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Gottes Werk oder Trumps Wille Welche Christen wählten Trump? Und würden sie es wieder tun?

Es waren grossmehrheitlich bekennende Christen, die Donald Trump wählten – darunter weisse Evangelikale, christliche Nationalisten und Rechtsaussen-Katholiken. Mit der Maga-Bewegung eint sie der Kulturkampf gegen Abtreibung, Gender und Homosexualität ebenso wie Wissenschaftsskepsis.

Von Gott bewahrt und auserkoren? Erst recht nach dem missglückten Attentat im Juli 2024 wird Donald Trump so von seinen Anhängern gefeiert. Wer Kommentare über US-Christen liest, könnte den Eindruck bekommen, sie alle stünden diskussionslos hinter Trump. Doch es ist viel differenzierter.

Person mit Pflaster am Ohr, formell gekleidet.
Legende: Auserwählt, wegen missglücktem Attentat? Nach dem Attentatsversuch vom 13. Juli 2024 hat die Verehrung für Donald Trump eine ganz neue Qualität erreicht. Für einige ist Trump ein von Gott beschützter Mensch. Für andere ist er bereits der Erlöser. Keystone / EPA / ALLISON DINNER

Laut der jüngsten Studie des Pew Research Center glauben vier Prozent der US-Christinnen und -Christen, dass Gott Donald Trump als Präsidenten auserwählt habe. Bei seiner ersten Wahl waren es noch fünf Prozent.

Dagegen betonen elf Prozent, es sei Christenpflicht, gegen die Politik der Trump-Regierung zu sein.

Ein Jahr nach der US-Präsidentschaftswahl meinen 80 Prozent der christlichen US-Bürgerinnen und US-Bürger, Gott habe nichts mit der Wahl zu tun gehabt. Sie finden, dass man als «guter Christ» verschiedene Meinungen haben kann in Bezug auf Präsident Trump.

«Religion matters» in den USA

69 Prozent der Menschen in den USA bekennen sich zu einer Religion. Immerhin 62 Prozent aller Amerikaner bezeichnen sich als christlich. Die Zahl derer, die sich keiner Religion zugehörig fühlen, steigt. Trotzdem sprechen 80 Prozent der US-Bürgerinnen und -Bürger auf Glaubensthemen an.

Die US-Statistiken unterscheiden nach wie vor zwischen: «White», «Black», «Hispanic», «Asian», «Natives» und anderen. Diese Gruppenzugehörigkeiten spielen bei den Wahlen eine grosse Rolle. Sie mischen sich teils mit der konfessionellen Zugehörigkeit.

Menschenmenge bei politischer Veranstaltung mit Mann in Trump-Hut.
Legende: Jesus als Erlöser, Trump als Präsident – das geht für einige Unterstützende Hand in Hand. Keystone / AP Photo / Lynne Sladky

Beispielsweise wählen die «historischen schwarzen Kirchen» grossmehrheitlich demokratisch und nicht Donald Trump. Sie stehen in der Bürgerrechtstradition eines Martin Luther King. Diese Kirchen machen fünf Prozent des US-Christentums aus.

Die grösste Anhängerschaft habe Donald Trump bei sogenannten «weissen Evangelikalen», christlichen Fundamentalisten und Nationalisten sowie bei Anhängern des sogenannten Wohlstandsevangeliums. Aber was heisst das? Diese Gruppen werden oft zusammenfassend «Evangelikale» genannt. Das ist jedoch irreführend bis falsch.

Wer sind Evangelikale?

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Evangelikale, egal in welcher Kirche, stellen heute 23 Prozent der US-Christenheit. Sie glauben an die wortwörtliche Wahrheit der Bibel und an Jesus Christus als alleinigen Retter; er werde wiederkommen, die Menschen richten und das Reich Gottes bringen. Nur wer an Jesus glaubt, wird gerettet.

Die akademische Bibelwissenschaft akzeptieren Evangelikale nur, wenn sie ihre Glaubensgrundsätze nicht infrage stellt. Von kritischer Wissenschaft und Theologie grenzen sie sich ab und nennen sich «bibeltreu».

Evangelikale sind in verschiedenen evangelischen Kirchen und Freikirchen vertreten. Sie betonen das persönliche Bekehrungserlebnis.

Die Bewegung wurzelt in den «Erweckungsbewegungen» des Pietismus im 18. und 19. Jahrhundert.

1846 formierte sie sich in London als «Evangelical Alliance». In der «Lausanner Verpflichtung» von 1974 verpflichteten sich die Evangelikalen unter anderem zur Welt-Evangelisation, also zur Mission.

Auf Englisch ist der Begriff mehrdeutig: «evangelical» meint nämlich auch schlicht «evangelisch» (synonym für «protestantisch»). So tragen einige US-amerikanische Kirchen «evangelical» im Titel, sind aber nicht «evangelikal» im oben beschriebenen Sinne. Das führt oft zu Missverständnissen.

Denn unter evangelikalen Christinnen und Christen gibt es auch scharfe Kritikerinnen der Politik und Moral Donald Trumps. Sie argumentieren von der Bibel her: für universale Nächstenliebe, für Umweltschutz und Gewaltlosigkeit. Aber sie sind eine Minderheit im evangelikalen Spektrum.

Christliche Nationalisten wählten Trump

Anders die konservativen US-Evangelikalen: dieses Spektrum wächst. Und mit ihm der sogenannte «Christian Nationalism», der christliche Nationalismus. Seine Vertreter fordern zum Beispiel ein obligatorisches christliches Schulgebet. Kritische Wissenschaft lehnen sie eher ab.

Sogenannt christliche Werte sollen Grundlage der US-Gesetzgebung werden. Christliche Nationalisten propagieren traditionelle Frauenrollen (Stichwort «Tradwives»), ihrer Meinung nach müsste Heterosexualität zur Norm werden. Ihnen machte Donald Trump grosse Wahlversprechen.

Person spricht bei der Veranstaltung Faith & Freedom am Rednerpult.
Legende: Die Mobilisierung religiöser Wählerinnen und Wähler, insbesondere evangelikaler und katholischer Christen, für konservative Politik ist ein wichtiger Baustein für Donald Trumps Machterhalt. IMAGO / NurPhoto

Der sogenannte christliche Nationalismus sei die grösste Gefahr für das Christentum in den USA, warnt hingegen Washingtons Episkopalbischöfin Mariann Budde.

Sie rief Donald Trump vor laufenden Kameras zu Barmherzigkeit auf. Doch die Bischöfin gehört jenen Kirchen in den USA an, deren Einfluss seit den 1970er-Jahren stark gesunken ist. Politisch und intellektuell.

Einst machten die historischen protestantischen Kirchen die Mehrheit aus. Diese «Mainline»-Protestanten dominierten die US-Politik. Doch seit 50 Jahren schrumpfen sie. Stattdessen wächst der Anteil Nichtreligiöser und Evangelikaler.

Was sind «Mainline Protestants»?

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Die «Mainline Protestant» genannten Kirchen machen heute nur noch 11 bis 13 Prozent der Christinnen und Christen in den USA aus.

Dazu gehören die historischen protestantischen (evangelischen) Kirchen der USA, etwa: die lutherische, baptistische, methodistische, presbyterianische (reformierte), die episkopale oder die anglikanische Kirche.

Diese Kirchen sind demografisch überaltert. Sie sind ökumenisch orientiert, engagieren sich sozial und interreligiös.

Ihr Klerus oder Pfarrpersonal muss über einen akademisch-wissenschaftlichen Abschluss in Theologie verfügen.

In den meisten von ihnen dürfen Frauen alle kirchlichen Ämter ausfüllen. Und die meisten von ihnen heissen LGBTQI+ willkommen.

Zudem expandieren charismatische Neukirchen, Mega-Churches, TV-Prediger, Neu-Pfingstler und das Wohlstandsevangelium.

Der Prediger des Wohlstandsevangeliums

Für sich eingenommen hat der amtierende US-Präsident die einflussreichen TV-Predigerinnen und -Prediger des sogenannten «Wohlstandsevangeliums» («Prosperity Gospel») und deren Publikum.

Was steckt hinter dem «Wohlstandsevangelium»?

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Der Begriff «Prosperity Gospel», zu Deutsch «Wohlstandsevangelium», ist ein Widerspruch in sich: Das Evangelium ist zuerst und vor allem eine «gute Botschaft» für die Armen und nicht für die in Wohlstand. Jesus selbst und die Seinen waren bettelarm.

Aber vor allem in den USA breitet sich die Lehre von einem «Prosperity Gospel» seit Jahrzehnten aus. Wer mit Wohlstand gesegnet ist, sei auch von Gott gesegnet, besagt sie. Auch in Brasilien und Afrika findet die Lehre Gefallen.

Eine von ihnen, Paula White, holte er sogar ins Weisse Haus. Sie soll helfen, angeblich antichristliche Umtriebe einzudämmen. Das kommt bei vielen stark religiösen Christinnen und Christen gut an.

Gruppe spricht, Person sitzt am Tisch mit Siegel des Präsidenten.
Legende: Trump installierte Paula White (Mitte) als Seniorberaterin des Faith Office, des Glaubensbüros im Weissen Haus. In dieser Rolle leitete sie ein Gebet mit dem Präsidenten und Glaubensführern am Nationalen Gebetstag 2025. REUTERS/Evelyn Hockstein

Das «Wohlstandsevangelium» wird vom Mehrheitschristentum jedoch als kapitalistische Irrlehre angesehen, und die Wohlstandspredigt als unchristlich. Aber das schlichte Wohlstandsversprechen zieht unterschiedlichste christliche Gruppen an: die abgestiegene «weisse» Mittelschicht ebenso wie migrantische Gruppen und Hispanics.

Zwischen Hoffnung und Enttäuschung

Die Hispanics sind längst nicht mehr alle römisch-katholisch. Die Mission US-amerikanischer Prediger und ihre Verheissung von Wohlstand holten viele Hispanics zuerst nach Nordamerika. Dann in die neu-pfingstlerischen Gottesdienste mit viel Ekstase, cooler Musik und charismatischer (geisterfüllter) Verzückung. Und dann an die Wahlurnen für Donald Trump.

Was macht die Gruppe der «Hispanics» aus?

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«Hispanics» sind US-Amerikanerinnen und US-Amerikaner, die ihren oder den Ursprung ihrer Vorfahren in spanischsprachigen Ländern Mittel- und Südamerikas haben. Sie machen fast 20 Prozent der Gesamtbevölkerung in den USA aus.

Von Ihnen sind 40 Prozent römisch-katholisch, 23 Prozent sind Protestanten, 22 Prozent der Hispanics neigen dem christlichen Nationalismus zu.

Hier könnte sich das Blatt jetzt aber auch wieder wenden: Der einflussreiche Wohlstandsprediger und Hispanics-Vertreter Tony Suárez erklärte unlängst dem unabhängigen «Religion News Service», er werde keinen Präsidentschaftskandidaten mehr öffentlich portieren.

Donald Trump droht die Aufstiegshoffnungen der hispanischen Community – ob evangelikal, charismatisch oder katholisch – genauso zu enttäuschen wie seine demokratischen Vorgänger. Südamerikanische Christinnen und Christen sind von den Deportationen durch die staatliche Ausschaffungsbehörde ICE besonders betroffen. Also ausgerechnet die Klientel von Prediger Tony Suárez, der einen direkten Draht zu Donald Trump hatte.

US-Katholiken liberaler als man meint

Auf das Segment römisch-katholischer Wählerinnen und Wähler (19 Prozent des US-Christentums) zielt die republikanische Wahlkampforganisation «Catholic Vote».

Donald Trump erhob die US-Katholiken JD Vance und Marco Rubio in höchste Ämter. Kaum je waren Katholiken so prominent an einer konservativen US-Regierung beteiligt. Jedoch entsprechen weder JD Vance noch Marco Rubio ideologisch dem, was der Papst sagt.

Drei Männer in Anzügen im Büro, einer sitzt am Schreibtisch.
Legende: US-Präsident Donald Trump (Mitte) identifiziert sich als protestantisch, zeigt aber enge Bindung zu den Evangelikalen. Sein Vizepräsident JD Vance (links) und Aussenminister Marco Rubio sind katholische Christen. IMAGO / ABACAPRESS

Wie Papst Franziskus kritisiert auch Papst Leo XIV., selbst US-Amerikaner, die isolationistische Politik der USA, den Rassismus und Antisemitismus, die Auswüchse des Kapitalismus, die Umweltzerstörung, die Gewalt gegenüber Migrantenfamilien und die Ausschaffung Geflüchteter.

Wie das Pew Research Center bestätigt, wählen US-Katholikinnen und -Katholiken immer noch mehrheitlich demokratisch. Überraschenderweise ist die katholische Mehrheit im Grundsatz sogar für das Recht auf Abtreibung.

Reaktionäre Katholiken für Trump

Bei den katholischen Trumpwählern und -wählerinnen wird man also unterscheiden müssen zwischen jenen, die sich von der Regierung mehr Wohlstand erhoffen und jenen, die ideologisch wählen.

Solche katholischen Trumpisten stehen am rechten Rand der römisch-katholischen Kirche und ausserhalb von ihr. Etwa die reaktionären «Traditionalisten»: Sie leugnen den Holocaust und sind homophob. Schauspieler Mel Gibson ist ein prominenter Traditionalist und Trump-Wahlhelfer.

Ihre Lobby ist in den USA stark. Sie treten an «Pro Life»-Demos gegen Abtreibung auf. Und beten für die «Bekehrung» von Homosexuellen. Anti-Wokeness eint katholische Traditionalisten nun «plötzlich» mit anderen Rechtskonservativen und Fundamentalisten aus dem evangelikalen Lager.

Menschenmenge bei Protest mit Pro-Life-Schildern und Bannern.
Legende: Das Thema Abtreibung bewegt die USA weiter: Beim jährlichen «Pro Life»-Marsch versammelten sich im Januar zehntausende Abtreibungsgegner in Washington, D.C. Unter den Rednern der Veranstaltung: Vizepräsident JD Vance. IMAGO / TheNews2

Ihnen allen erscheint der «Sünder» Donald Trump als mögliches Werkzeug Gottes, um gegen den Abstieg des christlichen Amerikas vorzugehen. Und: gegen den eigenen wirtschaftlichen Abstieg. Letzteres wird auch bei den weniger ideologisierten Christen gezündet haben, ihr Kreuz bei Donald Trump zu machen. Denn schliesslich lautet Donald Trumps Slogan ja nicht «Make America Christian», sondern «… Great Again».

Radio SRF 2 Kultur, 100 Sekunden Wissen, 6.11.2025, 6:54 Uhr; sten

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