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Eine Million Rückkehrer Aufbruch in ein neues, freies Syrien?

Eine Million Vertriebene sind bereits nach Syrien zurückgekehrt. Das kriegsversehrte Land erwacht zu neuem Leben, doch vieles ist Ungewiss.

Es sind Zahlen, die Mut machen. Neun Monate nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Assad in Syrien sind nach UNO-Angaben bereits eine Million Menschen in das Bürgerkriegsland zurückgekehrt. Seit Anfang Dezember des Vorjahrs hätten sich zudem 1.8 Millionen Binnenvertriebene wieder in ihre Heimatgebiete begeben, hiess es vom Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Genf.

Informelle Siedlung «Wadi Almasharie» in Damaskus, April 2025.
Legende: Die Rückkehrer sind nach Angaben des UNHCR mit zerstörten Häusern, beschädigter Infrastruktur, zu wenigen Arbeitsplätzen und einer instabilen Sicherheitslage konfrontiert. Getty Images/Anadolu/Hasan Belal

UNO-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi forderte die Staatengemeinschaft, den Privatsektor und die Syrer im Ausland dazu auf, den Wiederaufbau des Landes stärker zu unterstützen. «Wir haben die seltene Gelegenheit, eine der grössten Flüchtlingskrisen der Welt zu lösen.»

Flüchtlingslager in der nördlichen Provinz Idlib, Februar 2025.
Legende: Derzeit leben laut UNHCR noch immer mehr als 7 Millionen Menschen als Binnenvertriebene in Syrien. Und mehr als 4.5 Millionen Menschen leben weiterhin als Geflüchtete im Ausland. Getty Images/Anadolu/Kasim Yusuf

Walter Berier ist Landesverantwortlicher für Syrien beim Schweizerischen Roten Kreuz (SRK). Den Machtwechsel in Syrien Ende 2024 hat er in Damaskus erlebt. Dass Vertriebene wieder nach Syrien zurückkehren, macht auch ihm Hoffnung.

Aber: Obwohl eine Million Menschen bereits zurückgekehrt sind, liege die Zahl hinter den anfänglichen Erwartungen zurück. «Wir waren zugegebenermassen sehr optimistisch», sagt Berier. «Die ganz grosse Rückkehrwelle ist aber bislang ausgeblieben.»

Wie sicher ist es in der (alten) Heimat?

Die meisten Vertriebenen kehren aus den Nachbarländern Libanon und Türkei in ihre Heimat zurück. Aus Europa sei die Zahl der Rückkehrer noch überschaubar, sagt Berier. «Die Menschen warten nach wie vor ab, wie sich die Situation entwickelt.»

Und: Wer seit vielen Jahren in seiner neuen Heimat lebe und dort gut integriert sei, zögere vielleicht, wieder nach Syrien zurückzukehren. Dazu kommt die Angst, erneut Gewalt und Vertreibung ausgesetzt zu sein.

Die neuen Machthaber versprechen, ein «gerechtes und freies Syrien» zu erschaffen. Die Gewalteskalationen der vergangenen Monate liessen daran Zweifel aufkommen. «Die neue Regierung versucht nun, ein Gewaltmonopol durchzusetzen und die vielen bewaffneten Gruppierungen im Land zu entwaffnen», sagt Berier.

Al-Scharaa spricht vor der UNO in New York, 24. September 2025.
Legende: Ahmed al-Scharaa war der Kopf der Islamistenmiliz HTS, die Diktator Baschar al-Assad gestürzt hat. Nun verspricht er ein Syrien für alle, also auch für religiöse Minderheiten. Keystone/AP/Richard Drew

Nach fast vierzehn Jahren Krieg sind Abermillionen Waffen im Umlauf. Ehemalige Soldaten und Kämpfer sind in ein ziviles Leben zurückgekehrt, das nur noch eine dunkle Erinnerung ist. Die jüngere Generation kennt das Leben vor dem Blutvergiessen nur aus Erzählungen.

Die Gewalt im Vielvölkerstaat kann schnell wieder aufflammen. Insbesondere dann, wenn es der neuen Regierung nicht gelingt, auch Minderheiten wie die Alawiten, Drusen, Christen und Kurden an der Regierung zu beteiligen. «Dazu werden sie für ihre jeweiligen Regionen wohl auch eine gewisse Autonomie einfordern», sagt Berier.

Ermutigende Zeichen

Gleichzeitig sieht er auch positive Entwicklungen. «Die Situation ist heute stabiler als noch Anfang Jahr, als ich in Syrien war.» Nach Assads Sturz habe es eine Art Volksfeststimmung gegeben, gleichzeitig aber kaum organisierte Sicherheitsstrukturen. «Nun gibt es wieder uniformierte Sicherheitskräfte auf den Strassen, die Ampeln funktionieren, Wasser- und Stromversorgung sind zumindest in den Städten wieder besser gewährleistet.»

Flüchtlingslager Jarmuk in einer Aufnahme vom Dezember 2024.
Legende: Syrien erwacht langsam zu neuem Leben. Auch wenn die Zerstörungen im Land riesig sind. Bild: Die Ruinen des palästinensischen Flüchtlingslagers Jarmuk in Damaskus. Getty Images/Anadolu/Emin Sansar

In den Kriegsjahren gab es überall im Land Checkpoints. «Jetzt geniessen die Menschen ihre Bewegungsfreiheit und reisen auch wieder in andere Gouvernements», sagt Berier. In den Märkten würden auch wieder einige internationale Produkte verkauft. «Die Syrer wissen sich zu helfen», schliesst der SRK-Vertreter. Auch das macht Hoffnung, dass das kriegsversehrte Land eine Zukunft hat.

SRF 4 News, 29.9.2025, 7:20 Uhr ; 

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