Von Gott bewahrt und auserkoren? Erst recht nach dem missglückten Attentat im Juli 2024 wird Donald Trump so von seinen Anhängern gefeiert. Wer Kommentare über US-Christen liest, könnte den Eindruck bekommen, sie alle stünden diskussionslos hinter Trump. Doch es ist viel differenzierter.
Laut der jüngsten Studie des Pew Research Center glauben vier Prozent der US-Christinnen und -Christen, dass Gott Donald Trump als Präsidenten auserwählt habe. Bei seiner ersten Wahl waren es noch fünf Prozent.
Dagegen betonen elf Prozent, es sei Christenpflicht, gegen die Politik der Trump-Regierung zu sein.
Ein Jahr nach der US-Präsidentschaftswahl meinen 80 Prozent der christlichen US-Bürgerinnen und US-Bürger, Gott habe nichts mit der Wahl zu tun gehabt. Sie finden, dass man als «guter Christ» verschiedene Meinungen haben kann in Bezug auf Präsident Trump.
«Religion matters» in den USA
69 Prozent der Menschen in den USA bekennen sich zu einer Religion. Immerhin 62 Prozent aller Amerikaner bezeichnen sich als christlich. Die Zahl derer, die sich keiner Religion zugehörig fühlen, steigt. Trotzdem sprechen 80 Prozent der US-Bürgerinnen und -Bürger auf Glaubensthemen an.
Die US-Statistiken unterscheiden nach wie vor zwischen: «White», «Black», «Hispanic», «Asian», «Natives» und anderen. Diese Gruppenzugehörigkeiten spielen bei den Wahlen eine grosse Rolle. Sie mischen sich teils mit der konfessionellen Zugehörigkeit.
Beispielsweise wählen die «historischen schwarzen Kirchen» grossmehrheitlich demokratisch und nicht Donald Trump. Sie stehen in der Bürgerrechtstradition eines Martin Luther King. Diese Kirchen machen fünf Prozent des US-Christentums aus.
Die grösste Anhängerschaft habe Donald Trump bei sogenannten «weissen Evangelikalen», christlichen Fundamentalisten und Nationalisten sowie bei Anhängern des sogenannten Wohlstandsevangeliums. Aber was heisst das? Diese Gruppen werden oft zusammenfassend «Evangelikale» genannt. Das ist jedoch irreführend bis falsch.
Denn unter evangelikalen Christinnen und Christen gibt es auch scharfe Kritikerinnen der Politik und Moral Donald Trumps. Sie argumentieren von der Bibel her: für universale Nächstenliebe, für Umweltschutz und Gewaltlosigkeit. Aber sie sind eine Minderheit im evangelikalen Spektrum.
Christliche Nationalisten wählten Trump
Anders die konservativen US-Evangelikalen: dieses Spektrum wächst. Und mit ihm der sogenannte «Christian Nationalism», der christliche Nationalismus. Seine Vertreter fordern zum Beispiel ein obligatorisches christliches Schulgebet. Kritische Wissenschaft lehnen sie eher ab.
Sogenannt christliche Werte sollen Grundlage der US-Gesetzgebung werden. Christliche Nationalisten propagieren traditionelle Frauenrollen (Stichwort «Tradwives»), ihrer Meinung nach müsste Heterosexualität zur Norm werden. Ihnen machte Donald Trump grosse Wahlversprechen.
Der sogenannte christliche Nationalismus sei die grösste Gefahr für das Christentum in den USA, warnt hingegen Washingtons Episkopalbischöfin Mariann Budde.
Sie rief Donald Trump vor laufenden Kameras zu Barmherzigkeit auf. Doch die Bischöfin gehört jenen Kirchen in den USA an, deren Einfluss seit den 1970er-Jahren stark gesunken ist. Politisch und intellektuell.
Einst machten die historischen protestantischen Kirchen die Mehrheit aus. Diese «Mainline»-Protestanten dominierten die US-Politik. Doch seit 50 Jahren schrumpfen sie. Stattdessen wächst der Anteil Nichtreligiöser und Evangelikaler.
Zudem expandieren charismatische Neukirchen, Mega-Churches, TV-Prediger, Neu-Pfingstler und das Wohlstandsevangelium.
Der Prediger des Wohlstandsevangeliums
Für sich eingenommen hat der amtierende US-Präsident die einflussreichen TV-Predigerinnen und -Prediger des sogenannten «Wohlstandsevangeliums» («Prosperity Gospel») und deren Publikum.
Eine von ihnen, Paula White, holte er sogar ins Weisse Haus. Sie soll helfen, angeblich antichristliche Umtriebe einzudämmen. Das kommt bei vielen stark religiösen Christinnen und Christen gut an.
Das «Wohlstandsevangelium» wird vom Mehrheitschristentum jedoch als kapitalistische Irrlehre angesehen, und die Wohlstandspredigt als unchristlich. Aber das schlichte Wohlstandsversprechen zieht unterschiedlichste christliche Gruppen an: die abgestiegene «weisse» Mittelschicht ebenso wie migrantische Gruppen und Hispanics.
Zwischen Hoffnung und Enttäuschung
Die Hispanics sind längst nicht mehr alle römisch-katholisch. Die Mission US-amerikanischer Prediger und ihre Verheissung von Wohlstand holten viele Hispanics zuerst nach Nordamerika. Dann in die neu-pfingstlerischen Gottesdienste mit viel Ekstase, cooler Musik und charismatischer (geisterfüllter) Verzückung. Und dann an die Wahlurnen für Donald Trump.
Hier könnte sich das Blatt jetzt aber auch wieder wenden: Der einflussreiche Wohlstandsprediger und Hispanics-Vertreter Tony Suárez erklärte unlängst dem unabhängigen «Religion News Service», er werde keinen Präsidentschaftskandidaten mehr öffentlich portieren.
Donald Trump droht die Aufstiegshoffnungen der hispanischen Community – ob evangelikal, charismatisch oder katholisch – genauso zu enttäuschen wie seine demokratischen Vorgänger. Südamerikanische Christinnen und Christen sind von den Deportationen durch die staatliche Ausschaffungsbehörde ICE besonders betroffen. Also ausgerechnet die Klientel von Prediger Tony Suárez, der einen direkten Draht zu Donald Trump hatte.
US-Katholiken liberaler als man meint
Auf das Segment römisch-katholischer Wählerinnen und Wähler (19 Prozent des US-Christentums) zielt die republikanische Wahlkampforganisation «Catholic Vote».
Donald Trump erhob die US-Katholiken JD Vance und Marco Rubio in höchste Ämter. Kaum je waren Katholiken so prominent an einer konservativen US-Regierung beteiligt. Jedoch entsprechen weder JD Vance noch Marco Rubio ideologisch dem, was der Papst sagt.
Wie Papst Franziskus kritisiert auch Papst Leo XIV., selbst US-Amerikaner, die isolationistische Politik der USA, den Rassismus und Antisemitismus, die Auswüchse des Kapitalismus, die Umweltzerstörung, die Gewalt gegenüber Migrantenfamilien und die Ausschaffung Geflüchteter.
Wie das Pew Research Center bestätigt, wählen US-Katholikinnen und -Katholiken immer noch mehrheitlich demokratisch. Überraschenderweise ist die katholische Mehrheit im Grundsatz sogar für das Recht auf Abtreibung.
Reaktionäre Katholiken für Trump
Bei den katholischen Trumpwählern und -wählerinnen wird man also unterscheiden müssen zwischen jenen, die sich von der Regierung mehr Wohlstand erhoffen und jenen, die ideologisch wählen.
Solche katholischen Trumpisten stehen am rechten Rand der römisch-katholischen Kirche und ausserhalb von ihr. Etwa die reaktionären «Traditionalisten»: Sie leugnen den Holocaust und sind homophob. Schauspieler Mel Gibson ist ein prominenter Traditionalist und Trump-Wahlhelfer.
Ihre Lobby ist in den USA stark. Sie treten an «Pro Life»-Demos gegen Abtreibung auf. Und beten für die «Bekehrung» von Homosexuellen. Anti-Wokeness eint katholische Traditionalisten nun «plötzlich» mit anderen Rechtskonservativen und Fundamentalisten aus dem evangelikalen Lager.
Ihnen allen erscheint der «Sünder» Donald Trump als mögliches Werkzeug Gottes, um gegen den Abstieg des christlichen Amerikas vorzugehen. Und: gegen den eigenen wirtschaftlichen Abstieg. Letzteres wird auch bei den weniger ideologisierten Christen gezündet haben, ihr Kreuz bei Donald Trump zu machen. Denn schliesslich lautet Donald Trumps Slogan ja nicht «Make America Christian», sondern «… Great Again».