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Erdbeben Türkei: Wie sicher sind Schweizer Bauten?
Aus Einstein vom 11.05.2023.
Bild: SRF/Jörg Niggli abspielen. Laufzeit 36 Minuten 15 Sekunden.
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Erbebensicher bauen Unklares Erdbebenrisiko bei vielen Schweizer Wohnhäusern

Vier von fünf Wohnbauten in der Schweiz wurden vor den modernen Baunormen für Erdbebensicherheit erstellt. Ihre Sicherheit ist unklar. Ein zusätzlicher Risikofaktor ist die Bodenverstärkung, die weite Siedlungsgebiete der Schweiz betrifft.

Über 300'000 Gebäude sind beim schweren Erdbeben in der Südtürkei und Syrien eingestürzt. Rund 60'000 Menschen starben, die meisten in den Trümmern ihrer Häuser. Es war damit das verheerendste Beben in der Türkei seit über 1000 Jahren.

Die Erdbebenkatastrophe hat auch Schweizer Hausbesitzerinnen und -besitzer aufgeschreckt: Es habe vermehrt Anfragen gegeben,wie Häuser auf Erdbebensicherheit überprüft werden können, sagt Pia Hannewald, Präsidentin der Gesellschaft für Erdbebeningenieurwesen SGEB.

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Verheerende Schäden bei Erdbeben in der Türkei
Aus Wissen vom 19.05.2023.
Bild: srf abspielen. Laufzeit 2 Minuten 19 Sekunden.

«Zum Teil ist bei Gebäudeeigentümern das Bewusstsein noch nicht da, dass sie für die Sicherheit ihres Gebäudebestands verantwortlich sind und damit auch für die Erdbebensicherheit», so Hannewald. Ausnahmen seien das Wallis oder der Raum Basel, die als Erdbebenrisikogebiet gelten.

Insgesamt ist die Gefahr für schwere Erdbeben in der Schweiz zwar nicht so hoch wie in der Türkei. Doch «Schadensbeben» können sich laut dem Erdbebendienst SED hierzulande alle rund 100 Jahre ereignen.

Risikofaktor: Bauen auf weichem Boden

Ein letztes Beben dieser Klasse gab es 1946 in Sierre. Es kam zu Gebäudeschäden in Millionenhöhe, vier Menschen starben. Heute würde ein vergleichbares Beben der Stärke 5.8 viel mehr Schaden anrichten, denn die Schweiz ist deutlich dichter besiedelt. Zudem hat sich die Siedlungsfläche auf Böden ausgedehnt, die Erdbebenwellen verstärken.

Beim Erdbebendienst SED hat Paolo Bergamo während fünf Jahren kleine und kleinste Beben der vergangenen 20 Jahre ausgewertet. Dabei hat er untersucht, wie sich die Beben auf unterschiedlichen Bodenstrukturen auswirken. Die Erkenntnis: Auf weichen Böden kann sich ein Beben bis auf das Zehnfache verstärken. Davon betroffen sind Gebiete entlang von Flüssen oder Seeufern, wo in den Nachkriegsjahren viele Wohngebiete entstanden sind.

Baunormen: erst spät eingeführt

Kommt hinzu: Beim Bau von Häusern wurde früher kaum auf Erdbebensicherheit geachtet. 1989 gab es erste Normen, die aber teils wenig beachtet wurden. Erst seit 2003 gibt es moderne Normen (SIA 261), die verhindern sollen, dass ein Gebäude bei einem mittelschweren Beben einstürzt. Was davor erstellt wurde – über 80 Prozent der Wohnhäuser –, ist laut Blaise Duvernay, Leiter Erdbebenvorsorge beim Bundesamt für Umwelt (Bafu), «eine grosse Unbekannte».

Würde sich heute ein starkes Erdbeben wie 1356 in Basel ereignen, wären die Folgen fatal: «Einstürze, Todesfälle, Schwerverletzte, eine grosse Anzahl von Obdachlosen würde man auch in der Schweiz sehen», sagt Duvernay. Trotz dieser Gefahr setzt man nicht auf staatliche Vorschriften oder Kontrollen, wie sie beim Brandschutz üblich sind. In der Verantwortung stehen die einzelnen Gebäudebesitzerinnen und -besitzer. An ihnen liegt es, ihre Gebäude auf Erdbebensicherheit zu überprüfen und falls nötig entsprechend zu verstärken.

Prinzip Eigenverantwortung

Entsprechende Normen dafür gibt es seit 2017 (SIA 269/8): Sie sehen vor, dass die Erdbebensicherheit von Altbauten nicht zwingend der eines Neubaus entsprechen muss. Eine Überprüfung und Nachrüstung wird aber bei grösseren Sanierungsarbeiten empfohlen. Noch gibt es erst wenige Kantone, die in ihren Bauvorschriften explizit darauf hinweisen. An der Verantwortung der Besitzerinnen und Besitzer ändert das nichts.

Einstein, 11.05.2023, 21:05 Uhr

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