Nach 13 Jahren im Exil fährt Journalist und Filmemacher Daham Alasaad zurück nach Homs, in jene Stadt, in der er seine Kindheit verbrachte. Homs war eine der ersten Städte, in der 2011 der Aufstand gegen das Regime von Baschar al-Assad begann, und sie bezahlte einen hohen Preis dafür.
Mehr als 50'000 Menschen starben in Haft oder wurden ermordet, 400'000 wurden ins Exil gezwungen, 5000 Gebäude in Schutt und Asche gelegt.
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Bild 1 von 3. Der syrische Journalist und Filmemacher Daham Alasaad in den Trümmern von Homs. Bildquelle: SRF / Daham Alasaad.
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Bild 2 von 3. Die Zerstörung in der Stadt ist gewaltig. Bildquelle: Zadig Productions.
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Bild 3 von 3. Beim Wiedersehen mit seinem Cousin Bilal (rechts) sagt Filmemacher Daham Alasaad (links): «Ich habe das Haus fast nicht wiedererkannt!». Bildquelle: SRF / Zadig Productions.
«Was mich am meisten beeindruckt hat, war das Ausmass des Leids», erzählt Daham Alasaad, der heute in Paris lebt. «Jede Strasse, jede Ecke, jedes Haus trägt das Echo dieses Leidens in sich.» Als Erstes trifft er seinen Cousin Bilal, der in Homs geblieben ist.
Bilal sagt, der Preis für die Freiheit sei hoch, der Krieg habe jeden gebrochen. Es gebe keine Familie, die nicht mindestens jemanden verloren habe.
Religionen instrumentalisiert
Mit dem Motorrad fahren die beiden Männer durch die Stadt. Journalist Alasaad filmt die zerstörten Strassenzüge und spricht mit den Menschen, die er trifft. Die Stadt sieht aus, wie man sich eine im Krieg zerstörte Stadt vorstellt. Doch nicht überall ist die Zerstörung gleichermassen gross.
Auffällig ist, dass alawitische Viertel fast normal aussehen. Die Herrscherfamilie der al-Assads ist alawitischen Glaubens. Wurden Alawiten deshalb verschont?
«Die Alawiten standen nicht unter Schutz», erklärt Daham Alasaad. «Sie waren Werkzeuge in den Händen des Regimes. Dieses präsentierte sich als Beschützer der Minderheiten – Alawiten, Drusen, Christen –, aber in Wirklichkeit verbreitete es Angst unter ihnen und suggerierte ihnen, dass die sunnitische Mehrheit sie töten wolle.»
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Bild 1 von 3. Gläubige in einer christlichen Kirche, der Kathedrale des Heiligen Geistes in der Altstadt von Homs. Bildquelle: Zadig Productions.
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Bild 2 von 3. Familie Alaa lebt im Alawitenviertel von Homs. Der Vater sagt: «Früher hatten die Sunniten Angst. Nun sind es die Alawiten.» . Bildquelle: Zadig Productions.
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Bild 3 von 3. Studierende und Soldaten in Homs. Bildquelle: Zadig Productions.
Das Regime, so Alasaad weiter, habe ein sektiererisches Umfeld geschaffen, um die Religionen gegeneinander auszuspielen.
Spirale der Gewalt
Zur Erinnerung: Seit 1970 wurde Syrien von den al-Assads diktatorisch regiert. Zuerst von Vater Hafiz, ab 2000 von seinem Sohn Baschar. 2011 begann nach Aufständen ein Bürgerkrieg, der mit dem Fall des Regimes und der Flucht Baschar al-Assads nach Moskau im Dezember 2024 endete. Seither ist Ahmed al-Scharaa selbst ernannter Präsident Syriens.
Die Skepsis gegenüber den neuen Machthabern ist gross. Besonders bei den religiösen Minderheiten, die nun Angst haben, dass die lange unterdrückte sunnitische Mehrheit Rache üben könnte.
Kein Wunder, denn der neue starke Mann Syriens, Ahmed al-Scharaa, war Kommandant des Hai'at Tahrir asch-Scham, das einst mit al-Qaida in Verbindung stand, und die Mitglieder der neuen Regierung sind alle Sunniten.
Gefährdete Christen
Auch Jaques Mourad teilt diese Angst. «Nach dem Sturz Assads im Dezember 2024 wurde uns vieles versprochen, aber es passierte nichts. Die Lage ist angespannt, es gab Morde, Entführungen, Diebstähle, Überfälle. Und was den zivilen Frieden angeht: Um ehrlich zu sein, handelt es sich dabei um einen zivilen Frieden für die Sunniten, nicht aber für den Rest der Bevölkerung.»
Jacques Mourad ist Erzbischof der syrisch-katholischen Kirche und somit einer von drei christlichen Bischöfen, die in Homs residieren. Die anderen beiden stehen der griechisch-katholischen beziehungsweise der griechisch-orthodoxen Kirche vor. Zu letzterer gehört die «Mariengürtelkirche», wie sie im Volksmund bezeichnet wird. Laut Überlieferung wird in ihr der Gürtel der Gottesgebärerin aufbewahrt und als Reliquie verehrt, was sie zu einer der ältesten Kirchen überhaupt macht.
Unser Land
In einer berührenden Szene im Film «Homs – das Leben danach» fährt Filmemacher Daham Alasaad mit einer christlichen Pilgergruppe in ein Kloster in der syrischen Wüste. Es ist die erste Pilgerreise überhaupt, die die Gemeinde seit dem Ende des Bürgerkriegs macht. Die Pilgernden – es sind fast alles Frauen – erzählen, dass der Islamische Staat 2015 Jacques Mourad entführte und das Kloster Mar Elian anzündete und teilweise mit Bulldozern zerstörte.
Nun erzählen die Frauen, deren Kinder fast alle im Exil sind, dass dies ihr Land sei und sie nicht wegziehen wollten. Doch die Christen kämpften ums Überleben, so Alasaad: «Eine aktive Beteiligung an der Regierung und eine gerechte Rechtsprechung zwischen den Gemeinschaften sind die einzigen Mittel, um das Christentum am Ort seines Ursprungs zu retten.»
Brücken bauen – aus der Ferne
Die neue Regierung stehe vor gewaltigen Aufgaben, sagt Daham Alassad, denn sie müsse jetzt das Vertrauen zwischen Regierung und Bevölkerung wiederherstellen. «Nach Jahren des Krieges ist diese Verbindung unterbrochen. Transparente Wahlen, Übergangsjustiz und die wirksame Beteiligung aller Teile der syrischen Gesellschaft sind der einzige Weg, um Sicherheit und Stabilität zu gewährleisten.»
Filmemacher Daham Alasaad möchte nach Syrien zurückkehren. Doch zurzeit sei dies unmöglich: «Es gibt keine Schulen, die Häuser sind zerstört und die Lebensbedingungen sind unzureichend.» Zudem habe er sich in Paris ein neues Leben aufgebaut und eine Familie gegründet. Bis es so weit sei, wolle er Brückenbauer sein: «Ich erzähle Syriens Geschichten und bewahre seine Erinnerungen.»