Elektro-Trottinetts sind schnell und beliebt – besonders bei jungen Erwachsenen. Doch die Unfallzahlen steigen an: In der Schweiz verletzten sich 2024 laut Strassenverkehrsunfall-Statistik 595 Lenkende und Mitfahrende von E-Trottinetts bei einem Unfall, vier Jahre zuvor waren es noch 194.
Der Genfer Orthopäde Gregory Cunningham spricht von einer «explosionsartigen Zunahme der Unfälle», die teils schwerwiegende Folgen haben.
Ein Leben verändert in Sekunden
Ein besonders eindrücklicher Fall ist jener von Samuel. Der damals 30-Jährige stürzt 2021 in Lausanne mit seinem E-Trottinett – ohne Helm, bei nasser Fahrbahn und unter Alkoholeinfluss.
Der Aufprall mit dem Kopf ist so heftig, dass aufgeschreckte Nachbarn den Notruf wählen. Im Universitätsspital Lausanne verschlechtert sich sein Zustand rasch. Samuel hat ein schweres Schädel-Hirn-Trauma.
Operation am offenen Schädel
Die Ärzte müssen die Schädelkalotte entfernen, um den steigenden Hirndruck zu senken. «Wenn das Gehirn anschwillt und man nicht operiert, stirbt der Patient», erklärt Neurochirurg Constantin Tuleasca.
Ich musste jeden Tag aufs Neue realisieren, dass ich einen Unfall hatte.
Nach der Operation wird das entnommene Stück Schädelknochen tiefgefroren. Wochen später, wenn sich der Hirndruck wieder normalisiert hat, kann es wieder eingesetzt werden.
Häufig unterschätzte Risiken
Die Risiken sind real und werden dennoch häufig unterschätzt. Viele Fahrer verzichten auf Schutzmassnahmen wie Helm oder Beleuchtung. «Das Trottinett ist wie eine Art Spielzeug, weshalb sich viele Lenker der Gefahren nicht bewusst sind», erklärt Orthopäde Cunningham.
Neben dem persönlichen Leid sind auch die Kosten für die Gesellschaft wegen Arbeitsausfällen, teuren Behandlungen und langen Rehabilitationszeiten hoch. Denn häufig verunfallen Menschen wie Samuel, die mitten im Berufsleben stehen.
Schritt für Schritt zurück ins Leben
Samuel liegt wochenlang im künstlichen Koma. Als er aufwacht, erkennt er weder die Pfleger noch versteht er, was passiert ist. «Ich musste jeden Tag aufs Neue realisieren, dass ich einen Unfall hatte», erzählt er.
Ich musste Dinge wie Anstand und Zurückhaltung neu lernen.
Die Erinnerung kehrt nur langsam zurück. Auch seine Persönlichkeit hat sich wegen des Schädel-Hirn-Traumas verändert: Er spricht impulsiv, äussert ohne Filter, was ihm gerade durch den Kopf geht.
Langfristige Folgen
Vier Wochen verbringt er im Universitätsspital Lausanne, danach folgen Monate der Rehabilitation. «Ich musste Dinge wie Anstand und Zurückhaltung neu lernen», erinnert sich Samuel.
Drei Jahre später lebt Samuel bei seinen Eltern. In einem 40-Prozent-Pensum kümmert er sich um die Webseite eines Geschäfts. Er leidet weiterhin unter chronischer Müdigkeit, Konzentrationsproblemen und emotionaler Instabilität.