«Das Schicksal der europäischen Vogelpopulationen steht auf dem Spiel», warnt ein europäisches Forschungsteam im Fachjournal «PNAS» . Die Landwirtschaft müsse sich dringend ändern. Warum genau, zeigt die Studie der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler deutlich auf.
25 Prozent weniger Vögel
Das Team untersuchte, wie sich 170 häufig vorkommende Vogelarten an 20'000 Standorten in 28 europäischen Ländern im Zeitraum zwischen 1980 und 2016 entwickelten. Dafür nutzten sie Daten aus dem «Pan-European Common Bird Monitoring Scheme» (PECBMS).
Insgesamt nahm die Anzahl an Vögeln im betrachteten Zeitraum um ein Viertel ab. Besonders betroffen waren Vögel, die in Agrarlandschaften leben – ihr Bestand sank um über 50 Prozent.
Um mehr über die Gründe zu erfahren, nahmen die Forschenden vier potenzielle Stressfaktoren für Vögel unter die Lupe: die Intensivierung der Landwirtschaft (mit hohem Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln), die Urbanisierung, die Änderung der Bewaldung und steigende Temperaturen.
Intensive Landwirtschaft als Hauptgrund
Zwischen den Stressfaktoren und der Entwicklung der Vogelzahlen leiteten die Forschenden dann Zusammenhänge ab. Das Ergebnis: Mit Abstand am stärksten wirkt sich die Ausweitung intensiver Landwirtschaft – insbesondere der Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden – auf die Anzahl der Vögel aus.
Die Studie betrachtet zwar nicht explizit die Effekte von weniger intensiven Landwirtschaftsformen. Allerdings zeigen die Ergebnisse, dass in Ländern, in denen die intensive Landwirtschaft dominiert, die Vogelbestände besonders stark zurückgehen – vor allem in den westeuropäischen Industriestaaten. In Osteuropa sind die negativen Trends bei den Agrarlandvögeln nicht so eindeutig.
Enormer Rückgang in der Schweiz
Ist so ein enormer Rückgang auch in der Schweiz zu beobachten? «Ja, viele Vogelarten sind aufgrund der Intensivierung der Landwirtschaft weitgehend oder ganz verschwunden: Raubwürger, Wiedehopf und Steinkauz zum Beispiel. Aber auch der Bestand von Braunkehlchen oder Feldlerchen geht laufend zurück», so Thorsten Wiegers von der Vogelwarte Sempach.
Bewaldung und hohe Temperaturen
Die drei anderen untersuchten Stressfaktoren, hatten Effekte; wenn auch weniger eindeutige: Die zunehmende Urbanisierung wirkt sich laut Studie negativ aus, allerdings geringer als die Landwirtschaft.
Steigende Temperaturen schadeten besonders den Arten, die niedrige Temperaturen bevorzugen, kamen anderen aber zugute. «Vogelarten wie die Amsel, die in einem grossen Verbreitungsgebiet und mit unterschiedlichen klimatischen Bedingungen zurechtkommen, sind anpassungsfähig. Für Spezialisten wie das Alpenschneehuhn, die jetzt schon am Limit sind, wird es hingegen eng werden», so der Experte.
Was nun?
Wie müssten sich landwirtschaftliche Praktiken ändern, um die negativen Effekte für Vögel zu verringern? «Für uns gilt der aus dem Brutvogelatlas 2013 –2016 abgeleitete Handlungsbedarf», so Wiegers.
Dieses «Grundlagenpapier» zeigt die Situation von Schweizer Vögeln auf und veranschaulicht, wie sich deren Verbreitung in den letzten zwanzig Jahren verändert haben. «Im Landwirtschaftsgebiet leiten sich daraus vier Massnahmen-Bereiche ab», so der Experte. Welche das sind, erfahren Sie in der Box.