Sennerinnen mit Ziegen vor Bergpanorama, Kühe auf grünen Weiden und Bernhardiner mit Schokoladentafeln um den Hals: So schön können die Alpen sein, zumindest in der Werbung, mit der Schweizer Schokoladenhersteller ab dem 19. Jahrhundert auf ihre Produkte aufmerksam machten. Erst in der Schweiz, später weltweit.
Vorreiter dieser Marketingoffensive war der Neuenburger Schokoladenhersteller Philippe Suchard. Vermutlich hatte er diese Ideen von seinen Reisen in die USA mitgebracht, sagt Ernährungsforscher Dominik Flammer und Autor des Buchs «Schweizer Schokolade – Alpen, Milch und Pioniere».
«Philippe Suchard hat seine Plakate weltweit vertrieben. Seine Werbung fuhr auf tausenden Trams in ganz Europa durch die Städte.» Mit dieser Strategie habe er für die Schweiz ein Alleinstellungsmerkmal kreiert: Schokolade mit Milch aus sauberer Alpenluft. Wer würde die nicht gerne essen?
Die Zielgruppe: Frauen, Kinder, Soldaten
Ausserdem legten die gewieften Schweizer Produzenten ihren Schokoladen aufwendig produzierte Sammelbildchen bei, um die Gunst der Kundinnen zu gewinnen, vor allem die Gunst von Frauen und Kindern.
Denn bis 1900 waren Männer keine grossen Schokoliebhaber. «Männer haben Kaffee und Schnaps getrunken. Irgendwann haben die Armeen begonnen, Armeeschokolade zu beziehen. Die Schweiz hat dabei mitgemacht und fast alle Heere der Welt während des Ersten Weltkrieges mit Schokolade beliefert», erklärt Flammer.
Ganz nebenbei gewannen die Schweizer so auch die männliche Hälfte der Bevölkerung als potenzielle Kunden für ihre Produkte.
Ausschlaggebend für den Erfolg der Schweizer Schokolade war aber nicht nur geschicktes Marketing. Tatsächlich haben die Schweizer in Sachen Schokolade auch einiges erfunden: unter anderem die Conchiermaschine, mit der Schokolade deutlich zarter wird. Und die erste Milchschokolade überhaupt.
Die bittere Seite der Schweizer Schokolade
Dominik Flammer beleuchtet in seinem Buch zur Schweizer Schokoladengeschichte auch kritische Aspekte. Etwa die teils rassistische Werbung der Schokoladenfirmen bis in die 1960er-Jahre, in der Menschen aus den Kakaoanbaugebieten stereotyp dargestellt wurden.
Ihre Hochzeit erlebt die Schweizer Schokolade während der Blütezeit des Kolonialismus. Zumindest teilweise haben die Schweizer von diesen Strukturen profitiert. Das zeigt das Beispiel von Basler Missionaren in Westafrika, unterstützt von der britischen Kolonialmacht: «Es waren die Basler Missionare, die begonnen haben, erste Plantagen mit Kakao anzulegen. In der damaligen Region Goldküste, heute Ghana, und in der Region um die Elfenbeinküste. Heute sind diese beiden Länder die weltgrössten Kakaoproduzenten.»
Die Schweiz, ein Schokozwerg
Trotzdem wird bis heute eher die Schweiz als Schokoladenland wahrgenommen. Das zeigt, wie nachhaltig das Marketing der hiesigen Schokoladenhersteller das Bild der Schweiz geprägt hat. Und das, obwohl die Schweiz im internationalen Schokoladenmarkt ein Zwerg ist: «Hierzulande wird gerade einmal ein Prozent der weltweit konsumierten Schokolade produziert», erklärt Flammer.
Relativ wenig für ein Land, das so bekannt ist für seine «Schoggi».