Es ist eine Erfolgsgeschichte: Von einer tödlichen Seuche ist HIV zu einer behandelbaren Krankheit geworden. Doch der Erfolg ist gefährdet. Anlässlich des Welt-Aids-Tags blickt SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel zurück und erklärt, wo wir heute in der Schweiz stehen.
Welche Erfolge konnten in den letzten Jahren rund um die Bekämpfung von HIV erzielt werden?
Vom absolut sicher tödlichen Virus vor 40 Jahren zu einer Infektion, die mit den richtigen Medikamenten beherrschbar geworden ist – die Grundlage sind wissenschaftliche Erfolge, die alles andere als selbstverständlich waren: Medikamente, Tests und die Entdeckung, dass Menschen, die mit HIV infiziert sind und die richtigen Medikamente bekommen, nicht mehr ansteckend sind. So entstand das Ziel, möglichst alle Infizierten zu finden und von den Infizierten möglichst alle mit wirksamen Medikamenten zu versorgen. Das war harte Arbeit und ist in den letzten Jahren immer besser gelungen. In Südafrika wussten 2024 95 Prozent aller Infizierten um ihre Infektion, und 80 Prozent bekamen Medikamente. Südafrika steht exemplarisch für viele andere Länder. Das Ergebnis: Seit 2004/2005 sind die Totenzahlen weltweit kontinuierlich gesunken.
Welche Probleme bestehen immer noch?
Ein Knackpunkt bei HIV: Infizierte tragen das Virus ein Leben lang in sich. In schwer betroffenen Ländern wie Südafrika leben etwa 18 Prozent der Erwachsenen mit dem Virus, in Uganda sind es 5 Prozent. Diese Zahlen zu senken, wird sehr lange dauern. In der Zwischenzeit gilt: Wenn Menschen ihren Infektionsstatus mangels Tests oder mangels Aufklärung nicht kennen und wenn Infizierte, die ihren Status kennen, keine Medikamente bekommen, flammt erstens die Epidemie sehr schnell wieder auf und zweitens werden rasch wieder mehr Menschen an HIV sterben.
Die USA froren Anfang Jahr vorübergehend alle Zahlungen im Zusammenhang mit HIV ein. Was bedeutet das?
Rund drei Viertel aller Gelder für HIV-Programme weltweit stammen von den USA. Auch der Global Fund für Aids, Tuberkulose und Malaria hat in der jüngsten Finanzierungsrunde wesentlich weniger Geld bekommen als in den Jahren davor – wobei hier die USA weiterhin einen relativ hohen Anteil bezahlen. Nach offiziellen Angaben entspreche die Arbeit des Global Funds den neuen Zielen der amerikanischen Politik. Die Ungewissheit ist gross im Moment. Klar ist: Brechen die Gelder ganz oder teilweise weg, erreichen die medizinischen Fortschritte nicht mehr die Menschen.
Wo stehen wir heute in der Schweiz? Sinken die Fallzahlen?
In der Schweiz steckt sich grob gesagt nach wie vor jeden Tag eine Person mit HIV an. Betroffen sind vor allem bestimmte Bevölkerungsgruppen, wie beispielsweise Männer, die Sex mit Männern haben und dabei häufig ihre Partner wechseln. Nach Experteneinschätzung geschehen die Ansteckungen in einem Bereich, wo die bisherigen Methoden, um HIV zurückzudrängen, nicht so gut greifen. Seit fünf Jahren sind Medikamente, die vor dem Sex eingenommen werden und vor einer Ansteckung schützen, auch in der Schweiz verfügbar. Seit 2024 werden sie zumindest zum Teil über die Krankenkasse vergütet. Länder oder Städte, die ihre Ansteckungen noch weiter oder ganz auf null heruntergebracht haben, setzen auf gezielte Angebote, bei denen diese Medikamente niederschwellig abgegeben werden. Auch die nationale Strategie für die Schweiz sieht neu vor, die Neuansteckungen mit HIV bis 2030 auf null zu bringen. Gleichzeitig wurden die finanziellen Mittel von Bund und Kantonen für entsprechende Programme gesenkt.