Teiche gegen Amphibiensterben - Wie Strommasten Fröschen, Molchen und Kröten helfen
Den Amphibien in der Schweiz geht es nicht gut. Von den 19 einheimischen Arten stehen 14 auf der Roten Liste. Hauptursache: Der Verlust von Lebensraum. Strommasten können da helfen.
«Wunderbar, wieder ein Trittstein mehr.» Projektleiterin Andrea Haslinger ist sichtlich zufrieden mit dem heutigen Etappenziel. Tümpel Nr. 36 ist fertig – unter einem Strommast.
Zusammen mit vier Zivildienstleistenden und einem Landschaftsgärtner hat sie diesen angelegt. Vierzig weitere Tümpel sollen schweizweit noch folgen.
Nicht nur der Standort ist besonders, der Tümpel ist auch speziell angepasst an die Bedürfnisse der Gelbbauchunke. «Die Gelbbauchunke braucht frisch entstandene Gewässer, die nicht viel Vegetation haben, die klein sind, die sich rasch erwärmen, damit ihre Jungen sich schnell entwickeln können.» Früher waren das häufig mit Wasser gefüllte Fahrrinnen von Traktoren oder niedrige Überschwemmungsflächen. Doch solche Gewässer sind mittlerweile rar in einer zunehmend perfekt kontrollierten Landschaft.
National prioritäre Arten
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Der Bund hat 2011 eine Liste von national prioritären Arten definiert. Neben dem Gefährdungsstatus einer Art (
Rote Liste
) ist zudem entscheidend, welche Verantwortung die Schweiz zum Erhalt der Art auf internationaler Ebene trägt.
Insgesamt gelten 3665 Arten als national prioritär. Diese machen 34 Prozent der rund 10.700 bewerteten in der Schweiz vorkommenden Arten aus. 22 Prozent der prioritären Arten benötigen spezifische Förderungsmassnahmen. So auch die Gelbbauchunke.
Die Liste schafft eine Basis für die Priorisierung von Massnahmen im Artenschutz und ist Teil der Strategie Biodiversität Schweiz.
Dramatischer Lebensraumverlust
Der Verlust von Lebensraum ist ein grosses Problem für viele Amphibienarten. In den vergangenen hundert Jahren sind über 90 Prozent der Feuchtgebiete verschwunden. Viele Flächen wurden trockengelegt und versiegelt. Natürliche Fliessgewässer kanalisiert.
Die Folge: 14 der 19 einheimischen Amphibienarten stehen auf der Roten Liste. Sind stark gefährdet. Bei manchen Arten ist in den letzten 30 Jahren über die Hälfte der Tiere verschwunden. Gerade Arten, die auf feuchte Lebensräume angewiesen sind, sind überdurchschnittlich häufig bedroht. Das zeigt der jüngst erschienene
Synthesebericht aller Roten Listen
.
Amphibien in der Schweiz: Welche sind bedroht, welche nicht?
Tümpel und Teiche helfen
Dabei gibt es eine einfache und effektive Massnahme, dem Verlust von Lebensraum entgegenzuwirken: der Bau von Tümpeln und Teichen. Doch die Sache hat einen Haken.
«In unserer Landschaft haben wir zunehmend Mühe, Flächen für die Natur zu finden, wo die Natur Vorrang hat.» So entstand die Idee mit den Strommasten. Andrea Haslinger leitet das pro natura-Projekt. Strommasten böten eine gute Alternative, erklärt sie weiter. Unter ihnen sei eine Bewirtschaftung schwierig. Die Flächen lägen meist brach.
Tümpelbau als wirkungsvolle Massnahme
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Wie wirksam der Bau von Tümpeln und Teichen ist, zeigt sich im Kanton Aargau. Dieser betreibt ein langjähriges Amphibien-Monitoring und verfügt daher über umfassende Daten zur Bestandsentwicklung. Zudem hat der Kanton 1999 ein Teichbau-Programm initiiert. Seitdem sind 422 Teiche und Tümpel gebaut worden. Vor allem im Bereich der vier grossen Flusstäler, die den Kanton durchziehen.
Über 850 Teiche und Tümpel sind es nun insgesamt im gesamten Kanton. Und das zeigt Wirkung, wie eine
Studie der WSL
belegt: Die Bestände von zehn der zwölf im Kanton vorkommenden Amphibien-Arten haben zugenommen. Und das, obwohl die Stressfaktoren für Amphibien im Aargau besonders hoch sind und im gleichen Zeitraum nicht abgenommen haben. Kaum ein anderer Kanton ist derart stark zersiedelt, von Strassen durchzogen und landwirtschaftlich intensiv genutzt.
Strominfrastruktur sinnvoll nutzen
Zudem stehen die Masten oft entlang von Flüssen und Wäldern. Also dort, wo sich Frösche, Kröten und Molche ohnehin gern aufhalten. Zudem durchziehen sie die Landschaft wie Perlenschnüre, häufig im Abstand von wenigen hundert Metern und damit in Laufdistanz der meisten Amphibien. So können Tümpel unter Strommasten Lebensräume und Laichgebiete vernetzen und den genetischen Austausch sichern.
Vernetzung ist zentral
Für den Artenschutz ist Vernetzung zentral. «Viele haben das Gefühl, unsere Landschaft ist so schön und grün, da muss es Natur und Artenvielfalt doch wunderbar gehen. Aber die Realität sieht anders aus.»
Weil Vernetzung vielerorts fehlt, hat der Bund
das Projekt «Ökologische Infrastruktur» ins Leben gerufen
. In allen Kantonen soll ein zusammenhängendes Netz von Flächen für Biodiversität entstehen. Vergleichbar mit einem umfassenden Verkehrswegenetz. Nur eben für Tiere statt Menschen.
Viel hilft viel
Andrea Haslinger hofft, dass das Strommasten-Projekt Nachahmer findet: «Leute können hier diesen Tümpel sehen, die Amphibien beobachten, erleben ein Stück Natur und Artenvielfalt und werden motiviert, zu Hause oder auf ihrem eigenen Land so etwas anzulegen.» Schlussendlich gilt: Jeder Tümpel zählt. Denn auch Masse verstärkt ein Netz.
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