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Tierische Intelligenz Habicht nutzt Ampelsignal für clevere Jagdstrategie

Stau als Jagdstrategie: In einem Vorort von New York wartet ein Habicht nicht auf Beute, sondern auf das Ampelsignal – denn das bringt ihm die perfekte Tarnung.

In einem Vorort von New York können Fussgängerinnen und Fussgänger zum Überqueren einer Kreuzung einen Knopf drücken. Wird er betätigt, ertönt ein akustisches Signal – die Grünphase wird verlängert. Genau diesen Ton nutzt ein junger Habicht als Startsignal.

Sobald der Ton erklingt, fliegt er zu einem Baum bei Haus Nummer 11. Dort wartet er.

Denn durch die verlängerte Grünphase stauen sich die Autos in dieser Strasse. Sobald die Kolonne bis zu Haus Nummer 8 reicht, startet der Habicht seinen Angriff. Er fliegt in niedriger Höhe links an den Autos entlang. Und ist so von den Häusern auf der rechten Seite aus nicht sichtbar.

Sein Ziel: Haus Nummer 2. Dort isst eine Familie häufig im Vorgarten zu Abend – und hinterlässt dabei Krümel. Diese locken am nächsten Morgen kleine Singvögel an. Und sind für den Habicht eine begehrte Beute.

Mehr als ein pawlowscher Reflex

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Wer jetzt an Pawlows sabbernden Hund denkt – so einfach lässt sich das Verhalten des Habichts nicht erklären. Zur Erinnerung: In seinem berühmten Experiment von 1905 liess der Forscher Iwan Pawlow eine Glocke läuten, bevor er einem Hund Futter reichte. Nach einiger Zeit reichte schon das Glockengeräusch aus, um beim Hund Speichelfluss auszulösen. Der Hund hatte eine einfache Reiz-Reaktion-Verknüpfung gelernt: Ton = Futter.

Doch der Habicht zeigt ein deutlich komplexeres Verhalten. Zwar reagiert auch er auf ein Geräusch – das akustische Signal der Fussgängerampel – aber dieses Signal kündigt nicht direkt Futter an. Stattdessen hat der Vogel gelernt, dass auf das Signal hin ein Autostau entsteht. Und dass er diesen Stau als visuelle Tarnung für seinen Tiefflug nutzen kann.

Er muss also mehrere Zusammenhänge verknüpfen:

  • Das Ampelsignal führt zu einer verlängerten Grünphase,
  • die wiederum einen Rückstau verursacht,
  • der sich bis zu einer bestimmten Hausnummer erstreckt,
  • und genau dieser Moment erlaubt ihm eine verdeckte Flugroute zur Beute.

Zudem benötigt er eine räumliche Vorstellung – von seinem Beobachtungspunkt im Baum bei Haus Nummer 11 bis zum Ziel im Vorgarten von Haus Nummer 2. Denn die Beutetiere sieht er während des Flugs nicht; er muss sie ohne direkte Sicht ansteuern.

Der Vergleich mit dem Pawlowschen Hund ist also zwar naheliegend – aber er greift zu kurz. Der Habicht demonstriert nicht nur Reiz-Reaktion, sondern Planung, Raumgefühl und verknüpftes Lernen.

Das Faszinierende: Der Habicht reagiert nur an Wochentagen auf das Signal, nicht aber am Wochenende. Vermutlich hat er auch da gelernt, dass sich dann kein ausreichend langer Stau bildet.

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