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«Assassin's Creed» in Arabien Zwischen Pixeln und Peitschen: Saudi-Arabiens Gaming-Strategie

Saudi-Arabien investiert massiv in Games: Es kauft Gamestudios, veranstaltet E-Sport-Events und investiert Milliarden in eine eigene Industrie. Welche Absichten verfolgt das Regime?

Im September hat Saudi-Arabien den Game-Riesen EA («Fifa», «Sims») gekauft, für sagenhafte 55 Milliarden. Und diese Woche hat Entwickler Ubisoft Zusatzinhalte für die beliebte Spielreihe «Assassin’s Creed» herausgebracht – gratis. Schauplatz: Al-Ula in Saudi-Arabien. Hinter diesen Schlagzeilen steckt eine Strategie.

Figur mit Kapuze blickt von Klippe auf Oasendorf in Wüstenlandschaft.
Legende: Neuer Schauplatz Der Entwickler Ubisoft schenkt seinen Spielerinnen und Spielern ein weiteres Kapitel zum Game «Assasin's Creed». Ubisoft

Saudi-Arabien hat dank Erdöl sagenhaften Reichtum erlangt. Doch diese Quelle wird eines Tages versiegen, daher will das Regime die Wirtschaft diversifizieren: Unter anderem sollen Tourismus und Unterhaltungsindustrie wachsen.

Ein besonderer Fokus liegt auf den Games: Bis 2030 will Saudi-Arabien 39'000 Jobs in der Game-Industrie schaffen und 30 international erfolgreiche Games herausbringen. Dafür ist ein Budget von 38 Milliarden US-Dollar eingeplant, das in eigene und ausländische Studios investiert wird.

Bilanz nach drei Jahren Gaming-Offensive

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Zwei Autos in der Wüste zwischen Sanddünen Darüber sieht man Infoboxen und ein Game-Interface.
Legende: In Sanddünen Auto fahren: Ein Beispiel für ein Handy-Game aus Saudi-Arabien. UMX Studio

Anfang 2022 hat Saudi-Arabien seine Gaming-Offensive gestartet und ist seither auf Einkaufstour.

Bei den eigenen Games lässt der Erfolg jedoch auf sich warten: Saudi-Arabien verweist auf ein Game, das es sogar selbst als recht erfolglos bezeichnet, und ein weiteres, das zwar ganz passabel wäre, jedoch schon vor sieben Jahren erschienen ist.

Schaut man sich bei den einheimischen Spielstudios um, trifft man vor allem auf Handy-Games von durchschnittlicher bis schlechter Qualität. Erst ein einziges gutes Game ist seit Anfang des Projekts aus Saudi-Arabien gekommen: «Bahamut» von einem kleinen Indie-Studio. Ein hübsches, aber kleines Spiel.

Bereits jetzt hat Saudi-Arabien Minderheitsbeteiligungen in fast allen grösseren Spielentwicklern. Gekauft haben die Saudis bereits Scopely, einen Mobile-Game-Publisher aus den USA, Pokémon Go und jetzt eben den Game-Riesen EA (die Übernahme soll 2027 erfolgen).

E-Sportswashing

Ein besonderes Augenmerk des Saudi-Regimes liegt auf dem E-Sport, also den Games, die kompetitiv gespielt werden. Durch Akquisitionen beherrscht Saudi-Arabien bereits 40 Prozent der Branche und organisiert verschiedene extravagante Events.

Ein in blaues Licht getauchtets Stadion. Auf der Bühne sitzen zwei Teams à fünf Spielern vor Bildschirmen.
Legende: Esports World Cup 2025 in Riad Während der E-Sports-«Weltmeisterschaft» in Saudi-Arabien wetteiferten Teams in rund zwei Dutzend Disziplinen – darunter «Call of Duty», «Valorant», «Tekken» und Schach – mehrere Wochen lang um Ruhm, Ehre und den Preispool von 70 Millionen US-Dollar. IMAGO/Xinhua

Seit letztem Jahr veranstaltet Saudi-Arabien einen E-Sport «World Cup». Ab nächstem Jahr soll ein «Nations Cup» hinzukommen, an dem sich nicht Vereine, sondern Länder messen.

Doch kein E-Sport-Olympia in Saudi-Arabien

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Das Olympische Komitee wollte ab 2027 zwölf Jahre lang in Saudi-Arabien eine neue E-Sport-Olympiade austragen. Dieser Vertrag wurde jedoch im Oktober aufgelöst: Die Vorstellungen seien nicht vereinbar gewesen.

Einerseits soll es darum gegangen sein, dass die bestehenden E-Sport-Verbände hätten involviert werden müssen. Darauf wollte Saudi-Arabien verzichten.

Eine Rolle könnten auch die Inklusionsvorschriften des Olympischen Komitees gespielt haben – unter anderem wird verlangt, dass jede Organisation auch Frauen in Führungsrollen haben muss.

Und zuletzt könnte auch das Verständnis des Begriffs E-Sport ein Problem gewesen sein. Während das Olympische Komitee lieber Spiele haben möchte, die traditionellen Sport imitieren, ist der Kronprinz persönlich ein Fan von «echtem» E-Sport wie «Counter-Strike» oder «Dota».

Damit schlägt Saudi-Arabien mehrere Fliegen mit einer Klappe: Genau wie beim Fussball, Tennis oder Golf geht es darum, dass internationale Fans Saudi-Arabien mit etwas Positivem in Verbindung bringen statt mit Repression und Gräueltaten. Auch im Inland helfen die Anlässe dem Regime: Das Volk wird wie bei den alten Römern mit Brot und Spielen bei Laune gehalten.

Zugleich profitiert die aufstrebende Tourismusindustrie von den wochenlangen Anlässen mit Massen internationaler Besucher. Und nicht zuletzt profitiert Kronprinz Mohammed bin Salman persönlich – denn er ist grosser Game- und E-Sport-Fan.

Games als Kulturgut

Doch der vielleicht grösste Vorteil einer eigenen Game-Industrie: Games sind ein Kulturgut, genau wie Bücher und Filme. Im Gegensatz zu einem Film können Games viel mehr Tiefe haben.

In einem Rollenspiel wie «Assassin’s Creed» verbringen Spielerinnen und Spieler locker über 50 Stunden, in denen sie die Geschichte und Kultur einer Gegend kennenlernen. Der Ort und seine Bevölkerung wird mit starken Emotionen verknüpft – die wohl auf das Image des Regimes abfärben sollen.

Das kulturelle Kapital der Games liegt bislang zum grössten Teil in den Händen der USA, gefolgt von Japan und China. Aus dem Nahen Osten kommen so gut wie keine Games, obwohl die junge Bevölkerung der Region sehr gerne spielt. Eine Game-Industrie wäre ihre Chance, Kultur, Identität und Kreativität im neuen Medium zu verarbeiten und Stimmen aus der Region hörbar zu machen – vielleicht sogar jene von Frauen.

Es könnte aber auch anders kommen. Kontrollieren autokratische Regime die Games, könnten Propaganda und Zensur die Folge sein. Statt Ausdruck der Kreativität und Identität könnten Games ein weiteres Mittel der Repression werden.

Ein Blick hinter die Kulissen: Hinrichtungen und Sklavenarbeit

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Ein Mann in langem weissem Hemd und rotem Kopftuch geht an applaudierenden Männer vorbei, ua Ronaldo & Gianni Infantino.
Legende: Trotz Gräueltaten auf der internationalen Bühne etabliert: Kronprinz und Premierminister Mohammed bin Salman (links), hier bei der Bekanntgabe der Rückkehr des Esports World Cup nach Saudi-Arabien (2023). Reuters

In Saudi-Arabien herrscht ein repressives, autokratisches Regime. Menschenrechtsverletzungen sind an der Tagesordnung – in Rankings belegt Saudi-Arabien regelmässig die hintersten Plätzen.

Zwar hat Kronprinz Bin Salmaan einige neue Rechte gewährt – so dürfen Frauen nun Auto fahren. Im Schatten dieser publikumswirksamen Modernisierungen ist das Regime aber nur noch brutaler geworden: Kritiker werden inhaftiert, gefoltert und hingerichtet. Queer zu sein ist verboten, Frauen schulden ihren Männern Gehorsam. Meinungsfreiheit gibt es nicht.

Laut Amnesty International wurden von 2014 bis Mitte 2025 etwa 1800 Menschen hingerichtet – fast jeder Dritte davon wegen Drogendelikten.

Noch schlechter als den Einheimischen ergeht es in Saudi-Arabien den zahlreichen Gastarbeitenden, die auf Baustellen oder als Haushaltshilfen arbeiten. Sie haben keine Rechte und werden als Sklaven ausgenutzt – häufig sterben sie wegen der schlechten Arbeitsbedingungen.

Radio SRF 3, 18.11.2025, 9:19 Uhr

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