsächlich ist die Pharma-Industrie mit immerhin 18 Konzernen bei EUPATI vertreten. EUPATI ist unter anderem deshalb eines der umstrittensten Teilprojekte der milliardenschweren europäischen «Innovative Medicines Initiative» IMI, in deren Rahmen Pharmakonzerne und Hochschulen die Entwicklung neuer Medikamente vorantreiben sollen.

Ingrid Klingmann, Co-Leader von EUPATI Europa, kennt die Bedenken. Doch Klingmann versichert, das Bildungsmaterial sei von so vielen Instanzen geprüft worden, dass eine Verzerrung des Bildungsmaterials bestimmt entdeckt worden wäre. Sie selber steht der Pharma durchaus nahe. Die ehemalige Ärztin berät heute Pharmafirmen und akademische Forschungsinstitute bei Studien- und Medikamentenzulassungen.

Landesplattform Schweiz lanciert

Trotz aller Kritik und Skepsis hat das europäische EUPATI-Projekt seit kurzem nun auch eine Schweizer Variante. Die nationale EUPATI-Plattform soll interessierte Laien und Vertreter von Patientenorganisationen über die spezifisch Schweizerischen der Medikamentenzulassung informieren. So dass die Geschulten zum Beispiel dereinst fit genug sind, um in Ethik-Kommissionen mitwirken können.

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Initiant von EUPATI Schweiz ist Hansruedi Voelkle. Er engagiert sich im Positivrat, einer HIV-Patientenorganisation. Voelke ist sich des Risikos einer möglichen Einflussnahme durch die Pharmaindustrie durchaus bewusst: «Aber wir sind ja nicht nur mit der Pharma in Kontakt, sondern auch mit Forschungsinstitutionen ausserhalb der Industrie. Wir hoffen, dass uns eine objektive Patientenschulung gelingt.»

Auch Peter Lack, Geschäftsführer der Patienten-Dachorganisation «Kinderkrebs Schweiz» und Absolvent des ersten EUPATI-Lehrgangs weiss, dass Laien nur schwer erkennen, wenn die Ausbildung nicht objektiv ist: «Für naturwissenschaftliche Laien, wie ich es einer bin, ist es natürlich schwer zu durchschauen, wenn die gelieferten Informationen nicht objektiv sind. Aber ich habe Kenntnisse, was die ethischen Belange angeht. Und es gibt natürlich auch Patientenvertreter, die einen Live-Science-Background haben. Man sollte die Kompetenzen, die da zusammenkommen nicht unterschätzen.»

Ob das Bildungsangebot der Patientenakademie Schlagseite hat, wird sich zeigen. Man sei momentan daran das Ende Januar aufgeschaltete Arbeitspaket zu prüfen, heisst es etwa beim IQWiG.

Gleiche Ziele, unterschiedliche Motive

Die Skepsis angesichts des prominenten Engagements der Pharma-Branche bei EUPATI mag reflexartig wirken. Denn natürlich ist es nicht a priori schlecht, wenn die Arzneimittelhersteller die Patientenschulung unterstützen.

Aber es ist ganz klar: Die Industrie hat Interesse daran, dass ihre Wirkstoffe schneller zugelassen werden; und gerade das möchten auch viele Patienten beziehungsweise Patientenorganisationen: Wenn man leidet, wenn vielleicht sogar der Tod droht, wollen die meisten so schnell wie möglich Hilfe – das heisst unter Umständen schnellere Zulassungsverfahren.

Am Gründungsanlass von EUPATI Schweiz wurde unter anderem deutlich, dass Patientenvertreter die ethischen Abklärungen im Zusammenhang mit klinischen Versuchen und der Zulassung von Medikamenten als Hindernis empfinden. Obwohl Ethikkommissionen gerade auch zum Schutz von Patienten und Versuchspersonen ins Leben gerufen wurden. Im Fall von EUPATI zeigt sich, dass Pharmaindustrie und Patientenorganisationen oft dieselben Interessen verfolgen. Aber die zugrunde liegenden Motive sind längst nicht immer dieselben. Es besteht also durchaus die reale Gefahr, dass Patienten tatsächlich nicht immer in ihrem Sinn handeln.

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