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Wir Menschen und die Ozeane Warum wir alle ans Meer möchten

Das tiefe Blau, die säuselnden Wellen und der weite Horizont locken Menschen weltweit ans Meer. Was hinter dieser Faszination steckt.

Den Blick übers glitzernde Blau schweifen lassen und dabei dem unendlichen Wellenrauschen lauschen: Das hat eine ganz besondere Wirkung auf uns Menschen. Und so verbringen viele ihre Ferien oder Freizeit am liebsten am Meer. Doch warum ziehen uns diese riesigen Wassermassen fast magisch an? Genau damit befassen sich immer mehr Forschende aus der Umweltpsychologie. So auch Sandra Geiger der Universität Wien, die mit ihren Kolleginnen und Kollegen kürzlich eine Studie dazu veröffentlicht hat.

Im Rahmen eines EU-finanzierten «Horizon 2020»-Projekts wurden über 15'000 Menschen in 14 europäischen Ländern und Australien zu deren Gesundheit in Bezug zu Meeraufenthalten befragt. Die eindeutigen Ergebnisse: «Menschen fühlen sich gesünder und besser, wenn sie Zeit am Meer verbringen können», sagt Studienmitautorin Geiger. Und dies gilt für alle Länder und Einkommensklassen.

Lieber Blau als Grün

Auch Menschen aus dem Binnenland Tschechien schätzen Meeraufenthalte als gesundheitsfördernd ein. Italienerinnen und Italiener hingegen etwas weniger. Gründe dafür könnten sein: «Die Küsten sind oftmals verbaut, Strände privatisiert oder von Touristen überfüllt.» Daher plädiert Geiger dafür, Strände für die breite Bevölkerung zugänglicher zu machen.

Aufenthalte am Meer wirken sich positiv auf unsere Psyche aus.
Legende: Dem Meer lauschen für die Seele Ein Aufenthalt am Meer wirkt sich positiv auf unsere Psyche aus. Imago / Wirestock

Eine gute Nachricht für Schweizerinnen und Schweizer: Die Umweltpsychologin geht davon aus, dass dieser positive Effekt auf die Gesundheit generell für Besuche am Wasser gilt. Der Blick auf einen See oder aufs Meer kann Stress reduzieren und die Stimmung heben . Die vielfältigen Nuancen von Blau werden gar Parks, Wälder oder anderen Grünflächen bevorzugt.

Lieber in die Berge oder ans Meer?

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Einer US-amerikanischen Studie zu Folge ist es eine Charakterfrage , in welcher Umgebung man sich am wohlsten fühlt. Die Untersuchung legt nahe, dass introvertierte Menschen lieber in die Berge gehen statt ans Meer. Extrovertierte hingegen bevorzugen das Meer, insbesondere wenn sie unter Leute kommen wollen. Laut der Studienautoren könnten diese unterschiedlichen Vorlieben damit zusammenhängen, dass Extrovertierte der Meinung sind, in den Bergen sei es schwieriger, Spass zu haben.

Muscheln suchen, Sandburgen bauen oder schnorcheln: Solche Erfahrungen als Kind beeinflussen die Beziehung zum Meer bis ins Erwachsenenalter . Der Ozean wird auch später im Leben mit Entspannung verbunden.

Diese Anziehungskraft von Wasser hänge eng mit Erwartungen und Erfahrungen zusammen, sagt Sandra Geiger. Einerseits der soziale Aspek t, denn viele gehen mit Familie oder Freunden ans Meer. Andererseits die sportlichen Aktivitäten wie Spazieren , Surfen, Radfahren oder Tauchen, die unserer Gesundheit guttun. Aber auch die bessere Luftqualität, die Geräuschkulisse und die Ästhetik seien wichtige Wohlfühl-Faktoren. «Es scheint, als würden Menschen intuitiv wissen, dass ihnen Ausflüge ans Wasser guttun.»

Natur statt Medikamente verordnen

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Menschen profitieren gesundheitlich davon, wenn sie aufs Wasser schauen, im Wald spazieren oder sich im Garten betätigen. Das könne Krankheiten wie Diabetes oder Herzerkrankungen lindern oder gegen Depressionen oder Einsamkeit helfen, wie immer mehr Studien belegen. Daraus entstehen auch neue therapeutische Ansätze. Beispielsweise das sogenannte «nature based social prescribing». Salopp gesagt, werden Spaziergänge in der Natur oder Arbeit in einem Gemeinschaftsgarten verschrieben anstelle von Medikamenten. Wie gut solche naturbasierten Therapien funktionieren und bei wem sie Anklang finden, damit befasst sich das Folgeprojekt der Forschungsgruppe der Universität Wien

Doch die riesigen Wassermassen können auch stürmisch und damit gefährlich für uns sein. «Das Urelement Wasser wird in der Literatur als ebenso schön wie bedrohlich beschrieben», sagt Christoph Riedweg, emeritierter Professor für klassische Philologie an der Universität Zürich. Diese Ambivalenz ist bereits in Schriften und Gedichten der Antike zu finden, wo von todesmutigen Schiffsfahrten erzählt wird und die Meereswogen als Sinnbild für hereinbrechendes Unglück dienten. So galt das Meer bei den Griechen, aber auch in anderen Kulturen teilweise als Ort des Schreckens, als unberechenbar und launenhaft.

Seefahrt als Metapher fürs bewegte Leben

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Das Meer stellt eine weit verbreitete Metapher für das bewegte Leben dar. Die beschwerliche Seefahrt mit all ihren Gefahren wird als Synonym für Herausforderungen und Entscheidungen gebraucht, denen sich Menschen im Verlaufe des Lebens stellen. Der geläufige Satz dazu lautet: «Das Leben ist eine Odyssee.» Dies bezieht sich auf das Werk des griechischen Dichters Homer namens «Odyssee». Darin beschreibt er die zehnjährige Heimreise des griechischen Helden über das Meer.

Ein Teil davon ist hängen geblieben: Menschen wissen bis heute um die Risiken des Meeres. Beispielsweise haben sie Angst, zu ertrinken, wie eine grosse Befragung in Europa zeigt. So werden nicht nur Begriffe wie «majestätisch» oder «schön» mit dem tiefen Blau assoziiert , sondern auch Sorgen wegen der Verschmutzung und Zerstörung der Lebensgrundlage geäussert.

Das widerspiegelt die jahrtausendealte Abhängigkeit. Ozeane stabilisieren nicht nur das Klima, sondern liefern auch Nahrung und Energie. «Dieser Nutzen sowie Neugierde trieben Menschen immer wieder aufs Meer hinaus», sagt Riedweg.

Treffpunkt Radio SRF 1, 10:30 Uhr, 07.08.23 / Online Talk SRF 1, 19:10 Uhr, 07.08.23

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