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Wakkerpreis verbindet Architektur und Gesellschaft
Aus Kultur-Aktualität vom 12.01.2022. Bild: Schweizer Heimatschutz
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50 Jahre Wakkerpreis Der «Oscar» für Schweizer Baukultur wird 50

Mit dem Wakkerpreis zeichnet der Schweizer Heimatschutz gute Baukultur aus – seit 50 Jahren. Der Preis bringt den Ortschaften viel Renommee und Aufmerksamkeit, ist aber kein Garant für florierenden Tourismus.

Seit mittlerweile einem halben Jahrhundert wird der Wakkerpreis verliehen. Mit insgesamt 50 Preisträgern ist der Kreis der Prämierten exklusiv. Gerade das mache den Reiz aus und erkläre sein Renommee, sagt Georg von Schnurbein. Er ist Professor für Stiftungsmanagement an der Universität Basel und ein Kenner von Awards und Auszeichnungen in der Schweiz.

Hinzu komme, dass der Wakkerpreis über die Jahre mit der Zeit gegangen und doch sich selbst treu geblieben sei. «So ein Preis muss sich weiterentwickeln, seine Themen anpassen. Gleichzeitig braucht es eine gewisse Konstanz, damit nachvollziehbar ist, warum eine Gemeinde den Wakkerpreis erhält.»

Ein Bankdirektor als Namensgeber

Namensgeber des Wakkerpreises war der Genfer Bankier und Immobilienunternehmer Henri-Louis Wakker. Als er 1972 starb, vermachte er einen Grossteil seines Vermögens an den Schweizer Heimatschutz (SHS).

ein schwarz-weiss Foto eines älteren Mannes
Legende: Henri-Louis Wakker interessierte sich vor allem für die Orte in den Gegenden, die er als passionierter Bergsteiger besuchte. ZVG (Datum/Fotograf unbekannt)

Seither sind weitere Legate eingegangen, sodass der Verein bis heute den Preis in Höhe von 20’000 Franken jährlich ausloben kann.

Der erste Preis ging an Stein am Rhein

1972 wurde der Wakkerpreis zum ersten Mal verliehen: an die Gemeinde Stein am Rhein. Ein pittoresker Ort mit historischen Häusern aus dem 15. bis 17. Jahrhundert.

bunte Häuserfassaden
Legende: Die bunten Fassaden der historischen Häuser prägen bis heute die Altstadt von Stein am Rhein. Schaffhauserland Tourismus / Robert Bösch

In der Begründung der Jury hiess es damals: «Stein am Rhein wurde mit dem ersten Wakkerpreis bedacht, weil seine Bevölkerung, Behörden und Fachgremien dem aus seinem mittelalterlichen Grundriss gewachsenen Stadtbild als ganzes Sorge getragen und es dabei nicht als totes Museum, sondern als Wohnraum einer lebendigen Gemeinschaft erhalten und weiterentwickelt haben.»

Bilderbuch-Auftritt ist nicht nötig

Inzwischen ist der Wakkerpreis kein Schönheitswettbewerb mehr. Seit 2019 ist Stefan Kunz Geschäftsführer des Vereins Schweizer Heimatschutz. Er sagt: Ausgezeichnet werde heute nicht mehr das, was wie im Bilderbuch daherkommt, sondern wo alt und neu miteinander harmonieren.

«Wir spüren Gemeinden auf, die für ihr Ortsbild und ihre Siedlungsentwicklung besondere Leistungen vorweisen. Dazu gehören der respektvolle Umgang mit der historischen Bausubstanz, das Fördern von gestalterischen Qualitäten bei Neubauten sowie eine vorbildliche Ortsplanung, die Rücksicht auf die Anliegen der Natur nimmt.»

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Aus Archiv (1981): Wakkerpreis für Elm (GL)
Aus Blickpunkt vom 11.09.1981.
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Die Kriterien für die Auszeichnung seien über die Jahrzehnte gleichgeblieben, betont Kunz. Verändert hätten sich dagegen die Herausforderungen. «Mit der Bevölkerungszunahme in der Schweiz haben sich das Umfeld und die gesellschaftlichen Brennpunkte verändert. Jede Preisträgerin ist in diesem Sinne ein Kind ihrer Zeit.»

Auch die Agglomeration will durchdacht sein

Bereits 1983 wurde mit Muttenz die erste Industrie- und Agglomerationsgemeinde ausgezeichnet. Bis ins 19. Jahrhundert war das Dorf Muttenz bäuerlich geprägt. Dann siedelten sich immer mehr Fabriken an und der Rangierbahnhof der SBB wurde gebaut. Der Gemeinde ist es dennoch gelungen, die Bauernhäuser aus dem 16. bis 19. Jahrhundert zu erhalten.

Aneinandergereihte historische Häuser.
Legende: Dorfidylle lebt weiter: Trotz der stark industrialisierten Umgebung konnte Muttenz (BL) viel seiner historischen Bausubstanz erhalten – der Verdienst wurde 1983 mit dem Wakkerpreis geehrt. Wikimedia / Roland Zumbuehl

Als dann in den 1990er-Jahren Städte wie Winterthur, Bern, Basel und Genf den Wakkerpreis erhielten, rückte der Transformationsgedanke immer stärker in den Fokus: Industrieareale des 19. Jahrhunderts mit ihren Arbeitersiedlungen wie etwa in Winterthur wurden nicht einfach plattgemacht, sondern zu Wohnungen und Ateliers umfunktioniert.

Der Schweizer Heimatschutz war der Ansicht: Die Vernetzung von Altem und Modernem bringt neue Qualitäten und bietet Chancen für eine interessante Entwicklungsplanung.

Wakkerpreis verbindet Architektur und Gesellschaft

Auch heute steht der Schweizer Heimatschutz vor städtebaulichen Herausforderungen: «Die Themen sind Nachhaltigkeit im umfassenden Sinn, Biodiversität und der Umgang mit Nachkriegsarchitektur,» sagt Stefan Kunz, der Geschäftsführer beim SHS.

Mehr denn je tangiert die Frage nach dem «Wie wollen wir leben» auch die Architektur und Baukultur. Der Wakkerpreis ist damit ein wichtiges Kommunikationsmittel an der Nahtstelle zwischen Architektur und Gesellschaft geworden.

Wertsteigerung für die Schweiz

In diesem Jahr wird der Wakkerpreis zum 50. Mal verliehen. Während manch anderer Preis nach nur wenigen Jahren eingestellt wurde, kann der Schweizer Heimatschutz mit dem Wakkerpreis mittlerweile auf eine lange Tradition zurückblicken.

Mit 20’000 Franken hat das Preisgeld allerdings eher einen symbolischen Wert. Lukrativ ist der Preis hingegen für das Standortmarketing der Gemeinde. «Eine Auszeichnung bedeutet, dass eine Gemeinde etwas tut, was eine Wertsteigerung für die Schweiz an sich bedeutet», erklärt Georg von Schnurbein, der Experte für Stiftungsmanagement.

Der Preis sei zudem ein Argument, um Fördergelder auf kantonaler und nationaler Ebene zu erhalten. «Ausserdem kann man sich im Wettbewerb mit anderen Gemeinden hervorheben.»

Dorfplatz mit alten Häusern, Dorfbrunnen und Auto auf der Strasse.
Legende: Nur das Auto erinnert an die Gegenwart: Guarda im Unterengadin gilt als eines der besterhaltenen Engadinerdörfer – 1975 erhielt es den Wakkerpreis, 1985 wurde das Ortsbild von nationaler Bedeutung eingestuft. Keystone / MARTIN RUETSCHI

Auch der Wakkerpreis braucht seine Öffentlichkeit

Doch auch wenn das Renommee des Wakkerpreises nach wie vor hoch ist: Ohne seine dazugehörigen Veranstaltungen und die mediale Berichterstattung verpufft die Strahlkraft schnell.

2019 hat die bernische Gemeinde Langenthal den Wakkerpreis für ihren sorgfältigen Umgang mit der industriellen Vergangenheit erhalten. Anfangs sei das Medieninteresse erheblich gewesen, sagt Dominic Ramel, Kommunikationsverantwortlicher der Stadt Langenthal. Die Einwohnerinnen und Einwohner hätten sich gefreut, dass ihre Stadt aufgrund der städtebaulichen Qualitäten und Arbeiten wahrgenommen wurde.

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Wakkerpreis 2019: Das Stadtbild von Langenthal zeugt nicht mehr von wirtschaftlicher Krise
Aus Tagesschau vom 15.01.2019.
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In den Köpfen vieler Politiker sei der Wakkerpreis noch immer mit einem hohen Renommee verbunden und werde dahingehend verstanden, dass man eine «schöne» Stadt habe. Langenthal aber habe den Preis für eine hochstehende Planungskultur erhalten. Das sei nur wenigen Insidern bekannt.

Auch Touristen hätte der Preis angezogen. Allerdings sei das Interesse bereits im darauffolgenden Jahr pandemiebedingt eingebrochen. Ob der Preis daher auch eine nachhaltige Wirkung auf Touristen habe, könne man deshalb nicht abschliessend beurteilen.

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Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 12.1.2022, 17:10 Uhr

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