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Online-Werbung Zerstört KI das Geschäftsmodell des Internets?

Ein grosser Teil des Internets ist gratis: vom YouTube-Video über News bis zu den Handy-Games und den sozialen Medien. Das ist möglich, weil diese Dienste Werbung schalten. Werbung finanziert das Internet, wie wir es heute kennen.

Tanja Eder

Digitalredaktorin bei SRF

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Tanja Eder hat Politik- und Wirtschaftswissenschaften in Zürich und Genf studiert und ist seit 2022 Teil der SRF-Digitalredaktion. Ihre Spezialgebiete sind die ökonomischen, geopolitischen und sozialen Dimensionen der Digitalisierung, die Cybersecurity und Games.  

 

Wie wird im Internet die Aufmerksamkeit zur Ware?

Im Internet wird nicht ein Platz auf einer Webseite verkauft, sondern der Platz für jeden einzelnen Nutzer. Jedes Mal, wenn wir eine Webseite öffnen, werden die Werbeplätze darauf für uns versteigert – oder anders gesagt, ein Platz vor unseren Augen wird versteigert. Eine Sekunde unserer Aufmerksamkeit. Das macht das Einfangen und Halten unserer Aufmerksamkeit zentral. Beim Einfangen spricht man häufig von «Clickbait»: Wir werden mit reisserischen Bildern und Texten zum Anklicken animiert. Alles, was bunt aussieht, Lust macht oder Wut schürt, funktioniert gut. Wenn wir einmal geklickt haben, will man uns so lange wie möglich auf der Seite oder im App halten. Da kommen Techniken wie das endlose Scrollen oder Autoplay ins Spiel.

Kunde oder Produkt?

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Unsere Aufmerksamkeit ist, was «gratis» Dienste tatsächlich verkaufen. Die Kunden sind die Werbetreibende. Wir sind die, deren Aufmerksamkeit geerntet wird.

Was ist Überwachungskapitalismus?

Die Werbung im Internet ist ein Milliardengeschäft. Die wertvollste Werbung ist die «personalisierte» Werbung: Nur potenzielle Kunden und Kundinnen sollen gezielt angesprochen werden. Frauen erhalten Hautcrême-Werbung, während junge Männer an gleicher Stelle Werbung für Sportwetten sehen. Je gezielter, desto wertvoller. Deswegen werden so viele Daten wie möglich über uns gesammelt: Wer sind wir? Alter, Wohnort, Angewohnheiten, Interessen? Krankengeschichten, Freunde, Bewegungsprofil? Wünsche, Ängste, psychologische Schwächen? Aktuelle Stimmung? Um all diese Daten zu sammeln, wurde ein riesiges Überwachungssystem aufgebaut. Und wir haben uns inzwischen daran gewöhnt. Doch steht dieses System erst einmal, kann es auch für andere Zwecke verwendet werden: Für Betrug zum Beispiel, Überwachung durch den eigenen oder fremde Staaten oder politische Manipulation.

Zerstört die KI die Grundlage des Internets?

Bereits heute fragen viele lieber ChatGPT als Google – und auch wenn jemand Google öffnet, wird ihm erst einmal eine KI-generierte Antwort geliefert. Die Folge: Immer weniger Menschen klicken auf die eigentlichen Webseiten, von denen die Inhalte stammen – Newsportale, Blogs, Foren. Damit bricht ihnen die Einnahmequelle weg – denn die Werbung zahlt nur pro Mensch, der sie auch sieht.

Was wären mögliche Lösungen?

Könnten die Chatbots die Quellen bezahlen, wann immer sie eine Antwort generieren? Das ist gar nicht so einfach, denn eine KI verwurstet so viele Informationsquellen, dass im Nachhinein unmöglich zu sagen ist, welche jetzt zu dieser spezifischen Antwort geführt hat. Könnten KIs ihre Quellen direkt beim trainieren bezahlen? Das wäre möglich, es laufen bereits zwei Projekte dazu. Doch wer setzt das durch, wer setzt den Preis fest und wer profitiert am Schluss tatsächlich davon? Vielleicht sollten Chatbots eine Abgabe leisten, mit denen der Staat dann die Medien subventioniert? Oder müssten die Medien alle Chatbots blockieren und ihre Inhalte nur noch via Abo zugänglich machen? Das wäre schade, das Ende des offenen Internets, und vielleicht auch gar nicht möglich für die kleineren, nischigeren Seiten. Oder gehen die meisten Inhaltsproduzenten einfach ein – und was dann? Produzieren die Chatbot-Anbieter dann ihre eigenen Neuigkeiten? Oder rezyklieren sie alte Informationen, bis alles kollabiert?

Eine Paywall für die KI

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Cloudflare, der einen grossen Teil der Infrastruktur des Internets betreibt, testet gerade ein «Pay-as-you-crawl» system. In diesem System müssten Bots für jeden Zugriff auf eine Internetseite dafür zahlen.

Andere Dienste sind bereits in Betrieb: Zum Beispiel Tollbit. Für jeden Zugriff auf angeschlossene Content-Producers wird hier eine kleine Zahlung, eine «Micro-Transaktion», fällig. Gegenwärtig nähmen laut eigenen Angaben rund 1400 Seiten diesen Dienst in Anspruch, unter anderem die Associated Press, Forbes und die NZZ.

Radio SRF 1, 30.10.2025, 14:00 Uhr

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