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Biodiversität Wie bringt man Feldhase und Feldlerche zurück auf den Acker?

Nirgendwo geht die Zahl der Arten so stark zurück, wie auf Feldern und Wiesen. Ein Projekt aus dem Kanton Schaffhausen zeigt, wie es anders geht.

Ende der 1980er-Jahre wurde Markus Jenny von der Vogelwarte Sempach in den Kanton Schaffhausen geschickt, genauer in den Klettgau, eine weite Ackerlandschaft. «Hier lebten damals die letzten Rebhühner», sagt Jenny, während über ihm die Feldlerchen jubilieren.

Lächelnder Mann hält einen Hasen im Freien.
Legende: Markus Jenny von der Vogelwarte Sempach hat 40 Jahre geforscht und gekämpft, damit Hasen und Lerchen ihren Platz auf den Feldern behalten können. zvg

Der Biologe suchte nach Bauern, die gegen eine Entschädigung einen Teil ihrer Ackerfläche nicht mehr mit Gerste oder Weizen bebauten, sondern sogenannte Biodiversitäts-Förderflächen anlegten.

Ein modernes Gerstenfeld ist so dicht bewachsen, dass eine Feldlerche gar nicht mehr drin brüten kann
Autor: Markus Jenny Biologe, Vogelwarte Sempach

Das sind Streifen im Ackerland, auf denen bunte Blumen, Kräuter und niedrige Hecken wachsen. Diese Flächen dienen als Rückzugs- und Brutort für die Tiere. «Denn ein modernes Gerstenfeld ist so dicht bewachsen, dass eine Feldlerche gar nicht mehr drin brüten kann», erzählt Markus Jenny, der seit Kurzem pensioniert ist.

Es braucht mindestens fünf bis zwölf Prozent Fläche für die Tiere

Die Rebhühner, die es vor der Industrialisierung der Landwirtschaft zu Tausenden auf den Schweizer Äckern gab, sind dennoch verschwunden. Es sei nur noch eine kleine Restpopulation gewesen, so Jenny. Ein strenger Winter und der Fuchs machten ihnen den Garaus. Doch andere Arten wie der Feldhase oder die Feldlerche konnten sich halten. «Es gibt hier im Klettgau etwa 130 Brutpaaren auf fünf Quadratkilometern. Das sind mehr Feldlerchen als im ganzen Kanton Zürich und Aargau zusammen.»

Typische Tiere des Ackerlandes

Langjährige wissenschaftliche Bestandsaufnahmen haben gezeigt: Es braucht genügend Biodiversitäts-Förderflächen. «Gut fünf bis zwölf Prozent Fläche müssen es sein», so der Biologe. Andernorts im Klettgau mit nur fünf Prozent ist die Zahl der Feldlerchen und Hasen stark zurückgegangen. Im gesamten Mittelland ist der Bestand in den letzten 30 Jahren um 80 Prozent eingebrochen.

So sehen die Inseln für die Tiere aus

Eine weitere Möglichkeit, die Tiere zu fördern, ist lückiger zu säen, so dass die Getreidefelder nicht überall so dicht wachsen. Und schliesslich können auch alte Getreidesorten wie Emmer oder Einkorn gesät werden. In beiden Fällen gibt es allerdings weniger Ertrag.

Fläche am schattigen Waldrand nützt Feldlerchen nichts

Jenny hat mit diesen Biodiversitäts-Förderflächen die Schweizer Agrarpolitik der letzten Jahrzehnte mitgeprägt. Er sei jedoch enttäuscht vom Bauernverband, der sich dagegen wehre, die Zahl der Fläche auch im guten Ackerland auszubauen: «Es nützt den Lerchen und allen anderen Tieren nichts, wenn diese Flächen irgendwo am schattigen Waldrand, auf Restflächen und vor allem in den Voralpen angelegt werden.»

Das sagt der Schweizerische Bauernverband

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Markus Ritter, Präsident des Schweizerischen Bauernverband, sieht das anders: «Auf den wertvollen Ackerflächen werden Lebensmittel angebaut, da hat Biodiversität sicher nicht Priorität», Die Bäuerinnen und Bauern machten schon heute mehr als genug für die Biodiversität. «Wir haben in der Schweiz auf der Landwirtschaftsfläche bereits 19 Prozent Biodiversitätsförderflächen, gesetzlich vorgeschrieben sind pro Hof nur sieben Prozent.»

Angesprochen auf die Kritik aus Wissenschaft und Naturschutz, dass die Flächen gleichmässiger verteilt werden müssten, so dass sie den Tieren und Pflanzen auch wirklich etwas bringen, sagt er: «Nur 20 Prozent der Fläche in der Schweiz kann man normal landwirtschaftlich nutzen – diese Fläche brauchen wir um die Menschen zu ernähren, hier hat die Lebensmittelproduktion Priorität.» Der Schweizerische Bauernverband bekämpft deshalb den Vorschlag des Bundesrates, den Anteil der Biodiversitätsförderflächen auf Ackerland von knapp 1 Prozent auf 3,5 Prozent zu steigern.

Mit den Bäuerinnen und Bauern gebe es in vielen Fällen immer wieder eine gute Zusammenarbeit, so Markus Jenny. Sein jüngstes Vorzeigeprojekt ist der Hof von Urban und Nadine Dörig auf dem Pachtbetrieb St. Katharinental (TG). Sie haben zehn Prozent Biodiversitätsfläche mitten in den Äckern angelegt und schon nach zwei Jahren ist die Zahl der Insekten deutlich gestiegen. Das zeigt die wissenschaftliche Untersuchung dazu. «Wir brauchen mehr solche Vorzeigebetriebe, die man besichtigen kann», sagt Jenny.

Mann kniet in einem grünen Feld und hält Erde in den Händen.
Legende: Ohne das Engagement der Bauern geht nichts: Urban Dörig, Pächter der Staatsdomäne St. Katharinental TG hat 10 Prozent der Ackerfläche auf seinem Hof für die Wildtiere reserviert. Christian von Burg

Um die Biodiversität auf Äckern und Wiesen gezielt zu fördern, fliessen jedes Jahr knapp 450 Millionen Franken Steuergelder als Direktzahlungen an die Bauern. Trotzdem ist die Zahl der Tier- und Pflanzenarten weiter zurückgegangen. «Das ist stossend», sagt Jenny, «aber was wir im Klettgau zusammen mit den Bäuerinnen und Bauern geleistet haben, darauf bin ich stolz».

Mehr Informationen

Radio SRF 2, Kontext, 23.04.2024, 06:05 Uhr ; 

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