Wie jedes Jahr gab es Jubel und lange Gesichter im Landhaus in Solothurn an der Nacht der Nominationen. Und natürlich auch den einen oder anderen scheelen Blick über die Theke. Hat der da drüben gegen meinen Film gestimmt? Habe ich einfach genügend Freundinnen und Freunde? Oder bin ich wirklich so gut?
Genau werden sie es nie erfahren. Wer von den 440 stimmberechtigten Akademiemitgliedern in welcher Kategorie für wen gestimmt hat, bleibt geheim. Genau so geheim bleibt, ob alle, die stimmten, alle Filme angeschaut haben.
Guten Aussichten für «Wolkenbruch»
Natürlich hilft es auch unter Kollegen, wenn der Film schon im Kino war, und das womöglich erfolgreich. Das gilt jedenfalls für «Wolkenbruch» von Michael Steiner, der gleich fünf Nominationen verbuchen kann.
Der Publikumsliebling über den jungen Juden, der sich in eine «Schickse», eine Nicht-Jüdin, verliebt, ist als bester Spielfilm nominiert. Hauptdarsteller Joel Basman geht ins Rennen um den Besten Darsteller, seine Mitspielerinnen Sunnyi Melles (Frau Silberzweig) und Noémie Schmidt (Laura, die Schickse) konkurrieren gar filmintern um den Preis für die beste Nebenrolle. Buchautor Thomas Meyer ist zudem für das beste Drehbuch nominiert.
Nur zwei Nominationen für «Zwingli»
Die grosse Publikumskiste «Zwingli» dagegen, derzeit sehr erfolgreich im Kino unterwegs, muss sich mit Nominationen für Max Simonischek als bester Hauptdarsteller in der Titelrolle und Sarah Sophia Meyer, die seine Frau Anna spielt, als beste Hauptdarstellerin begnügen.
Überraschender- und auch ungerechterweise völlig leer ausgegangen ist Bettina Oberli mit ihrer ersten französischsprachigen Produktion «Le vent tourne» , der jetzt erst im Kino anläuft. Das Öko-Liebesdrama im Jura sitzt offenbar irgendwie zwischen Stuhl und Bank – beziehungsweise zwischen Frankreich und der Schweiz.
Dafür zeigt sich, dass mit Simon Jaquemets starkem Sekten- beziehungsweise Krypto-Mediendrama «Der Unschuldige» ein Kritikerliebling zum nominierten Kollegenliebling wurde. Obwohl das Kinopublikum den Film völlig verschmäht hat.
Alle Jahre wieder
Und wie jedes Jahr gibt es Kuriositäten. Altmeister Jean-Luc Godard etwa ist mit seinem Montagefilm «Le livre d’image» für die beste Montage nominiert.
Peter Scherer ist für seine Filmmusiken für «#Female Pleasure» und Markus Imhoofs «Eldorado» nominiert, der auch als bester Dokumentarfilm nominiert ist. Scherer tritt damit chancenstark gegen Marcel Vaid ( «Chris the Swiss») an, der schon dreimal gewonnen hat.
Sollte jemand übrigens Fanny Bräunings «Immer und Ewig» unter den nominierten Dokumentarfilmen vermissen: Die Produzenten haben entschieden, den Dokumentarfilm über das Ehepaar, das mit Rollstuhl und Wohnmobil den Umständen trotzt, erst nächstes Jahr anzumelden. Schliesslich läuft auch dieser Film eben erst im Kino an.
Alle Nominierten 2019
Sendung: Solothurner Filmtage - das TV-Spezial, SRF 1, 23.00 Uhr