In Norddeutschland sterben Tausende Kraniche. Hunderttausende Nutzvögel wurden vorsorglich gekeult. Die Vogelgrippesaison startet dieses Jahr sehr früh. Warum es dieses Jahr die Kraniche trifft und warum die Schweiz bisher weitgehend verschont blieb: Einschätzungen von Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel.
Was passiert gerade in Norddeutschland?
Noch Mitte Oktober war die Lage ruhig. Jetzt - nur zwei Wochen später - eskaliert die Situation: Vor allem Kraniche sterben. Tausende tote Tiere werden von Freiwilligen eingesammelt. Erste genetische Untersuchungen vom europäischen Referenzlabor in Italien zeigen, dass es keine wirklich neue Grippevariante ist, sondern eine, die letzten Winter schon ähnlich zirkulierte. Dass es die Kraniche so hart trifft, liegt wohl weniger an der Virusvariante und mehr daran, dass die Tiere länger wenig Berührung mit dem Virus hatten. Jetzt kommen sie mit dem Vogelzug aus dem Norden in grossen Gruppen und vielen Jungtieren, die nicht immun sind, in ein Gebiet, wo das Virus schon ist. Sie fliegen quasi ein in ein Gebiet, in dem das Virus sie dann erwischt. In Norddeutschland hat es zudem viele grosse Nutzvogelbetriebe, wo ein Viruseintrag von aussen, schnell massive Keulungen nach sich zieht.
In Deutschland sind Kraniche betroffen. Kommen die bald in die Schweiz?
Nein. Die jetzt in Norddeutschland betroffenen Kraniche ziehen nicht Richtung Schweiz. Sie ziehen traditionell über Frankreich nach Spanien und Nordafrika. Die Kraniche, die man in der Schweiz sieht, kommen aus Nordosten, aus Richtung Ungarn. Diese östlichen Populationen waren vor einigen Jahren schon einmal von Vogelgrippe betroffen, aber in diesem Jahr bisher nicht. Und wenn diese Tiere durch die Schweiz kommen und hier landen, dann nicht in sehr grosser Zahl. Viele fliegen auch einfach über die Schweiz hinweg.
Wie wird die Vogelgrippe überwacht?
Über die sogenannte passive Überwachung. Wenn tote oder kranke Wildvögel gefunden werden, werden diese untersucht. Das heisst auch, dass das Virus unbemerkt zirkulieren kann: Die aktuelle Variante kann Stockenten unbemerkt infizieren, die dann das Virus in sich tragen aber nicht krank werden. Eine aktive Überwachung ist dagegen sehr aufwändig. Seit etwa einem Jahr gibt es eine solche aktive Überwachung europaweit an sogenannten Knotenpunkten. Dabei werden stichprobenartig gesunde Vögel untersucht. Zu diesen Knotenpunkten, wo sehr viele, auch ziehende Vögel zusammenkommen, gehören der Bodensee, eine Region in Georgien, und die Camargue in Südfrankreich.
Womit muss man denn in der Schweiz in diesen Herbst/Winter rechnen?
Das ist seriös nicht zu prognostizieren. Die genannten schützenden Faktoren gelten in jedem Fall. Aber Fachleute sind sich einig: man muss wachsam sein, und genauer hinschauen als sonst. Auch die Situation mit den Kranichen jetzt in Norddeutschland hat sich wie aus dem Nichts entwickelt. In der vergangenen Saison, 2024/25, gab es sehr viele Vogelgrippefälle in Frankreich und Deutschland. In der Schweiz blieb es bei sehr wenigen. Vor drei Jahren, 2022/23, wiederum waren in der Schweiz Lachmöwen relativ stark betroffen. Das lag damals an der Virusvariante, einer Rekombination für die Möwen besonders anfällig waren. Also kurz: Es gibt wenig Verlässliches und es spielen viele Faktoren eine Rolle. Eine Expertin sagte zu mir, seit die Vogelgrippe so präsent ist, entspanne sie sich nie mehr ganz.