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Wahlen in Syrien Ein Schritt in Richtung Demokratie in Syrien?

Am 5. Oktober werden in Syrien erstmals seit dem Sturz von Langzeitherrscher Baschar al-Assad Wahlen abgehalten. Wobei man nicht wirklich von einer Direktwahl sprechen kann, sagt Nahostkorrespondent Thomas Gutersohn.

Thomas Gutersohn

Nahost-Korrespondent

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Thomas Gutersohn lebt seit 2023 in Amman und berichtet für SRF aus dem Nahen Osten. Von 2016 bis 2022 war er als Südasien-Korrespondent tätig, zuvor hat er aus der Westschweiz berichtet. Gutersohn arbeitet seit 2008 bei SRF und hat in Genf Internationale Beziehungen studiert.

Wie frei sind die Wahlen in Syrien?

Es sind nicht Parlamentswahlen im eigentlichen Sinne. Vielmehr geht es der Übergangsregierung darum, einen sogenannten Legislativrat zu besetzen. Denn im Moment hat Syrien keine Legislative, also kein Parlament. Für die jetzt anstehende Wahl hat sie Wahlgremien in den Provinzen erstellt, die Wahlmänner und Frauen ernennen. Diese wiederum sollen aus den Kandidaten zwei Drittel der 210 Parlamentarierinnen und Parlamentarier wählen. Es handelt sich also nicht um eine eigentliche Volkswahl. 

Wahlen wurden zweimal verschoben

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Mann in Anzug spricht in Mikrofon.
Legende: Al-Scharaa hielt letzte Woche anlässlich der UNO-Generalversammlung eine Rede in New York. Reuters/Jeenah Moon

Ursprünglich war die Wahl zunächst für den Zeitraum vom 15. bis 20. September angesetzt, dann für Ende September. Jetzt soll also am 5. Oktober gewählt werden. Internationale Organisationen und Vertreter der Zivilgesellschaft sollen die Wahlen in Abstimmung mit der syrischen Wahlkommission beobachten können. Zudem ist vorgesehen, dass Kandidatenlisten und Wahlergebnisse angefochten werden dürfen.

Syrien mit rund 23 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern wird seit dem Sturz Assads Anfang Dezember 2024 von einer Übergangsregierung unter Führung von Interimspräsident Ahmad al-Scharaa geführt. Al-Scharaa war der Kopf der Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS), die die Rebellenallianz anführte, die Assad schlussendlich stürzte. (dpa)

Wie werden die Minderheiten berücksichtigt?

Laut der Wahlbehörde geschieht dies einerseits durch die in den verschiedenen Provinzen verankerten Wahlgremien, andererseits dadurch, dass Übergangspräsident Ahmad al-Scharaa über ein Drittel der Parlamentssitze bestimmen kann. Dabei soll er eine ausgleichende Funktion übernehmen. Es ist allerdings nicht klar, nach welchen Kriterien er seine Sitze verteilt. Zudem werden in einigen von der kurdischen Minderheit kontrollierten Gebieten sowie im drusischen Suweida die Wahlen aufgrund der instabilen Sicherheitslage bis auf Weiteres ausgesetzt. Dies stellt die effektive Repräsentation der Minderheiten natürlich infrage. 

Wieso ist die Wahl zuvor verschoben worden?

Im syrischen Demokratisierungsprozess gibt die Übergangsregierung sehr oft einen eher sportlichen Kurs vor. Das war schon bei der Durchführung des sogenannten nationalen Dialogs der Fall. Die meist noch recht unerfahrenen Behörden kommen da nicht mit. Wichtiger als die Verschiebungen der Wahl ist aber, dass alle Kandidierenden von den Wahlgremien angehört und fair beurteilt werden. Die Anhörungen sollen nun in diesen Tagen stattfinden. Dieser Prozess verläuft allerdings sehr undurchsichtig. Das Risiko, dass dadurch eine Art Abnicker-Parlament gewählt wird, ist beträchtlich. 

Können die Wahlen eine Stabilisierung Syriens bringen?

Das hängt in erster Linie davon ab, mit welchen Personen der Legislativrat besetzt wird. Das bislang sehr undurchsichtige Verfahren lässt darauf noch keine Rückschlüsse zu. Allein die Tatsache aber, dass Syrien durch diese Wahlen überhaupt ein Parlament schafft, kann den politischen Entscheidungsprozess beschleunigen. Denn im Moment werden neue Gesetze einzig durch wenige Personen in der Übergangsregierung beschlossen. Solche Aufgaben würde künftig das Parlament übernehmen – es stehen grosse Aufgaben an.

Tagesgespräch, 26.9.2025, 13 Uhr ; 

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