Bruno Fluder ist homosexuell und Seelsorger bei der römisch-katholischen «Cityseelsorge» St. Gallen. Das sei zur Zeit kein Problem, sagt Fluder: «Der momentane Bischof Beat Grögli ist ein zuverlässiger Partner. Aber wer weiss, was geschieht, wenn ein anderer Bischof gewählt wird?» Ein neuer Bischof könne ihm jederzeit die Missio entziehen, die bischöfliche Arbeitserlaubnis. «Zum Beispiel dafür, dass ich dieses Interview gebe.»
Ob er künftig weiter als Seelsorger arbeiten könne, sei nie sicher. «Wir leben in einem rechtsfreien Raum», sagt Fluder auch im Namen des Vereins schwuler Seelsorger Adamim, dessen Sprecher er ist.
Homosexualität verheimlichen
Angestellt werden Seelsorgende in der Schweiz zwar von den Pfarreien. Doch das letzte Wort hat der Bischof. Wenn er die Missio nicht erteilt, können diese nicht arbeiten.
Bei der Entscheidung spielt auch das Privatleben eine Rolle, konkret die sexuelle Orientierung und die Beziehungsform. Sie soll der Lehrmeinung der katholischen Kirche entsprechen. Und die römisch-katholische Sexualmoral sagt klar, dass nur das Zölibat oder die heterosexuelle Ehe konform sind.
Homosexuelle Seelsorgende, aber auch andere Angestellte der Kirche, die etwa in offener Beziehung lebten, hatten ihr Privatleben bei der Anstellung daher lange Zeit verheimlicht. Vor drei Jahren sagten dann Hunderte Angestellte, meist aus Deutschland, aber auch aus der Schweiz: Es reicht! Sie outeten sich und forderten, dass ihr Privatleben privat bleiben soll.
In Deutschland haben die Bischöfe daraufhin die Anstellungsbedingungen angepasst. «Beziehungsleben und Intimsphäre dürfen bei der Anstellung keine Rolle mehr spielen», heisst es da.
Zwischen Realität und katholischer Lehre
Ganz anders im jüngst veröffentlichten Standortpapier der Schweizer Bischöfe. Dort steht: Wenn «die persönliche Lebenssituation von kirchlichen Vorgaben abweicht», könne das Konsequenzen haben. Was genau damit gemeint ist, führen die Bischöfe nicht aus. Homosexualität etwa kommt im Papier nur einmal vor – in einem Zitat von Papst Franziskus. Charles Morerod, Vorsteher der Bischofskonferenz, sagt dazu: «Wir wollen nicht kategorisieren: Das ist immer gut oder das ist immer schlecht. Das würde den Menschen nicht gerecht.»
Jeder Fall solle einzeln beurteilt werden. Dabei müsse man auch der Vielfalt in der katholischen Kirche gerecht werden: «In meiner Diözese etwa kommen zwei Drittel ursprünglich aus dem Ausland», sagt Bischof Morerod. Heisst: Nicht alle Katholiken in der Schweiz akzeptieren Seelsorgende, die nicht den offiziellen Moralvorstellungen der Kirche entsprechen.
Landeskirchen wollen Veränderung
Die Schweizer Bischöfe stehen also in einem Spannungsfeld zwischen gesellschaftlicher Realität und Lehrmeinung, zwischen progressiven Kräften in der Kirche und traditionalistischen.
Bewegung gibt es trotzdem, und zwar in den Landeskirchen. Der Verband der katholischen Kantonalkirchen, fordert seit zwei Jahren, dass Privates bei der Anstellung keine Rolle mehr spielen darf. Die römisch-katholische Kirche des Kantons Zürich will ihre Anstellungsverordnung dahingehend anpassen. Bereits Anfang Dezember entscheidet das Kirchenparlament.