Wenn Oskar Norelius an Holz denkt, sieht er eine ganze Stadt vor sich. Der 40-jährige Architekt aus Stockholm arbeitet derzeit an der Stadt-Vision von morgen: ein ganzes Quartier – komplett mit Holz gebaut.
Die Menschen müssen diese Vision erst begreifen, damit sie sie mittragen können.
Im Stadtteil «Sickla», im Südosten Stockholms, entsteht auf einer riesigen Fläche von 250’000 Quadratmetern Gebäude um Gebäude ein neuer Stadtteil in Holzbau: 7000 neue Arbeitsplätze, 2000 neue Wohnungen. Es wird das grösste Holz-Quartier in einer Stadt weltweit.
Wir nennen das die 5-Minuten-Stadt, weil alles so schnell erreichbar sein wird.
«Es ist riesig – und ein grosser Challenge. Das hat man noch nirgends auf der Welt gemacht. Die Menschen müssen diese Vision erst begreifen, damit sie sie mittragen können», sagt Norelius.
«Wood City» – ein Stadtteil in Holz entsteht
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                Bild 1 von 6. Der Stadtteil «Sickla» im Südosten Stockholms wird sich bis 2030 in ein riesiges Quartier in Holz verwandeln. Bildquelle: SRF.
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                Bild 2 von 6. Vision in Holz: Riesige Holz-Gebäude zum Arbeiten und Shoppen. Bildquelle: Henning Larsen.
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                Bild 3 von 6. Ein Stadtteil transformiert sich komplett in Holz: 7000 neue Arbeitsplätze, 2000 neue Wohnungen. Bildquelle: Henning Larsen.
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                Bild 4 von 6. Ganze Strassenzüge verändern ihr Bild. Heute ist das Quartier von Minenbau und Fabriken geprägt. Bildquelle: Henning Larsen.
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                Bild 5 von 6. Eine erste Wohnsiedlung der «Wood City» steht bereits: «Nobel Hill». Bildquelle: SRF.
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                Bild 6 von 6. Alles in Holz auf dem «Nobel Hill», sogar die Treppenhäuser der Mehrfamilien-Blöcke. Bildquelle: SRF.
Schweden macht nachhaltigen Holz-Grossbau vor
2021 hat Norelius im Norden Schwedens bereits das legendäre «Sara Kulturhus» gebaut. Es gilt als absoluter Vorzeige-Holzbau in Sachen CO₂-Effizienz und Nachhaltigkeit.
Das legendäre «Sara Kulturhus»
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                Bild 1 von 3. Vorzeige-Nachhaltigkeit in Holz von 2021: «Sara Kulturhus», Skellefteå, Schweden. Bildquelle: Patrick Degerman.
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                Bild 2 von 3. Die Konzerthalle in Holzbau, 2021. Bildquelle: David Valldeby.
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                Bild 3 von 3. Hotel im Holzhochhaus «Sara Kulturhus», Skellefteå, Schweden. Bildquelle: Jonas Westling.
20 Stockwerke hoch, mit integriertem Hotel, Kongress- und Konzerthaus. Brett-Sperrholz mit riesigen neuen Spannweiten, etwa im neuen Konzertsaal. Es sind ganz neue Dimensionen.
Die 5-Minuten-Stadt
«Wood City» wird mit lokalem Holz aus den umliegenden Wäldern gebaut. Mit dem Umbau eines ganzen Stadtviertels in Holz stellen sich auch ganz andere Fragen als bei einem einzelnen Bau.
«Mit Wood City müssen wir ein ganzes Ökosystem andenken: Arbeiten, Wohnen, Leben. Das bedeutet eben auch Shopping in der Nähe, und Kindergärten und Schulen, öffentliche Plätze, Kulturangebot. Wir nennen das die 5-Minuten-Stadt, weil alles so schnell erreichbar sein wird», so Norelius.
Wir bauen das Quartier mit Holz um und achten darauf, die beste Klimabilanz zu erzielen.
Norelius: «80 Prozent des Materials aus dem Wald geht heute in kurzlebige Produkte wie Papierbecher, Zellulose oder Heizenergie. Es gibt ein grosses Potential, das, was wir aus dem Wald herausholen, lieber zu verbauen. Gleichzeitig drängen wir unsere Zulieferer aus der Waldwirtschaft, den daraus entstehenden Impact auf die Biodiversität des Waldes weiter gut zu überwachen.»
Ein Vorbild für den Schweizer Städtebau?
Olin Bartlome, Bauingenieur und Holz-Experte des Schweizer Forschungsnetzwerks «Swiss Wood Innovation Network» begleitet das «Einstein»-Team in Stockholm. Wäre ein solcher Gross-Umbau in Holz auch in der Schweiz denkbar?
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                Bild 1 von 2. Olin Bartlome, Bauingenieur und Holz-Experte vom «Swiss Wood Innovation Network», im Gespräch mit «Einstein»-Moderatorin Kathrin Hönegger in Stockholm. Er sieht Potenzial im Holzbau in der Stadt – auch in der Schweiz. Bildquelle: SRF.
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                Bild 2 von 2. Oskar Norelius, 40, Architekt und Projektleiter von «Wood City» Stockholm, im Gespräch mit «Einstein»-Moderatorin Kathrin Hönegger. Bildquelle: SRF.
«Absolut. Auch in Bezug auf die Nachhaltigkeit. Unser bestehendes Waldgesetz stellt sicher, dass nie mehr Holz aus den Wäldern genommen würde als wieder nachwachsen würde. Zudem baut man in Stockholm so, wie es auch in der Schweiz am meisten Potenzial hätte: Aufstockungen von Bestandsbauten, mit Holz.»
Wir haben heute ein Potenzial von rund drei Millionen Kubikmetern an zusätzlichem Holz, das wir noch nicht nutzen im Bau.
«Wenn man in der Schweiz ganze Stadtteile so andenkt, dann müsste das sicher auch mit Holz aus dem Ausland realisiert werden», sagt Bartlome.
Grosses Potenzial im Holzbau
Bartlome rechnet vor: «Wir haben heute im Wald rund drei Millionen Kubikmetern an zusätzlichem Holz, das wir noch nicht nutzen im Bau». Und das entspricht doppelt so viel wie heute in der Schweiz jährlich in Holz gebaut wird.
Wenn man bedenkt, dass jeder Kubikmeter Holz etwa eine Tonne CO₂ bindet, dann ist das Nachhaltigkeitspotenzial mit Holz riesig.
In «Sickla» sind die ersten Wohnsiedlungen bald bezugsbereit; Wohnraum für die ersten paar hundert Menschen im neuen Holz-Quartier. Die Transformation in einen Holz-Stadtteil wird aber bis mindestens 2030 dauern.
