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Künstliche Intelligenz AlphaFold zeigt, wie alle bekannten Proteine aussehen – in 3-D

Eine künstliche Intelligenz hat vor kurzem die Struktur aller bekannten Proteine vorausgesagt – so genau wie noch kein Algorithmus zuvor. Fachleute sind begeistert.

Die Strukturbiologin Janet Thornton vom Europäischen Institut für Bioinformatik gerät ob dem Aussehen ihres Lieblingsproteins ins Schwärmen: «Die Struktur ist so schlicht, als würde man das Protein um ein klitzekleines Fass wickeln. Sie ist symmetrisch und so schön.»

Struktur definiert Funktion

Proteine sind jene winzigen molekularen Maschinen in unseren Zellen, die beispielsweise Zucker spalten oder helfen, unser Erbgut zu kopieren. Die dreidimensionale Struktur der Proteine spielt dabei eine entscheidende Rolle: Denn je nachdem, wie ein Protein geformt ist, kann es eine andere Aufgabe in der Zelle übernehmen. Die Struktur definiert also die Funktion des Proteins.

Aus 2-D wird 3-D

Um die Arbeit von Proteinen besser zu verstehen, muss man ihre Strukturen kennen. Doch es ist aufwendig, teuer und oftmals auch schwierig, Proteinstrukturen experimentell im Labor zu bestimmen. Daher versuchen Forschende seit Langem, am Computer vorherzusagen, wie ein Protein genau aussieht.

Das Universum der Proteinstrukturen

Was sie dazu brauchen: die Bauanleitung eines Proteins und einen schlauen Algorithmus. Die Bauanleitung kennen Forschende aus unserem Erbgut. Den schlauen Algorithmus liefert nun die Firma DeepMind, die zu Google gehört.

Sie hat es geschafft, über 200 Millionen solcher dreidimensionalen Strukturen – mehr oder weniger genau – vorherzusagen. Zusammen mit dem Europäischen Institut für Bioinformatik hat sie die Daten in einer öffentlich zugänglichen Datenbank deponiert. Ein enormer Datenschatz, so Janet Thornton: «Die Datenbank enthält die Vorhersage aller Proteine, deren Bauanleitung bekannt ist. Sozusagen das Universum der Proteinstrukturen.»

Eine Vielfalt an Proteinstrukturen

Ein Meilenstein, findet auch Torsten Schwede, Professor für strukturelle Bioinformatik am Biozentrum der Universität Basel. «Da wurde ein Quantensprung geschafft.» Er hat die künstliche Intelligenz AlphaFold zusammen mit anderen Forschenden auf Herz und Nieren geprüft.

CASP – So wird geprüft

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CASP: Critical Assessment of Techniques for Protein Structure Prediction. dt: kritische Überprüfung von Techniken zur Vorhersage von Proteinstrukturen.

Dabei handelt es sich um ein Gemeinschaftsexperiment, das seit 1994 alle zwei Jahre durchgeführt wird. Es ermöglicht Forschungsgruppen, ihre Methoden zu testen, wie genau sie die Struktur von Proteinen vorhersagen.

Das Vorgehen ist einfach: Sie erhalten die Bauanleitungen der Proteine, die sie in einer bestimmten Zeit vorhersagen müssen. Ihre Resultate werden anschliessend mit im Labor bestimmten Strukturen verglichen. Das heisst: Wie nah kommen sie an die Realität heran? Die letzten beiden Ausgaben des Wettbewerbs hat AlphaFold gewonnen. Die diesjährigen Resultate werden Mitte Dezember in Antalya, Türkei, bekannt gegeben.

Die öffentlich zugängliche Datenbank existiert erst seit Kurzem. Ein gewaltiger Fundus an Proteinstrukturen – nur einen Mausklick entfernt. Schwede spricht von einem Paradigmenwechsel: «Es hat zu einer Demokratisierung vom Zugang geführt.» Nun könne jede und jeder bei Bedarf auf den Webbrowser gehen und auf die gewünschte Struktur zugreifen.

Die Datenbank wird genutzt

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Bereits mehr als eine halbe Millionen Forschende aus der ganzen Welt haben denn auch schon auf die Sammlung zugegriffen. Diese hilft derzeit vor allem mit, dass Forscher und Forscherinnen im Labor schneller herausfinden können, wie ein bestimmtes Protein aussieht – und damit auch, wie es genau arbeitet.

Das soll nur der Anfang sein. «Wir hoffen, dass diese Strukturen in Zukunft dabei helfen werden, neue Arzneimittel zu entwickeln und so einige der schlimmsten Krankheiten zu bekämpfen», sagt Janet Thornton. Die meisten Medikamente wirken nämlich, indem sie an Proteine binden. Was dabei genau mit einem Protein passiert, kann der Algorithmus AlphaFold jedoch noch nicht berechnen. Aber exakt jene Information wäre für die Entwicklung von Medikamenten enorm wichtig.

DeepMind

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Das Start-up wurde 2010 in Grossbritannien gegründet und vier Jahre später von Google gekauft. Seit 2016 arbeitet die Firma am Problem, nur anhand der Abfolge der Aminosäuren eines Proteins, dessen Struktur vorherzusagen.

Bereits 2018, an der CASP, einem öffentlichen Wettbewerb, bei dem künstliche Intelligenzen danach beurteilt werden, wie gut sie Strukturen von Proteinen vorhersagen, schloss AlphaFold von DeepMind besser ab als alle anderen Programme.

2020 gewann AlphaFold den Wettbewerb noch deutlicher. Der dazugehörige Algorithmus ist seit Juli 2021 öffentlich zugänglich. Seit Ende Juli 2022 können nun Forschende dank einer Datenbank von DeepMind und dem Europäischen Institut für Bioinformatik auf über 200 Millionen vorhergesagte Proteinstrukturen frei zugreifen.

Die Entwicklerfirma DeepMind arbeite aber bereits mit Hochdruck daran, die künstliche Intelligenz für den neuen Bereich zu trainieren, weiss der Bioinformatiker Torsten Schwede: «DeepMind sieht das Potenzial in medizinischen Anwendungen der künstlichen Intelligenz. Da besteht dann deutlich eher ein kommerzielles Interesse.»

Die Zukunft wird zeigen, ob DeepMind – oder auch andere Mitstreiter – in der Lage sein werden, dieses Potenzial auszuschöpfen. In der Medikamentenentwicklung lässt sich auch Geld verdienen. Daher wird es spannend bleiben, ob diese medizinisch interessanten Daten dann immer noch frei und öffentlich zugänglich sind.

Wissenschaftsmagazin, 03.09.2022, 12:40 Uhr

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