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Papst Leo XIV. übt Kritik Bussruf vom Papst: Wer Gott wirklich liebt, liebt die Armen

In der Linie seines Vorgängers wettert Papst Leo in seinem ersten Lehrschreiben gegen Ungerechtigkeit: Wir sollten Gott anbeten und nicht das Geld. Das darf als Kritik an den USA gelesen werden, die sich aus der globalen humanitären Hilfe zurückzogen.

Das erste Lehrschreiben von Papst Leo XIV. trägt den Titel «Dilexi te» – «Ich habe Dir meine Liebe zugewandt». Es erscheint in der verbindlichen Form einer «apostolischen Exhortation». Der Begriff kann sowohl mit «Ermahnung» als auch mit «Ermutigung» übersetzt werden. In seinem Lehrschreiben ruft Papst Leo biblisch-ethische Grundsätze in Erinnerung, die offenbar vergessen gingen: Der Kern des Evangeliums sei die Liebe zum Nächsten.

Was ist eine Exhortation?

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Eine sogenannte «apostolische Exhortation» ist ein Lehrschreiben des Papstes. Sie dient der Einschärfung theologischer Lehrinhalte der Päpste.

Übersetzt kann Exhortation sowohl Ermahnung als auch Ermutigung heissen. Sie hat einen konkreten Adressatenkreis innerhalb der römisch-katholischen Kirche. Darin kann der Papst auch zur Busse aufrufen.

Meist folgt eine Exhortation auf eine Enzyklika, welche ein Rundschreiben an die ganze römisch-katholische Kirche ist und lehramtliche Gültigkeit hat. Hierin schreibt der Papst gleichermassen seine theologische Lehre nieder, die auch nach seiner Amtszeit Gültigkeit behält. Im aktuellen Fall von «Dilexi te» hat Papst Franziskus den Text begonnen und sein Nachfolger Leo XIV. vollendet ihn.

Wie Enzykliken tragen auch Exhortationen lateinische Namen, die auf ihren Inhalt verweisen.

Wer Jesus nachfolge, erkenne man an aktiver Nächstenliebe und Empathie mit den Ärmsten und Menschen, die leiden. Schon die biblischen Propheten und erst recht Jesus kritisierten, dass sündigt, wer prunkvolle Tempel unterhält, während Menschen draussen verhungern.

Zwei kirchliche Würdenträger mit Dokumenten am Tisch.
Legende: Am 4. Oktober, dem Franziskustag, unterzeichnete Leo XIV. im Vatikan das Apostolische Schreiben «Dilexi te» – einen Text, den Papst Franziskus begonnen hatte und Papst Leo nun vollendet hat. Keystone/EPA/VATICAN MEDIA HANDOUT

Kapitalismuskritik in päpstlicher Tradition

Damit steht auch der neue Papst in der kapitalismuskritischen Tradition der römisch-katholischen Soziallehre. Sie wurde von den Päpsten der letzten 150 Jahre fortentwickelt.

Das steckt hinter der «katholischen Soziallehre»

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Mit ihrer Soziallehre reagierte die römisch-katholische Kirche auf die Verelendung von Fabrikarbeiterinnen und Arbeitern in der Industrialisierung. Federführend tat dies Papst Leo XIII. im Jahr 1891 mit der ersten expliziten Sozialenzyklika namens «Rerum Novarum».

Zeitgleich entstand die katholische Arbeiterbewegung als Konterpart zur atheistischen kommunistisch-sozialistischen Arbeiterbewegung.

Seither äusserten sich die Päpste immer wieder zu sozialethischen Fragen. Ab den 1960er-Jahren prangern sie verstärkt globale Ungleichheiten wie Armut und Kriege an.

Den 1. Mai widmete die römisch-katholische Kirche 1955 für sich um als Fest des Heiligen «Josefs des Arbeiters» und gedenkt an diesem Tag der Würde der menschlichen Arbeit.

«Wir müssen wählen, wem wir dienen: der Gerechtigkeit oder der Ungerechtigkeit, Gott oder dem Geld» erklärte Papst Leo XIV. in einer Andacht für die Heilige Klara am Tag der Unterzeichnung des Lehrschreibens, dem Franziskustag.

Mit seinem ersten Lehrtext vollendet Papst Leo XIV. die letzten Zeilen seines Vorgängers Papst Franziskus. Das unterstreicht die Kontinuität der päpstlichen Lehre.

Echter Glaube zeige sich in aktiver Nächstenliebe

Papst Leo XIV. stellt sich auf die Seite aller Christinnen und Christen, die sich für humanitäre Hilfe einsetzen und dem Elend anderer Menschen annehmen. Und zwar genau so, wie Jesus es im Matthäusevangelium sagt: Menschen im Gefängnis besuchen, Heimatlose aufnehmen, Essen spenden, Kranke heilen.

Damit solidarisiert sich der Papst auch mit jenen engagierten Menschen in den USA, die aktuell auf die Strasse gehen, um gegen die Deportation zigtausender Geflüchteter und Migrantinnen und Migranten zu protestieren.

Menschen bei einer Kundgebung mit Schildern und Megaphon.
Legende: Liebe deinen Nächsten: Demonstrierende in den USA sprechen sich gegen die Massnahmen der US-Einwanderungs- und Zollbehörde ICE aus – und fordern zu Nächstenliebe auf. (Juni 2025) Keystone/AP Photo/Damian Dovarganes

Der «Primat der Armen» und die Solidarität mit Geflüchteten waren schon bei Papst Franziskus zentral. So ist diese «Exhortation» eine Fortsetzung der Enzykliken von Franziskus. Sie schärft die Worte ein, die Papst Franziskus vor genau zehn Jahren in seiner Enzyklika «Laudato si» um die Welt schickte.

Papst Franziskus’ Sozial- und Umwelt-Enzyklika enthält Sätze wie «Diese Wirtschaft tötet.» Sie bietet tiefgreifende Analysen von Klimawandel und Fluchtbewegungen, auch aus den Natur- und Sozialwissenschaften heraus.

Ein Bussruf

Nun unterstreicht auch Papst Leo XIV., dass wir auf Wissenschaft und Technik nicht verzichten dürften, um die globalen Probleme zu lösen.

Seine Mahnung will jenen Gläubigen in den Ohren schmerzen, die den Klimawandel leugnen, sich abschotten vom Elend der Welt und geflüchteten Menschen die Tür vor der Nase zuschlagen. Denn genau das tun ausgerechnet römisch-katholische Mitglieder der US-Administration unter Präsident Trump.

SRF 4 News, Rendez-vous, 9.10.2025, 12:30 Uhr

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