«Wenn das Veterinäramt anruft, muss es oft schnell gehen», erzählt Marc Zihlmann, Leiter des Sikyparks in Crémines (BE). In seinem Tierrettungspark leben 1250 Tiere, die aus Beschlagnahmungen, Räumungen oder Funden stammen. Darunter sind auch zahlreiche Wild- und Hybridkatzen, die er aus illegalen Haltungen gerettet hat: mehrere Servale, ein Karakal, zwei Luchse sowie vier Savannahs F1.
Einmal musste er drei Servale und einen Karakal retten, die in zwei Industriecontainern auf privatem Grund hausten – mitten in einer Wohnsiedlung. «Die Raubkatzen lebten auf Laminatboden, bekamen Katzenfutter und hatten – ernsthaft – zwei Katzenkistli, worin sie ihr Geschäft verrichten sollten», schildert Zihlmann. «Der Container stank bestialisch, überall Kot und Urin – die Tiere apathisch und verängstigt. Es war einfach nur schrecklich.»
-
Bild 1 von 2. Hybridkatzen wie Savannahs F1 sind halb Wildtier, halb Haustier. Der Vater ist ein Serval, die Mutter eine Hauskatze. Die Kreuzung endet in den meisten Fällen für die Hauskatze tödlich, dazu später mehr. Bildquelle: Sikypark.
-
Bild 2 von 2. Für ihre Haltung braucht es eine Haltebewilligung. Ab der dritten Generation gelten sie in der Schweiz als Haustier. Bildquelle: Sikypark.
Die vier Raubkatzen hat er anschliessend medizinisch untersucht, aufgepäppelt und an verschiedene andere Parks vermittelt. Er könne nicht alle Tiere aufnehmen, sagt Zihlman. «Wir platzen schon aus allen Nähten.»
Wildkatzen als Statussymbol in Villen
Die Rettung aus Containern ist kein Einzelfall – manchmal leben die Tiere sogar in Luxusvillen. Zum Beispiel der Karakal Marte: Heute lebt er mit Serval Miro gemeinsam in einem Gehege im Sikypark, zuvor lebte er als «Hausbüsi» in einer Villa. Dank eines anonymen Hinweises konnte Zihlmann den Halter kontaktieren.
Der Karakal trug ein Halsband mit Swarovski-Steinen und sein Futter bestand aus Lachsbrötchen und Crevetten-Cocktails. Für den Halter war die männliche, edle Raubkatze mit ihren Haarpinseln an den Ohren ein Statussymbol. Er habe es zwar gut gemeint mit dem Tier, so Zihlmann, doch artgerecht sei das nicht gewesen – und die Haltebewilligung habe gefehlt. Der Parkleiter konnte den Halter schlussendlich überzeugen, den Karakal ihm zu überlassen, «sonst hätte ich ihn anzeigen müssen.»
Hinweise aus der Nachbarschaft
Heute erhält Marc Zihlmann deutlich mehr Hinweise als früher. Einmal sei es ein Kaminfeger gewesen, der bei einer Wohnungsbegehung eine ganz «komische Katze» entdeckt hatte, ein andermal ein Feuerwehrmann, der beim Löschen eines Holzschuppens in einem Garten durchs Fenster eine Riesenkatze gesehen habe.
Manche wehren sich mit Händen und Füssen und unternehmen rechtliche Schritte, andere lassen ihre Tiere einfach verschwinden.
Manche Halter melden sich selbst – aber nur, wenn Probleme auftreten: Aggressionen, Urinieren, zerstörte Möbel. «Ein Serval-Halter bat mich um Hilfe, weil das Tier plötzlich Leute angegriffen hat und die Inneneinrichtung ruinierte», erzählt Zihlmann. Am Ende gab der Mann den Serval in einen Park in Deutschland ab – aber auch erst nach der Drohung mit dem Veterinäramt.
Andere Halter, mit denen Zihlmann in Kontakt war, waren uneinsichtiger. «Manche wehren sich mit Händen und Füssen und unternehmen rechtliche Schritte, andere lassen ihre Tiere einfach verschwinden.»
Leiden durch falsche Ernährung
Doch nicht nur die Haltung an sich ist problematisch – auch die falsche Ernährung kann zu schweren Schäden führen. Viele sind mangelernährt. «Anstatt kleine Säugetiere oder Geflügel wird ihnen Katzenfutter verfüttert», sagt Zihlmann. Das Ergebnis sei ein struppiges Fell, schlechte Zähne und viel zu weiche Knochen.
«Ein Serval springt aus dem Stand drei Meter hoch – bei uns hat sich einer das Bein gebrochen, nachdem er von einem 1,20 Meter hohem Baum gesprungen ist. Die meisten sind noch nie in ihrem Leben geklettert oder richtig gerannt und müssen sich den eigentlich angeborenen Jagdinstinkt wieder antrainieren.»
Boom durch die Sozialen Medien
Befeuert wird dieser Trend durch die Sozialen Medien. Auf ihren geposteten Fotos kuscheln die Leute mit ihren Wildkatzen oder schmeissen sich sonst irgendwie mit ihnen in Pose. «Diese Jöö-Darstellung der Tiere verführt viele dazu, auch ein solches Statussymbol haben zu wollen – ein bisschen Exotik zum Vorzeigen», so der Tierretter.
Wunderschöne Tiere, aber das sind alles fürchterliche Qualzuchten.
Besonders viele Fotos gibt es von Influencern mit Hybridkatzen. Vor allem Kreuzungen von Serval und Hauskatze, aber auch immer häufiger Kreuzungen von Karakal und Hauskatze. «Wunderschöne Tiere, aber das sind alles fürchterliche Qualzuchten,» erklärt Marc Zihlmann.
Tödliche Paarung
Eine Qual ist schon die Paarung. «Die männliche Raubkatze, die die Hauskatze deckt, ist massiv grösser. Das Muttertier stirbt spätestens bei der Geburt. Die Kleinen im Mutterleib entwickeln sich sehr schnell und sind viel grösser als normale Katzenföten.
Damit die Jungen überleben, wird ein Medikament verabreicht, dann folgt ein Kaiserschnitt – die Mutter wird getötet, die Kitten von Hand aufgezogen. Es geht nur um Profit», erklärt der Tierschützer.
Halb Wildtier, halb Haustier – ein gefährlicher Mix
Die Paarung sei das eine – das andere sei ihr Wesen – halb Wildtier, halb Haustier. Beides stecke in ihnen, erklärt der Wildkatzenfachmann. «Diese Hybriden haben alle eine Persönlichkeitsstörung.» Laut Zihlmann seien solche Hybriden kaum berechenbar – ihr Wildtieranteil sei zu hoch.
«In einer Wohnung wird man so einem Tier nie gerecht. Deshalb hält man sie dann einfach illegal.» Dies könne dem Menschen jedoch zum Verhängnis werden, erzählt er weiter. «Wenn ein Tier für den Menschen unberechenbar wird, was ja auch sein Naturell ist, kann man es nicht einfach im Tierheim abgeben. Dann hat man ein Problem.» Leider würden solche Tiere dann einfach eingeschläfert werden.
Wie viele Wild- oder Hybridkatzen illegal in der Schweiz in Privathaushalten gehalten werden, kann nur geschätzt werden. Marc Zihlmann geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Etwa hundert Tiere seien es schon in der ganzen Schweiz. Zürich gilt als Hotspot. Der Trend wächst – und mit ihm das Tierleid.