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Volltreffer im All Kleine Raumsonde soll Asteroiden ablenken

In der Nacht auf Dienstag wird eine Kamikaze-Raumsonde in einen Asteroiden crashen. Ein erster Test für den Ernstfall.

Es wird ein historischer Moment, da sind sich die Astronominnen von Nasa, Esa und anderen beteiligten Weltraumorganisationen einig: In der Nacht auf Dienstag, am 27. September um 01:14 Uhr Schweizer Zeit, wird die Raumsonde DART in einen Asteroiden rasen. Genauer in den 160 Meter grossen Dimorphos, der um einen grösseren Asteroiden namens Didymos kreist.

Die Sonde wird dabei zerstört werden, aber das ist Nebensache. Wichtig ist, dass sie den Asteroiden durch den Aufprall ein klein wenig von seiner heutigen Umlaufbahn ablenken wird.

«Es ist ein eher kleines Raumschiff, das in einen viel grösseren Asteroiden kracht. Der Impact wird nicht gigantisch sein», ordnet Nancy Chabot, die die Mission koordiniert, in einem Medienbriefing ein. Die Abweichung von der heutigen Umlaufbahn wird also eher klein sein. Genug aber für einen ersten Test dieser Technik.

Grafik des Doppelasteroiden Didymos mit Umlaufbahn.
Legende: Ziel ist der kleinere Asteroid Dimorphos (hier Didiymos B) des Doppelasteroiden Didymos. Dimorphos' Umlaufbahn um Didymos beträgt 11 Stunden und 55 Minuten. Der Aufprall soll diese Umlaufbahn ändern. NASA/Johns Hopkins APL

DART steht für Double Asteroid Redirection Test Mission und soll zeigen, ob auf diese Art im Ernstfall ein Asteroid oder Komet abgewehrt werden könnte, der auf die Erde zurast.

Über 95 Prozent der allergrössten Asteroiden wurden bereits gefunden und keiner ist derzeit eine Gefahr für die Erde.
Autor: Martin Jutzi Astrophysiker, Uni Bern

In unserem Sonnensystem kreisen Abermillionen Asteroiden. Die meisten dieser Steinbrocken sind nur wenige Meter gross, aber es gibt auch gewaltige mit einem Durchmesser von 1000 Kilometern. Wie Planeten kreisen sie um die Sonne – manche von ihnen kreuzen dabei die Umlaufbahn der Erde und können ihr gefährlich nahekommen.

Diese erdnahen Asteroiden werden von Forschenden weltweit gesucht und überwacht. «Über 95 Prozent der allergrössten Objekte wurden bereits gefunden und keiner ist derzeit eine Gefahr für die Erde», so Astrophysiker Martin Jutzi von der Uni Bern, der an der DART-Mission beteiligt ist.

Kollage: Der Asteroid Dimorphos über dem Colosseum.
Legende: 160 Meter Durchmesser: Der Asteroid Dimorphos im Vergleich zum Colosseum in Rom. Esa-Science Office

Gefährlicher seien Asteroiden zwischen 100 und 200 Metern. Hier sind bisher nur rund 50 Prozent bekannt, «aber dieser Bereich ist viel wichtiger, weil diese Objekte viel häufiger die Erde treffen als die ganz grossen».

Ablauf der Mission

Seit November 2021 ist DART unterwegs. Nach mehr als 11 Millionen Kilometern Reise, wartet in der Nacht auf Dienstag die grösste Herausforderung auf die Kamikaze-Sonde: den kleinen Asteroiden überhaupt zu treffen bei einer Geschwindigkeit von rund 22'000 Kilometern pro Stunde.

Die Sonde navigiert dabei autonom. Erst eine Stunde vor dem Aufprall wird sie den Asteroiden-Mond überhaupt von dem grossen Asteroiden Didymos unterscheiden können. Dann muss sie selbständig die Schubdüsen feuern und den finalen Kurs auf ihr Ziel nehmen. Dank der Kamerabilder können Wissenschaftler und Weltraumfans weltweit den Crash live verfolgen.

Live dabei sein

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Auf Nasa-TV können Sie die Bilder, die DART auf seinem Weg zum Asteroiden aufnimmt, live verfolgen. Der Live-Stream startet am Montag um Mitternacht, der Crash wird rund eine Stunde später erwartet, am 27.9. um 01:14 Uhr.

Drei Minuten nach dem Einschlag wird der Begleitsatellit LICIACube die Auswirkungen im Vorbeiflug fotografieren. Mehr als eine grosse Staubwolke wird vorerst nicht zu sehen sein. Aber das sind die Bilder, die die Wissenschaftler sehnlichst erwarten, denn sie zeigen: Das Manöver hat funktioniert. Die Bilder werden die Erde im Laufe der nächsten 24 Stunden erreichen. Ob die erhoffte Verschiebung der Umlaufbahn stattgefunden hat, beobachten in den Wochen nach dem Crash Teleskope am Boden.

Grafik des möglichen Einschlages
Legende: Solche Bilder werden erwartet, nachdem die 570 Kilogramm schwere Kamikaze-Sonde in den Asteroiden gerast ist. Mit an Bord der Raumsonde war bis vor Kurzem auch der Kleinsatellit LICIACube, der sich jedoch bereits entkoppelt hat, um das Spektakel aus sicherer Distanz zu fotografieren. ESA–ScienceOffice.org

Für genauere Analysen startet die Esa im Oktober 2024 die Folgemission HERA. Die Sonde und ihre Begleitsatelliten werden Bilder des Kraters machen und Grösse und Beschaffenheit des Asteroiden bestimmen.

Mit diesen Informationen können Modelle von Wissenschaftlern wie Martin Jutzi und die Asteroidenabwehr weiter verbessert werden. Denn rein statistisch wird der Ernstfall irgendwann kommen.

Wie sinnvoll ist diese Mission?

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Porträt von Martin Jutzi
Legende: Der Schweizer Astrophysiker Martin Jutzi forscht zur Beschaffenheit von Asteroiden. Martin Jutzi

Herr Jutzi, was passiert genau, wenn DART in den Asteroiden fliegt?
Es hängt davon ab, aus was Dimorphos besteht. Genau das wollen wir für unsere Modelle herausfinden. Wenn er eher ein Geröllhaufen ist, wird durch den Aufprall sehr viel Material herausgeworfen, es entsteht eine grosse Staubwolke und der Asteroid wird stark deformiert. Für spätere Missionen wollen wir natürlich vermeiden, dass solch ein Asteroid auseinanderfällt.

Und wenn der Asteroid fest ist?
Wenn er ein monolithisches Objekt mit hoher Festigkeit ist, passiert viel weniger. Dann erwarten wir einen sehr viel kleineren Krater, vielleicht 10 bis 20 Meter im Durchmesser und die resultierende Puls-Übertragung ist kleiner, weil weniger Material ausgeworfen wird.

Warum ist das Ziel der Doppelasteroid Didymos?
Er ist ideal, weil es ein binäres System ist: Wir haben den grossen Asteroiden und seinen kleinen Mond. Durch den Einschlag wird nur die Umlaufbahn von Dimorphos etwas geändert, das beeinflusst also nicht das ganze System. Wir wollen ja nicht riskieren, dass Didymos nach dem Einschlag auf die Erde zufliegt. Zudem sind die Asteroiden immer noch relativ nah an der Erde, wir können sie also gut durch erdnahe Teleskope beobachten. Das ist wichtig, um die Verschiebung der Umlaufbahn bestimmen zu können.

Wie sinnvoll ist diese Mission?
Da bin ich natürlich voreingenommen. Der Aspekt der Planeten-Verteidigung ist wichtig. Es wird sicher nicht morgen ein Asteroid einschlagen. Es ist eine Frage der Zeit, dass das mal passiert – vielleicht in ein paar Hundert oder Tausend Jahren. Und dann ist es gut zu wissen, was zu tun ist. Aber es gibt natürlich auch den wissenschaftlichen Aspekt: Asteroiden sind die Bausteine unserer Planeten und wir werden viel Neues über sie lernen.

Wissenschaftsmagazin, 24.09.2022, 12:40 Uhr

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