Seit 2023 erleben die Korallenriffe eine sogenannte globale Massenbleiche. Denn es gibt Rekordtemperaturen in den Weltmeeren – angetrieben durch den Klimawandel und das Wetterphänomen El Niño. Kaum ein Riff blieb verschont.
Wird es Korallen zu heiss, stossen sie die Algen ab, die in ihnen leben. Sie verlieren damit ihre Farbe und – noch wichtiger – ihre Energiequelle. Viele überleben diesen Schock nicht.
Doch es gibt Orte, an denen die Riffe weniger leiden: zum Beispiel in Indonesien. Die Korallen-Forscherin Fabienne Wiederkehr von der ETH Zürich konnte dieses Jahr eine Farbenpracht bestaunen: «Rot, grün, blau, violett – man findet dort alle Farben.» Es ist ein Zeichen für gesunde Korallen und für eine grosse Zahl unterschiedlicher Arten.
Die Riffe Indonesiens sind Teil des sogenannten Korallendreiecks in Südostasien. Rund ein Drittel aller Korallenriffe weltweit befinden sich dort. Wiederkehr spricht wegen der grossen Artenvielfalt vom Amazonas der Korallen.
Erstaunlich hitzeresistent – aber warum?
Ihr Kollege Christian Voolstra, Korallenforscher an der Universität Konstanz, sagt, im Grossen und Ganzen sei die Korallenfläche im Korallendreieck über viele Jahre stabil geblieben.
Artenreiches Korallendreieck
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Bild 1 von 3. Die Riffe am Korallendreieck gehören zu den artenreichsten der Welt. Aufnahme in Indonesien, 2024. Bildquelle: Febrianne Sukiato/SeaChange Indonesia.
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Bild 2 von 3. Vielfalt: Schätzungsweise drei Viertel aller bekannten Korallenarten kommen im Korallendreieck vor. Bildquelle: Febrianne Sukiato/SeaChange Indonesia.
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Bild 3 von 3. Käfige, wie hier zu sehen, können helfen, dass mehr Korallen überleben. Bildquelle: Febrianne Sukiato/SeaChange Indonesia.
Die Forschenden sehen mehrere Erklärungen dafür: Einerseits könnten die dortigen Korallen tatsächlich hitzeresistenter sein als andere, oder die hohe Biodiversität könnte die Riffe als Systeme schützen. Aber es gibt auch unerfreuliche Möglichkeiten: Lokale Effekte, wie Unterwasserströmungen, könnten dazu führen, dass sich die Klimaerwärmung dort erst später zeigt.
Wiederkehr und Voolstra wollen es auf jeden Fall genauer wissen. Im Frühling startet ihre eineinhalb Jahre dauernde Expedition in Südostasien, in der sie der Frage systematisch nachgehen wollen.
Hoffnung auch im Roten Meer
Auch das Rote Meer ist in Sachen Korallen eine positive Ausnahme. Korallenforscher Guilhem Banc-Prandi von der ETH Lausanne schätzt, dass die Riffe dort sogar bis zu 5 Grad Erwärmung aushalten können, während es für viele Korallen an anderen Orten schon bei den jetzigen plus 1,5 Grad kritisch wird.
«Das gibt Hoffnung, dass die Riffe im Roten Meer den Klimawandel überdauern können», so der wissenschaftliche Direktor des «Transnational Red Sea Center» der ETH Lausanne. Der Sudan, Jordanien, Dschibuti und Eritrea erforschen dabei mit der Schweiz zusammen die Riffe im Roten Meer.
Forschung im Roten Meer
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Bild 1 von 4. Um die Riffe am Roten Meer steht es gut. Bis zu 5 Grad Erwärmung sollten sie nach aktuellem Wissensstand aushalten. Bildquelle: Dr. Guilhem Banc-Prandi, Wissenschaftlicher Leiter des TRSC.
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Bild 2 von 4. Dieser Koralle wurde es zu warm: eine gebleichte Koralle im Roten Meer. Insgesamt sind die Riffe im Roten Meer recht stabil. Bildquelle: LWimages, TSRC.
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Bild 3 von 4. Dieses sogenannte Saumriff schmiegt sich direkt an die Küste des Roten Meers. Bildquelle: Dr. Guilhem Banc-Prandi, Wissenschaftlicher Leiter des TRSC.
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Bild 4 von 4. Beim «Red Sea Center» forscht die ETH Lausanne zusammen mit lokalen Forschenden. Hier ein Taucher des Aqaba Marine Reserve in Jordanien. Bildquelle: Dr. Guilhem Banc-Prandi, Wissenschaftlicher Leiter des TRSC.
Evolutionärer Schutz vor Hitze?
Banc-Prandi hat eine Hypothese: Es könnte ein evolutionärer Schutz sein. Die Korallen im Norden und im Zentrum des Roten Meers stammen wohl von den Urahnen im Süden ab. Im Süden ist das Wasser schon seit Tausenden von Jahren wärmer als im Norden und im Zentrum des Roten Meers.
«Wir glauben, wir sehen heute im Norden des Roten Meers die Nachkommen von wärmeresistenteren Korallen aus dem Süden», so der Forscher der ETH Lausanne.
Die Hoffnung lebt
Im Roten Meer und in Südostasien scheint die Anpassung an höhere Temperaturen noch gut zu gelingen. Doch weltweit ist die Lage kritisch. Die Klimaerwärmung wird weiter voranschreiten, solange die Menschheit die Emissionen nicht auf null herunterfährt.
Umso wichtiger wäre es, dass die Forschung das Geheimnis dieser positiven Ausnahmen lüftet – um vielleicht zu lernen, wie man Korallen auch an anderen Orten erhalten kann. Zumindest die hier befragten Forschenden haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben.