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Rote Liste der bedrohten Arten Meeresschildkröten erholen sich – doch die Meere bleiben bedroht

In mehreren Regionen steigen die Populationen von Meeresschildkröten deutlich. Ein seltener Lichtblick im Meer, wo viele andere Arten akut vom Aussterben bedroht sind. Was wir daraus lernen können.

Ein zaghafter Hoffnungsschimmer streift das Meer: Die weltweiten Bestände von Meeresschildkröten zeigen Erholungstendenzen. Zu diesem Schluss kommt eine neue Analyse der Internationale Naturschutzunion (IUCN), die Daten aus mehreren Jahrzehnten ausgewertet hat.

In 95 Regionen weltweit wurden steigende oder stabile Populationen dokumentiert – etwa in Mexiko, Australien und den Seychellen, wo sich Nistzahlen seit dem Jahr 2011 mancherorts verzehnfacht haben. Lange galten die Tiere als Paradebeispiel für das stille Sterben der Arten.

Warum Meeresschildkröten gefährdet sind

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eine Schildkröte im Meer
Legende: istockphoto

Meeresschildkröten gibt es seit über 100 Millionen Jahren – sie überlebten sogar die Dinosaurier. Heute existieren nur noch sieben Arten, darunter die Unechte Karettschildkröte, die Grüne Meeresschildkröte und die Lederschildkröte, die mit bis zu 700 Kilogramm als grösste ihrer Art gilt. Diese Gefahren lauern auf sie:

  • Beifang: Tausende Schildkröten verenden jährlich als unbeabsichtigter Fang in Fischernetzen.
  • Plastikmüll: Verwechslung mit Quallen führt zu tödlicher Nahrungsaufnahme.
  • Klimawandel: Erwärmte Sandstrände verändern das Geschlechterverhältnis (Temperatur beeinflusst das Geschlecht der Schlüpflinge).
  • Verlust von Niststränden: Küstenbebauung und Tourismus zerstören natürliche Brutplätze.
  • Illegale Jagd: In einigen Regionen werden Schildkröten oder ihre Eier noch immer gesammelt.

«Insgesamt sind das ausgezeichnete Nachrichten. Jahrzehnte des Schutzes zeigen Wirkung», sagte Roderic Mast, Co-Vorsitzender der IUCN-Expertengruppe für Meeresschildkröten (MTSG) und Präsident der Oceanic Society, in einer Mitteilung. «Schutz» heisst im Falle der Schildkröten: strengere Fangverbote, Schutzgebiete an Land und im Wasser sowie Aufklärungsarbeit in betroffenen Regionen.

Mehr als 100.000 Arten auf der Roten Liste – jede dritte ist bedroht

Doch so erfreulich diese Entwicklung ist – sie bleibt eine Ausnahme: Die aktuelle Rote Liste führt mehr als 105.000 Arten, von denen über 28.000 vom Aussterben bedroht sind.

Rote Liste der bedrohten Arten

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Seit 1964 bewertet die IUCN systematisch den Zustand der weltweiten Tier- und Pflanzenwelt. Die sogenannte Rote Liste gilt als die umfassendste Datensammlung zum Zustand der globalen Artenvielfalt – und als eine Art seismografischer Frühwarndienst für das Artensterben.

Zum ersten Mal seit ihrer Einführung hat sie die Marke von 100.000 erfassten Arten überschritten. Genauer gesagt listet die Internationale Naturschutzunion (IUCN) mittlerweile 105.732 Arten – über 9.000 davon wurden neu aufgenommen. Ein Drittel dieser Arten, nämlich 28.338, gelten als bedroht.

Besonders dramatisch ist die Lage bei Meeresbewohnern wie den Rhino Rays, zu denen Keil- und Gitarrenrochen zählen. 15 von 16 untersuchten Arten stehen kurz vor dem Aussterben. Die IUCN stuft diese Gruppe inzwischen als die «am stärksten gefährdeten marinen Fischfamilien der Welt» ein.

Gitarrenrochen auf sandigem Meeresboden.
Legende: Gitarrenrochen zählen zu den am stärksten gefährdeten Fischen der Welt. Imago Images / OceanPhoto

Schlecht steht es auch um viele Süsswasserfische. In Japan etwa ist die Hälfte der endemischen Süsswasserarten – also jener, die nur dort vorkommen – inzwischen vom Aussterben bedroht. In Mexiko betrifft das rund ein Drittel.

Die Gründe sind vielfältig: Landwirtschaftliche und städtische Abwässer, verbaute oder regulierte Flüsse, Fischfang, invasive Arten – die menschliche Nutzung von Gewässern hinterlässt vielerorts gravierende Spuren.

Meeresschildkröten überlebten Dinosaurier

«Um diesen Rückgang aufzuhalten, brauchen wir dringend politische Massnahmen zur Nutzung von Süsswasserressourcen durch den Menschen, die auch die Bedürfnisse der vielen anderen Arten in diesen Ökosystemen berücksichtigen», so William Darwall, Leiter der IUCN-Abteilung für Süsswasser-Biodiversität.

Erfolge und Herausforderungen beim Schutz von Meeresschildkröten

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  • Wanderung der Lederschildkröte: Die Lederschildkröte ist bekannt für die längsten marinen Wanderungen aller Tiere. Einige Individuen schwimmen bis zu 5'955 Kilometer – eine Reise, die sie durch verschiedene Regionen führt und sie Risiken aussetzt.

    (Quelle: Stanford University, Endangered Species Research)
  • Erholung der Grünen Meeresschildkröte: Die Populationen der Grünen Meeresschildkröte gelten zwar noch als gefährdet, zeigen jedoch in vielen Regionen der Welt Anzeichen einer Erholung. Besonders in Mexiko und den USA, wo kommerzielle Erntestopps und gesetzliche Schutzmassnahmen wie das US Endangered Species Act von 1973 und das Fangverbot in Mexiko von 1990 greifen, erholen sich die Bestände.

    (Quelle: Stanford University, Endangered Species Research)
  • Erfolg der Schutzmassnahmen: Der Schutz von Niststränden und die Bekämpfung des unbeabsichtigten Beifangs in Fischernetzen haben dazu beigetragen, dass die Populationen stabiler werden. In Mexiko beispielsweise wurde der kommerzielle Schildkrötenfang verboten, was zu einem Anstieg der Bestände geführt hat.

    (Quelle: Stanford University, Endangered Species Research)
  • Herausforderung von Beifang: Trotz der Erfolge bleibt der Beifang ein zentrales Problem. Neue Technologien, die Schildkröten aus Fischernetzen befreien, müssten laut Tierschutzorganisationen jedoch breit akzeptiert und in verschiedenen Fischereigemeinschaften regelmässig angewendet werden, um wirksam zu sein.

    (Quelle: WWF)
  • Langsame Ergebnisse: Die Massnahmen brauchten Jahrzehnte, um spürbare Effekte zu zeigen. Die positiven Populationstrends sind das Resultat jahrzehntelanger, stetiger Anstrengungen, die nun auch den langfristigen Erfolg belegen.

    (Quelle: Stanford University, Endangered Species Research)

Meeresschildkröten schwimmen damit gegen den Strom des Artensterbens. Ihr Beispiel zeigt: Naturschutz wirkt – wenn man ihn ernst nimmt.

SRF1 nano, 01.05.2025, 07:00 Uhr. ; 

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