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Lücken im Initiativtext Höhere Kapitalbesteuerung: Wer bezahlt, wer profitiert?

Wer sein Geld für sich arbeiten lässt, soll mehr Steuern zahlen. Doch auf wen das genau zutrifft, ist unklar.

Kapitaleinkommen sollen höher versteuert werden als sonstige Einkünfte. Und das zusätzliche Geld in der Steuerkasse soll dann an alle anderen umverteilt werden. Das ist die Idee hinter der Initiative Kapitalbesteuerung der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten.

Über die Vorlage, auch  «99-Prozent-Initiative» genannt, wird am 26. September abgestimmt. Der Initiativtext lässt allerdings einiges offen: Unklar ist etwa, worauf genau mehr Steuern bezahlt werden sollen – und wer genau von der Umverteilung profitieren würde. Diese Unklarheiten kritisieren die Gegnerinnen und Gegner scharf – die Initiantinnen und Initianten hingegen kontern mit durchaus klaren Vorstellungen.

So schwammig sei eine Volksinitiative noch selten formuliert gewesen, sagte Finanzminister Ueli Maurer kürzlich sinngemäss vor den Medien.

Alles eine Frage der Auslegung

Gleicher Meinung ist Fabio Regazzi, Präsident des Gewerbeverbands (SGV) und Nationalrat der Partei «Die Mitte». Mit der 99-Prozent-Initiative Kaufe das Stimmvolk die Katze im Sack. «Das lässt Tür und Tor offen für verschiedene mögliche Auslegungen dessen, was die Initianten erwarten. Das ist nicht gut für das Volk. Aber es wäre auch nicht gut für das Parlament, wenn diese Initiative angenommen würde.»

Nebulös, so die Gegenkomitees, sei schon der Dreh- und Angelpunkt der Initiative; der Begriff Kapitaleinkommen. Dieses soll stärker besteuert werden. Nur: Was ist Kapitaleinkommen? Man könne Mieteinnahmen oder Dividenden darunter verstehen, schreibt der Bundesrat.

Aber auch Renten aus der Pensionskasse oder der Eigenmietwert bei Hausbesitzerin könnten darunter fallen, so der Bundesrat weiter.

Regazzi
Legende: Regazzi ist seit 2020 SGV-Präsident. Ihm fehlen Informationen zur Umverteilung. Keystone

Und so würde die sogenannte 99-Prozent-Initiative je nach Auslegung erheblich mehr Personen eine Steuererhöhung bescheren als nur dem einen Prozent, das die Juso versprechen. Juso-Präsidentin Ronja Jansen widerspricht dem entschieden: «Wir als Juso haben immer klar kommuniziert, dass der Eigenmietwert nicht betroffen ist. Wir haben immer klar kommuniziert, dass auch Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit und aus der Sozialversicherung ausgenommen werden sollen.»

Konkreter Betrag fehlt im Text

Ebenso nennen die Juso einen Betrag, ab dem die höhere Steuer greifen würde: 100'000 Franken. Im Initiativtext, über den abgestimmt wird, ist diese Zahl aber nicht zu finden. Und auch beim zweiten wichtigen Hebel der Initiative, bei der Umverteilung des Mehrertrags bei den Steuern, serviere das Initiativkomitee einen wolkigen Text, sagt SGV-Präsident Regazzi. «Sie sagen nur, dass es verteilt werden muss, aber nicht nach welchen Kriterien und wem es letztendlich zugutekommen soll.»

Jansen sagt dazu: «Es ist klar, dass wir nicht einen ganzen Gesetzestext in die Verfassung schreiben. Wie bei jeder Initiative müssen die Details nachher vom Parlament ausgearbeitet werden.»

Jansen
Legende: Ronja Jansen will, dass das Geld in Prämienverbilligungen oder in Kitas fliesst. Keystone

Der vorliegende Text nennt grob zwei Mechanismen der Umverteilung: Zum einen sind das tiefere Steuern für Personen mit tiefen oder mittleren Einkommen, zum anderen mehr Gelder für die soziale Wohlfahrt.

Auch hier werden die Initiantinnen und Initianten in ihren Unterlagen und auf Nachfrage konkreter. Jansen führt aus, was sie unter Wohlfahrt versteht: «Ich denke da insbesondere an Investitionen ins Gesundheitswesen für eine Verbilligung der Prämien oder eine Finanzierung von Kindertagesstätten. Das alles sind extrem wichtige Bereiche, bei denen wir grossen Handlungsbedarf haben.»

Konkrete Entscheide würde bei einem Ja das Parlament fällen.

Wie tief muss ein Initiativtext ins Detail gehen?

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Diese Frage gibt immer wieder zu reden – dazu nur zwei Beispiele von Initiativen des politischen Gegners der Juso, der SVP: Bei der Masseneinwanderungsinitiative wurde der SVP vorgeworfen, sie scheue sich, eine Höchstzahl zur Zuwanderung zu nennen. Bei der Durchsetzungsinitiative hingegen lautete die Kritik umgekehrt: Der Text sei derart detailliert, dass er dem Parlament null Spielraum lasse.

Echo der Zeit, 23.08.2021, 18:00 Uhr

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