Das erste Lehrschreiben von Papst Leo XIV. trägt den Titel «Dilexi te» – «Ich habe Dir meine Liebe zugewandt». Es erscheint in der verbindlichen Form einer «apostolischen Exhortation». Der Begriff kann sowohl mit «Ermahnung» als auch mit «Ermutigung» übersetzt werden. In seinem Lehrschreiben ruft Papst Leo biblisch-ethische Grundsätze in Erinnerung, die offenbar vergessen gingen: Der Kern des Evangeliums sei die Liebe zum Nächsten.
Wer Jesus nachfolge, erkenne man an aktiver Nächstenliebe und Empathie mit den Ärmsten und Menschen, die leiden. Schon die biblischen Propheten und erst recht Jesus kritisierten, dass sündigt, wer prunkvolle Tempel unterhält, während Menschen draussen verhungern.
Kapitalismuskritik in päpstlicher Tradition
Damit steht auch der neue Papst in der kapitalismuskritischen Tradition der römisch-katholischen Soziallehre. Sie wurde von den Päpsten der letzten 150 Jahre fortentwickelt.
«Wir müssen wählen, wem wir dienen: der Gerechtigkeit oder der Ungerechtigkeit, Gott oder dem Geld» erklärte Papst Leo XIV. in einer Andacht für die Heilige Klara am Tag der Unterzeichnung des Lehrschreibens, dem Franziskustag.
Mit seinem ersten Lehrtext vollendet Papst Leo XIV. die letzten Zeilen seines Vorgängers Papst Franziskus. Das unterstreicht die Kontinuität der päpstlichen Lehre.
Echter Glaube zeige sich in aktiver Nächstenliebe
Papst Leo XIV. stellt sich auf die Seite aller Christinnen und Christen, die sich für humanitäre Hilfe einsetzen und dem Elend anderer Menschen annehmen. Und zwar genau so, wie Jesus es im Matthäusevangelium sagt: Menschen im Gefängnis besuchen, Heimatlose aufnehmen, Essen spenden, Kranke heilen.
Damit solidarisiert sich der Papst auch mit jenen engagierten Menschen in den USA, die aktuell auf die Strasse gehen, um gegen die Deportation zigtausender Geflüchteter und Migrantinnen und Migranten zu protestieren.
Der «Primat der Armen» und die Solidarität mit Geflüchteten waren schon bei Papst Franziskus zentral. So ist diese «Exhortation» eine Fortsetzung der Enzykliken von Franziskus. Sie schärft die Worte ein, die Papst Franziskus vor genau zehn Jahren in seiner Enzyklika «Laudato si» um die Welt schickte.
Papst Franziskus’ Sozial- und Umwelt-Enzyklika enthält Sätze wie «Diese Wirtschaft tötet.» Sie bietet tiefgreifende Analysen von Klimawandel und Fluchtbewegungen, auch aus den Natur- und Sozialwissenschaften heraus.
Ein Bussruf
Nun unterstreicht auch Papst Leo XIV., dass wir auf Wissenschaft und Technik nicht verzichten dürften, um die globalen Probleme zu lösen.
Seine Mahnung will jenen Gläubigen in den Ohren schmerzen, die den Klimawandel leugnen, sich abschotten vom Elend der Welt und geflüchteten Menschen die Tür vor der Nase zuschlagen. Denn genau das tun ausgerechnet römisch-katholische Mitglieder der US-Administration unter Präsident Trump.