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Immer wärmere Weltmeere Korallen, die der Hitze trotzen: Was macht die Riffe so speziell?

Weltweit sterben Korallen in zum Teil nie gesehenem Mass. Doch an einigen Orten gedeihen sie unbeeindruckt weiter: etwa in Südostasien und im Roten Meer.

Seit 2023 erleben die Korallenriffe eine sogenannte globale Massenbleiche. Denn es gibt Rekordtemperaturen in den Weltmeeren – angetrieben durch den Klimawandel und das Wetterphänomen El Niño. Kaum ein Riff blieb verschont.

Wird es Korallen zu heiss, stossen sie die Algen ab, die in ihnen leben. Sie verlieren damit ihre Farbe und – noch wichtiger – ihre Energiequelle. Viele überleben diesen Schock nicht.

Globale Massenbleiche 

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Eine Koralle mit beginnender Bleiche.
Legende: imago images/OceanPhoto

Es gibt weltweit kaum ein Riff, das nicht unter der Hitze der letzten Jahre leidet. Schätzungsweise 84 Prozent der Korallenriffe dürften ganz oder zumindest zum Teil gebleicht worden sein.

Ein Bericht von diesem Sommer zeigt: Am Great Barrier Reef an der australischen Ostküste starb rund ein Viertel der Korallen. 2024 war damit das schlimmste Jahr, seit es diese Aufzeichnungen gibt.

In Florida hat die Hitzewelle eine Korallenart praktisch ausgelöscht.

Doch es gibt Orte, an denen die Riffe weniger leiden: zum Beispiel in Indonesien. Die Korallen-Forscherin Fabienne Wiederkehr von der ETH Zürich konnte dieses Jahr eine Farbenpracht bestaunen: «Rot, grün, blau, violett – man findet dort alle Farben.» Es ist ein Zeichen für gesunde Korallen und für eine grosse Zahl unterschiedlicher Arten.

Die Riffe Indonesiens sind Teil des sogenannten Korallendreiecks in Südostasien. Rund ein Drittel aller Korallenriffe weltweit befinden sich dort. Wiederkehr spricht wegen der grossen Artenvielfalt vom Amazonas der Korallen.

Eine Karte des Korallendreiecks.
Legende: Das Korallendreieck in Südostasien (hellblau eingefärbt). Devil_m25/Unesco

Erstaunlich hitzeresistent – aber warum?

Ihr Kollege Christian Voolstra, Korallenforscher an der Universität Konstanz, sagt, im Grossen und Ganzen sei die Korallenfläche im Korallendreieck über viele Jahre stabil geblieben.

Artenreiches Korallendreieck

Die Forschenden sehen mehrere Erklärungen dafür: Einerseits könnten die dortigen Korallen tatsächlich hitzeresistenter sein als andere, oder die hohe Biodiversität könnte die Riffe als Systeme schützen. Aber es gibt auch unerfreuliche Möglichkeiten: Lokale Effekte, wie Unterwasserströmungen, könnten dazu führen, dass sich die Klimaerwärmung dort erst später zeigt.

Wiederkehr und Voolstra wollen es auf jeden Fall genauer wissen. Im Frühling startet ihre eineinhalb Jahre dauernde Expedition in Südostasien, in der sie der Frage systematisch nachgehen wollen.

Hoffnung auch im Roten Meer

Auch das Rote Meer ist in Sachen Korallen eine positive Ausnahme. Korallenforscher Guilhem Banc-Prandi von der ETH Lausanne schätzt, dass die Riffe dort sogar bis zu 5 Grad Erwärmung aushalten können, während es für viele Korallen an anderen Orten schon bei den jetzigen plus 1,5 Grad kritisch wird.

«Das gibt Hoffnung, dass die Riffe im Roten Meer den Klimawandel überdauern können», so der wissenschaftliche Direktor des «Transnational Red Sea Center» der ETH Lausanne. Der Sudan, Jordanien, Dschibuti und Eritrea erforschen dabei mit der Schweiz zusammen die Riffe im Roten Meer.

Forschung im Roten Meer

Evolutionärer Schutz vor Hitze?

Banc-Prandi hat eine Hypothese: Es könnte ein evolutionärer Schutz sein. Die Korallen im Norden und im Zentrum des Roten Meers stammen wohl von den Urahnen im Süden ab. Im Süden ist das Wasser schon seit Tausenden von Jahren wärmer als im Norden und im Zentrum des Roten Meers.

Wärmeresistenz dank Massensterben vor 20’000 Jahren?

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Vor rund 20’000 Jahren sank der Meeresspiegel um rund 120 Meter ab. Die meisten Korallen müssen damals abgestorben sein – ausser wohl jene im Süden, wo das Rote Meer mit dem restlichen Indischen Ozean verbunden ist. Hier ist das Rote Meer schon seit Jahrtausenden deutlich wärmer als im Norden.

Guilhem Banc-Prandi geht davon aus, dass diese Korallen aus dem warmen Süden Stück für Stück das ganze Rote Meer wiederbesiedelten, als der Meeresspiegel wieder stieg. Damit hätten diese Korallen einen Puffer in Sachen Wärmeresistenz.

 «Wir glauben, wir sehen heute im Norden des Roten Meers die Nachkommen von wärmeresistenteren Korallen aus dem Süden», so der Forscher der ETH Lausanne.

Die Hoffnung lebt

Im Roten Meer und in Südostasien scheint die Anpassung an höhere Temperaturen noch gut zu gelingen. Doch weltweit ist die Lage kritisch. Die Klimaerwärmung wird weiter voranschreiten, solange die Menschheit die Emissionen nicht auf null herunterfährt.

Umso wichtiger wäre es, dass die Forschung das Geheimnis dieser positiven Ausnahmen lüftet – um vielleicht zu lernen, wie man Korallen auch an anderen Orten erhalten kann. Zumindest die hier befragten Forschenden haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben.

Radio SRF 2 Kultur, Wissenschaftsmagazin, 1.11.2025, 12:40 Uhr

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