Nora Gomringer sass dieses Jahr zum ersten Mal in der Jury des Bachmannpreises – und sorgte mit ihrer sprechenden Garderobe für Aufsehen. Ein Statement war jedes ihrer bedruckten Shirts, die sie in den drei Tagen jeweils über Mittag wechselte.
Ihr Anliegen? «Den Bachmann-Preis subtexten», sagt Nora Gomringer. Für uns hat die Spoken-Word-Autorin die Botschaften ihrer Klamotten entschlüsselt.
Hallo Mama!
Was trug Nora Gomringer?
Ein weisses Shirt, auf dem in grossen schwarzen Lettern «HALLO MAMA» prangte.
Was sagt sie dazu?
«Mit dem Shirt habe ich eine spezifische Fernsehzuschauerin gegrüsst: meine Mutter. Als ich 2015 selbst in Klagenfurt las, war sie dabei und wäre auch dieses Jahr gerne dabei gewesen, konnte aber nicht kommen. Ich glaube, viele andere Mütter haben sich auch angesprochen gefühlt.»
Gruss an Merkel
Was trug Nora Gomringer?
Aus Mama wird «Mutti»: Am ersten Nachmittag trug Gomringer eine Bluse mit Angela-Merkel-Print. Ja, sowas gibt es.
Was sagt sie dazu?
«Das war ein Gruss, oder ein Bekenntnis, an die Mutter der Nation. Angela Merkel halte ich im Moment für eine feministische Ikone. Bedrängt durch einen Mann, der ihr Ungehörigkeit vorwirft, weil von ihr nicht befolgt wird, was er aus ihr gemacht hat.»
Bekennender Marvel-Fan
Was trug Nora Gomringer?
Nichts Literarisches: ein «Guardians of the Galaxy»-Fan-Shirt mit der Figur Rocket Racoon.
Was sagt sie dazu?
«Ich bin ein Fan von ‹Guardians of the Galaxy›! Das Marvel-Shirt trug ich aber vor allem auch zur Lesung des wunderbaren Anselm Neft – das Interesse an Popkultur verbindet uns beide.»
Silbenrätsel
Was trug Nora Gomringer?
Ein mit kryptischen Kürzeln bedrucktes Shirt: «hst wk db sw el».
Was sagt sie dazu?
«Schön, wie alle über die Abkürzungen gerätselt haben! Sie waren ein liebevoller Gruss an mein Büro in Bamberg – das mich immer wieder gehen lässt, damit ich solche Extravaganzen wie Klagenfurt wahrnehmen kann.»
Bachmann zum Bachmannpreis
Was trug Nora Gomringer?
Ein randvoll bedrucktes Shirt – mit einem Zitat von Ingeborg Bachmann, der Namensgeberin des Literaturwettbewerbs: «Die Östereicher haben an so vielen Kulturen partizipiert und ein anderes Weltgefühl entwickelt als die Deutschen. Ihre sublime Serenität erklärt sich daraus, aber auch ihre Trauer und manche unheimliche Züge, die manchmal vernünftig, manchmal wahnsinnig aussehen, und die ihren Grund in tragischen Erfahrungen haben.»
Was sagt sie dazu?
«Ich habe mir erlaubt, Ingeborg Bachmann in den Wettbewerb einzubringen. Was für ein zauberhafter Gruss an die Österreicher. Besonders wenn mir gegenüber Klaus Kastberger (ein österreichischer Literaturkritiker und Jurymitglied, Anm. d. R.) sitzt und sich aufregt.»
Hommage an einen Verstorbenen
Was trug Nora Gomringer?
Kleingedruckt: «Die Bäume hockten sich hin und griffen sich an den Kopf.» Ein Zitat des russischen Autors Oleg Jurjew.
Was sagt sie dazu?
«Während des Wettbewerbs in Klagenfurt ist der wunderbare Oleg Jurjew verstorben. Ich habe ein schönes Zitat aus einem seiner Gedichte als Gruss an seine Gattin getragen – die grossartige Autorin Olga Martynova, die auch Bachmann-Preisträgerin ist. Und ich hoffe auch, dass wir die Bachmann-Tage mit dieser Art von Humor und dieser Sicht auf die Dinge nun hinter uns lassen können.»
Eine Entschuldigung an die Vorleser
Was trug Nora Gomringer?
Noch ein Ingeborg-Bachmann-Zitat: «Was die Kritik mit Bedacht und mehr wohl noch mit Unbedacht äussert, ist der schlechteste Ausgangspunkt für die Unterhaltung mit einem Autor. Verzeihen Sie!»
Was sagt sie dazu?
«Das zweite Bachmann-Zitat war zur Beruhigung aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer, deren Texte ich anhören durfte, gedacht: «Verzeihen Sie.» Ingeborg Bachmann sagte das in einem Interview in den 1960er-Jahren zu ihrem Gesprächspartner – und ich finde die Aussage sehr wahr.»