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Kulturwandel in der Kirche «Die Kirche, die jetzt gefordert wird, leben wir schon»

Nach der Studie über die Missbrauchsfälle in der römisch-katholischen Kirche wird der Ruf nach einem Kulturwandel innerhalb der Kirche laut – mancherorts jedoch hat er längst begonnen.

Es brauche einen «Kulturwandel», wiederholten einige Bischöfe in den letzten Wochen. Doch diesen gebe es vielerorts schon, sagt beispielsweise die römisch-katholische Gemeindeleiterin Elke Kreiselmeyer. «Die Kirche, die jetzt gefordert wird, leben wir schon.»

Auf Proteste folgt Akzeptanz

In ihrer Pfarrei in den basellandschaftlichen Gemeinden Therwil und Biel-Benken sei der Kulturwandel 1999 eingezogen, als sie mit ihrem Mann gemeinsam die Pfarrei übernahm. Das habe am Anfang auch Protest ausgelöst, wenn sie als Frau im Altarraum stand.

Auch sie habe diese Rolle erst finden müssen. Schliesslich habe sie das Studium darauf nicht vorbereitet. «Mit der Zeit haben die Leute gemerkt, dass ‹der Himmel nicht runterstürzt›, wenn Frauen Pfarreien leiten», sagt sie.

Was ist mit dem «Kulturwandel» gemeint?

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Der Begriff «Kulturwandel» umfasst eine grundlegende Veränderung einer Institution oder eines Unternehmens. Es geht um Strukturen, Positionen, Macht, Verhaltensweisen, Denkmuster und Prozesse.

Die Schweizer Bischöfe benannten vor allem den Umgang mit Missbrauchsbetroffenen und Tätern. Andere Katholikinnen und Katholiken hinterfragen die Rolle von Priestern und Bischöfen, das Verständnis der Weihe, die Möglichkeiten zur Mitbestimmung durch Frauen, nicht zölibatär Lebende sowie Menschen diverser sexueller Orientierung.

«Kulturwandel» ist in dieser Debatte also ein Überbegriff für verschiedene Impulse zur Veränderung, von «Anpassung» bis «grundlegende Transformation».

Die Möglichkeit, als nicht geweihte Seelsorgende eine Gemeinde leiten zu können, gibt es in anderen Ländern so nicht. «Das ist schon ziemlich einzigartig hier in der Schweiz», sagt Kreiselmeyer, die vor 24 Jahren aus Deutschland herzog.

Ein Wimmelbild zeigt verschiedene Gruppen und Initiativen, die in der Gemeinde zuhause sind.
Legende: Vorbild für eine Kirche im Wandel? Ein Wimmelbild zeigt verschiedene Gruppen und Initiativen, die in der Gemeinde St. Johannes in Zug zu Hause sind. Kati Rickenbach

Als Gemeindeleitende seien sie freier als Priester, die an bestimmte Liturgien gebunden seien. Sie bekäme immer wieder die Rückmeldung, dass Menschen die theopoetischen, frauenfreundlichen Texte, die sie in die Liturgie einbaut, schätzen.

Das bestätigt eine 86-jährige Katholikin, die erzählt, dass sie in dieser Gemeinde aufgewachsen und sehr froh um das Ehepaar Kreiselmeyer sei: «Sie sind freier, können mehr selbst einbringen. Das finde ich einen Gewinn.»

Offene Kirche in Zug

Schon lange fordern Menschen in der römisch-katholischen Kirche den Zugang für Frauen zu allen Ämtern, hinterfragen die Sexualmoral und das Pflichtzölibat. Sie wünschen sich, dass das Konzept der Weihe hinterfragt werde, die heute zölibatär lebenden Männern vorbehalten ist. Diesen Kampf zeigt etwa der Synodale Weg (Deutschland) und Prozess (in der Schweiz und weltweit) oder die Bewegung Maria 2.0 .

Doch dieses «Nach oben Abarbeiten» sei auch frustrierend, es bremse aus und sei nicht jedermanns Aufgabe, sagt Bernhard Lenfers Grünenfelder. Auch er leitet als nicht-Geweihter, verheirateter Mann eine Pfarrei, und zwar St. Johannes in Zug.

Ausschnitt aus einem Wimmelbild zeigt verschiedene Menschen, die Räume der Kir
Legende: Vom Seniorentheater bis zur Fasnachtsfeier: Allerlei Gruppen und Initiativen beleben die kirchlichen Räume der Gemeinde St. Johannes in Zug. Kati Rickenbach

Die kirchlichen Räume werden durch allerlei Gruppen und Initiativen belebt, vom Seniorentheater über Selbsthilfegruppen und die Fastnachtsfeier bis zum Eltern-Kind-Treff. Grünflächen werden von Kindern beackert.

Von der Basis lernen

All das sei der lebendige Organismus Kirche, in dem sich auch «das Heilige» zeige. Das passiere nicht nur «irgendwann in der Eucharistiefeier» sagt Lenfers Grünenfelder. Kulturwandel bedeute für ihn, mit den Menschen unterwegs zu sein und Verantwortung zu teilen.

In aller Verschiedenheit sind sie miteinander «Kirche». Und in dem Sinne könnten die Verantwortlichen von dem, was «an der Basis» passiere, lernen, was Kulturwandel bedeute.

Auch der römisch-katholische Gemeindeleiter Bernhard Lenfers Grünenfelder ist auf dem Wimmelbild zu finden.
Legende: Auch der römisch-katholische Gemeindeleiter Bernhard Lenfers Grünenfelder ist auf dem Wimmelbild zu finden (rechts mit Gitarre). Kati Rickenbach

Elke Kreiselmeyer meint, für einen Kulturwandel, der die ganze römisch-katholische Kirche verändere, brauche es einen Systemwandel «von oben». Auch wenn sie vor Ort diese andere, inklusive Kirche bereits leben will. Etwa, indem sie auch queere Menschen explizit anspricht und willkommen heisst.

Oder durch ihre Haltung, dass nicht sie «irgendeine Wahrheit» habe, die sie anderen «bringe», sondern, indem sie mit den Menschen gemeinsam nach «Spuren des Göttlichen» in ihren Biografien suche.

Radio SRF, Rendez-vous, 29.09.2023, 12:30 Uhr ; 

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