Es brauche einen «Kulturwandel», wiederholten einige Bischöfe in den letzten Wochen. Doch diesen gebe es vielerorts schon, sagt beispielsweise die römisch-katholische Gemeindeleiterin Elke Kreiselmeyer. «Die Kirche, die jetzt gefordert wird, leben wir schon.»
Auf Proteste folgt Akzeptanz
In ihrer Pfarrei in den basellandschaftlichen Gemeinden Therwil und Biel-Benken sei der Kulturwandel 1999 eingezogen, als sie mit ihrem Mann gemeinsam die Pfarrei übernahm. Das habe am Anfang auch Protest ausgelöst, wenn sie als Frau im Altarraum stand.
Auch sie habe diese Rolle erst finden müssen. Schliesslich habe sie das Studium darauf nicht vorbereitet. «Mit der Zeit haben die Leute gemerkt, dass ‹der Himmel nicht runterstürzt›, wenn Frauen Pfarreien leiten», sagt sie.
Die Möglichkeit, als nicht geweihte Seelsorgende eine Gemeinde leiten zu können, gibt es in anderen Ländern so nicht. «Das ist schon ziemlich einzigartig hier in der Schweiz», sagt Kreiselmeyer, die vor 24 Jahren aus Deutschland herzog.
Als Gemeindeleitende seien sie freier als Priester, die an bestimmte Liturgien gebunden seien. Sie bekäme immer wieder die Rückmeldung, dass Menschen die theopoetischen, frauenfreundlichen Texte, die sie in die Liturgie einbaut, schätzen.
Das bestätigt eine 86-jährige Katholikin, die erzählt, dass sie in dieser Gemeinde aufgewachsen und sehr froh um das Ehepaar Kreiselmeyer sei: «Sie sind freier, können mehr selbst einbringen. Das finde ich einen Gewinn.»
Offene Kirche in Zug
Schon lange fordern Menschen in der römisch-katholischen Kirche den Zugang für Frauen zu allen Ämtern, hinterfragen die Sexualmoral und das Pflichtzölibat. Sie wünschen sich, dass das Konzept der Weihe hinterfragt werde, die heute zölibatär lebenden Männern vorbehalten ist. Diesen Kampf zeigt etwa der Synodale Weg (Deutschland) und Prozess (in der Schweiz und weltweit) oder die Bewegung Maria 2.0 .
Doch dieses «Nach oben Abarbeiten» sei auch frustrierend, es bremse aus und sei nicht jedermanns Aufgabe, sagt Bernhard Lenfers Grünenfelder. Auch er leitet als nicht-Geweihter, verheirateter Mann eine Pfarrei, und zwar St. Johannes in Zug.
Die kirchlichen Räume werden durch allerlei Gruppen und Initiativen belebt, vom Seniorentheater über Selbsthilfegruppen und die Fastnachtsfeier bis zum Eltern-Kind-Treff. Grünflächen werden von Kindern beackert.
Von der Basis lernen
All das sei der lebendige Organismus Kirche, in dem sich auch «das Heilige» zeige. Das passiere nicht nur «irgendwann in der Eucharistiefeier» sagt Lenfers Grünenfelder. Kulturwandel bedeute für ihn, mit den Menschen unterwegs zu sein und Verantwortung zu teilen.
In aller Verschiedenheit sind sie miteinander «Kirche». Und in dem Sinne könnten die Verantwortlichen von dem, was «an der Basis» passiere, lernen, was Kulturwandel bedeute.
Elke Kreiselmeyer meint, für einen Kulturwandel, der die ganze römisch-katholische Kirche verändere, brauche es einen Systemwandel «von oben». Auch wenn sie vor Ort diese andere, inklusive Kirche bereits leben will. Etwa, indem sie auch queere Menschen explizit anspricht und willkommen heisst.
Oder durch ihre Haltung, dass nicht sie «irgendeine Wahrheit» habe, die sie anderen «bringe», sondern, indem sie mit den Menschen gemeinsam nach «Spuren des Göttlichen» in ihren Biografien suche.