«Wunderreptil» der Trias - Aus der Schublade ins Rampenlicht: Fossil verblüfft die Forschung
Lange übersehen, jetzt entschlüsselt: Mirasaura grauvogeli zeigt, wie kreativ die Evolution war – und wie Ur‑Saurier mit Prachtstücken um Aufmerksamkeit buhlten.
Mehr als acht Jahrzehnte schlummerte ein merkwürdiges Fossil in einer Privatsammlung. Erst als dieses 2019 an das Naturkundemuseum Stuttgart gelangte, öffneten Forschende die Schublade – von wo aus der unscheinbare Fund nun mit einer Publikation in Nature für Schlagzeilen sorgt.
Mirasaura grauvogeli lebte vor rund 247 Millionen Jahren: ein eidechsengrosses Baumreptil mit vogelähnlichem Schädel und Kletterkrallen. Auf seinem Rücken wuchs kein Panzer – sondern flache, farnartige Hautanhänge.
Legende:
So könnte das ausgesehen haben: Rekonstruktion und Illustration von Mirasaura in seiner natürlichen Waldumgebung bei der Jagd auf Insekten
Gabriel Ugueto
Fund und Name
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Legende:
Stephan Piekmann
Gefunden wurde das Fossil schon 1935: Louis Grauvogel stiess in einer Tongrube bei Cocheren im französischen Grès-à-Voltzia-Gestein darauf. Die Sensation blieb aus – das Stück verschwand in einer Privatsammlung.
Erst 2019, als die Sammlung ans Naturkundemuseum Stuttgart überging, fiel den Forschenden die Besonderheit ins Auge. Sie tauften das Tier augenzwinkernd Mirasaura grauvogeli – «Grauvogels Wunderreptil».
Mit vogelähnlichem Schädel, grossen nach vorn gerichteten Augen und kräftigen Kletterkrallen wirkte es bestens gerüstet für ein akrobatisches Leben zwischen Ästen.
Jahrzehntelang hielt man die Anhänge für Pflanzenreste oder Flossenfragmente. Dann zeigten sich Pigmentkörnchen, wie sie sonst Flügelkleidern Glanz verleihen. Nur: echte Federn sind es eben auch nicht.
Hautanhänge unter der Lupe
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Legende:
Die Hautstruktur von Mirasaura.
Stephan Spiekmann / Valentina Rossi
Die seltsamen Strukturen erinnern an kleine Farnwedel: ungeteilte, flache Anhänge, die sich wie Dachziegel überlappten, die vordersten über fünf Zentimeter lang. Jeder wuchs aus einem schmalen Stiel, der sich zu einer feinen Mittelachse erweiterte. Unter dem Elektronenmikroskop zeigten sich Melanosomen – Pigmentkörnchen, deren Formen jenen in Vogelfedern verblüffend ähneln. Auch heutige Vögel, etwa Pfauen, nutzen auffällige Federkronen vor allem zur Schau. So könnten schon in der Trias bizarre Hautanhänge wie bei Mirasaura visuelle Signale gewesen sein – frühe Experimente im Baukasten der Wirbeltierhaut.
Wozu der Zierkamm diente? Zum Fliegen und wärmen jedenfalls nicht, so die Forschenden. Wahrscheinlicher ist: Mirasaura trug ihn als Mode‑Statement in der Trias, ein Blickfang für Rivalen, Partner – oder einfach für staunende Paläontologen.