Im September hat Saudi-Arabien den Game-Riesen EA («Fifa», «Sims») gekauft, für sagenhafte 55 Milliarden. Und diese Woche hat Entwickler Ubisoft Zusatzinhalte für die beliebte Spielreihe «Assassin’s Creed» herausgebracht – gratis. Schauplatz: Al-Ula in Saudi-Arabien. Hinter diesen Schlagzeilen steckt eine Strategie.
Saudi-Arabien hat dank Erdöl sagenhaften Reichtum erlangt. Doch diese Quelle wird eines Tages versiegen, daher will das Regime die Wirtschaft diversifizieren: Unter anderem sollen Tourismus und Unterhaltungsindustrie wachsen.
Ein besonderer Fokus liegt auf den Games: Bis 2030 will Saudi-Arabien 39'000 Jobs in der Game-Industrie schaffen und 30 international erfolgreiche Games herausbringen. Dafür ist ein Budget von 38 Milliarden US-Dollar eingeplant, das in eigene und ausländische Studios investiert wird.
Bereits jetzt hat Saudi-Arabien Minderheitsbeteiligungen in fast allen grösseren Spielentwicklern. Gekauft haben die Saudis bereits Scopely, einen Mobile-Game-Publisher aus den USA, Pokémon Go und jetzt eben den Game-Riesen EA (die Übernahme soll 2027 erfolgen).
E-Sportswashing
Ein besonderes Augenmerk des Saudi-Regimes liegt auf dem E-Sport, also den Games, die kompetitiv gespielt werden. Durch Akquisitionen beherrscht Saudi-Arabien bereits 40 Prozent der Branche und organisiert verschiedene extravagante Events.
Seit letztem Jahr veranstaltet Saudi-Arabien einen E-Sport «World Cup». Ab nächstem Jahr soll ein «Nations Cup» hinzukommen, an dem sich nicht Vereine, sondern Länder messen.
Damit schlägt Saudi-Arabien mehrere Fliegen mit einer Klappe: Genau wie beim Fussball, Tennis oder Golf geht es darum, dass internationale Fans Saudi-Arabien mit etwas Positivem in Verbindung bringen statt mit Repression und Gräueltaten. Auch im Inland helfen die Anlässe dem Regime: Das Volk wird wie bei den alten Römern mit Brot und Spielen bei Laune gehalten.
Zugleich profitiert die aufstrebende Tourismusindustrie von den wochenlangen Anlässen mit Massen internationaler Besucher. Und nicht zuletzt profitiert Kronprinz Mohammed bin Salman persönlich – denn er ist grosser Game- und E-Sport-Fan.
Games als Kulturgut
Doch der vielleicht grösste Vorteil einer eigenen Game-Industrie: Games sind ein Kulturgut, genau wie Bücher und Filme. Im Gegensatz zu einem Film können Games viel mehr Tiefe haben.
In einem Rollenspiel wie «Assassin’s Creed» verbringen Spielerinnen und Spieler locker über 50 Stunden, in denen sie die Geschichte und Kultur einer Gegend kennenlernen. Der Ort und seine Bevölkerung wird mit starken Emotionen verknüpft – die wohl auf das Image des Regimes abfärben sollen.
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Bild 1 von 4. «Assassin's Creed: Revelations». Die Assassins-Creed-Reihe spielt jeweils an einem historischen Ort – hier zum Beispiel im Konstantinopel, respektive Istanbul, des 16. Jahrhundert. Als «Assassine» bekämpft man eine böse Organisation und entdeckt dabei Geschichte und Architektur des Orts, klettert auf Dächern umher und schliesst Freundschaft mit historischen Charakteren. Bildquelle: Ubisoft.
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Bild 2 von 4. «Black Myth: Wukong». 2024 brachte China sein erstes grosses Computerspiel heraus, das ein voller Erfolg war. Darin geht es um die Mythen und Sagen rund um den Affengott «Wukong». Nebenbei in Szene gesetzt werden Touristenziele wie Berge und Tempel. Bildquelle: Steam.
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Bild 3 von 4. «Assassin's Creed: Mirage – Tal der Erinnerungen». «Mirage» spielt im Baghdad des 9. Jahrhunderts. Zwei Jahre nach Erscheinen des Spiels kommt nun überraschend weiteres Kapitel heraus, ein sogenanntes «DLC», in dem der Protagonist auch noch Al-Ula in Saudi-Arabien entdecken kann. Bildquelle: Ubisoft/Youtube.
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Bild 4 von 4. Das echte Al-Ula. Ob das Spiel von Saudi-Arabien finanziert wurde, ist nicht klar – die Geschäftsleitung von Ubisoft hat es nicht bestätigt. Klar ist: Saudi-Arabien hätte gerne mehr Touristen im Unesco-Weltkulturbe Al-Ula – Luxushotels mit Swimmingpool und Zipline stehen bereit. Bildquelle: IMAGO/robertharding.
Das kulturelle Kapital der Games liegt bislang zum grössten Teil in den Händen der USA, gefolgt von Japan und China. Aus dem Nahen Osten kommen so gut wie keine Games, obwohl die junge Bevölkerung der Region sehr gerne spielt. Eine Game-Industrie wäre ihre Chance, Kultur, Identität und Kreativität im neuen Medium zu verarbeiten und Stimmen aus der Region hörbar zu machen – vielleicht sogar jene von Frauen.
Es könnte aber auch anders kommen. Kontrollieren autokratische Regime die Games, könnten Propaganda und Zensur die Folge sein. Statt Ausdruck der Kreativität und Identität könnten Games ein weiteres Mittel der Repression werden.