Die Schule Uetikon am See ist eine recht typische Sekundarschule: Es gab Fälle von Mobbing, manche Kinder klagen über Leistungsdruck, in einigen Klassen könnte das Klima besser sein.
Was die Schule jedoch eher untypisch macht, ist die Art, wie sie diese Themen angeht: Sie fragt die Schülerschaft: Was braucht es an unserer Schule für Veränderungen, damit ihr euch wohlfühlt und gut lernen könnt?
Kinder wissen sehr genau, was sie brauchen
Um darauf eine Antwort zu finden, sitzen Mitte November rund 120 Schülerinnen und Schüler und etwa 20 Lehrpersonen in einem grossen Workshop zusammen. Die Hoffnungen sind gross, weil der letzte so erfolgreich war.
Dieser letzte – und erste – Workshop fand vor zwei Jahren statt und die Schülerinnen und Schüler konnten damals wichtige Veränderung bewirken. Ihr Unterricht fängt seitdem montags und freitags eine Schulstunde später an. Das nimmt Druck weg.
Zwei Schülerinnen berichten davon voller Stolz und Schulleiterin Susanne Blesi nutzt die Gelegenheit, um zuzuhören. «Die Kinder merken, dass sie eine Stimme haben – und dass es etwas bewirken kann, seine Meinung zu sagen», das sei Lebensschule.
Partizipation als Werkzeug fürs Leben
Die Mitbestimmung hielt mit der Ratifizierung der Kinderrechte 1997 Einzug in die Schweizer Schulen und wurde im Lehrplan 21 weiter konkretisiert. Sie gehöre zu den wichtigsten Prinzipien einer zukunftsgerichteten Schule, sagt Enikö Zala-Mezö, Professorin für Schulentwicklung an der Pädagogischen Hochschule Zürich
Durch die Partizipation lernten die Kinder nicht nur, mündige Bürgerinnen und Bürger zu werden. Mitbestimmung heisse auch, so Enikö Zala-Mezö: «Selbständige Meinungsbildung, kritisches Denken, Resilienz, Kooperation und Dialogfähigkeit auch mit anders denkenden Menschen». Alles Fähigkeiten, die Kinder heute brauchten, um mit den gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft umgehen zu können.
Forschungsergebnisse zeigen zudem: Die Beziehung zwischen Schulkindern und Lehrpersonen verbessert sich, wenn Schülerinnen und Schüler in Entscheidungsprozessen zu pädagogischen Fragen eingebunden werden – und das wirkt sich positiv auf die Lernprozesse aus. Sich ungehört oder ungerecht behandelt zu fühlen, kann schnell dazu führen, Schule allgemein nicht zu mögen – mit allen Konsequenzen für die Zukunft.
Klare Wünsche – und klare Lösungen
Im heutigen Workshop an der Sekundarschule Uetikon rauchen die Köpfe: Was läuft gut an unserer Schule (selbständiges Lernen, Klassenlager, gemeinsames Silvester!) – und wie können wir dafür sorgen, dass es so bleibt?
Dann geht es ans Eingemachte: Welche Momente gab es, wo ihr euch unwohl gefühlt habt – und wie können wie das ändern?
Die Schülerinnen und Schüler sind erstaunlich offen und suchen gleich nach Lösungen: Klare Regeln für mehr Respekt; Ansprechen, wenn jemand ausgeschlossen wird; mehr Zeit zwischen den Inputs der Lehrpersonen. Die Kinder wissen sehr genau, was sie brauchen, um ihr Lernumfeld zu verbessern.
Nach vier arbeitsreichen Stunden ist das Hauptbedürfnis herausgeschält: Das Klassenklima und der Zusammenhalt an der Schule sollen verbessert werden. 23 Kinder erklären sich bereit, die vorliegenden Lösungsvorschläge auszuarbeiten und sich darum zu kümmern, dass sie umgesetzt werden.
Kurz vor 12 Uhr, der Lärmpegel steigt. Vor allem die Jüngeren mögen nicht mehr. Partizipation ist anstrengend – und sie muss gelernt werden. Der Workshop ist vorbei, jetzt ist erstmal Mittagspause und die wird wohl nicht so bald abgeschafft werden.